Nein, ich habe keinen Koran umsonst ergattert.
Warum auch, ich habe bereits 2 Stück Zuhause im Regal stehen (und habe auch darin gelesen). Ich habe auch 2 Bibeln (und die „kleine Konkordanz“), mehrere Weissagungen von Indianern und Bücher über Buddhismus, wie auch Hinduismus. Ja sogar eine Thora-Übersetzung (oder auch „Tora“ geschrieben) gehört zu meinen Büchern. Und noch ein paar andere religiöse Bücher.
Ich habe auch das Grundgesetz, Marx und Engels, ein Buch über Anarchismus und so weiter im Regal stehen. Gleich neben Bücher über Müllvermeidung, Gesellschafterformen von Betrieben und weiteren ökologischen und politischen Büchern.
Ich habe die Bibel gelesen, bin ich nun einer der Kinder Missbraucht? Ich habe den Koran gelesen, bin ich nun einer der Frauen unterdrückt und morgen einen Selbstmordattentat im Stuttgarter Bahnhof macht? (Ach ich habe vergessen, es ist zu spät, das haben die schon selbst geschafft, die Zerstörung)?
Ich habe Marx und Engels gelesen, bin ich nun ein „sozialistischer Diktator“?
Nun, das was ich bisher mitbekommen habe ist, das die Korane (wie heißt eigentlich die Mehrzahl von „Koran“?) verteilt wurden und vielleicht auch durch die vorherige Berichterstattung der Medien unterstützt, ohne den Versuch, die Koranampfänger zu beeinflussen oder in ein religiöses Gespräch zu verwickeln. Somit ist der Berichterstattung damit vielleicht ein wichtiger Schritt geglückt. Die Politik hat versagt. Allein der Verbot die Bücher zu verteilen ist ein Armutszeugnis.
Der Koran ist nicht das Problem. Das Problem ist eher, dass dies zeigt, das für die Gruppierung, die hinter der Koranverteilung steht der Koran als „heilige Schrift“ unwichtig ist, ein Instrument mit dem man glaubt, seine eigene Position zu verbessern oder zu festigen.
Aber stehen die „Salafisten“, die ja vor allem der Anstoß der Empörung sind damit allein?
Ich denke nicht. Auch im Christentum gibt es ähnliche Bemühungen.
Ich habe hier gerade ein grünes Büchlein „Das Evangelium nach Johannes“ und ein blaues „Grundlegende Elemente des Christenlebens“ vor mir liegen. Diese beiden Heftchen sind mir mal von Christen in die Hand gedrückt worden. Nein nicht einfach in die Hand, sondern man wollte damit ein Gespräch verbinden, in dem ich von Ihrem einzigen Glauben überzeugt werden sollte. Dabei hat es Sie nicht interessiert, ob ich Christ, Moslem oder Atheist bin. Nein, es ging um „ihre“ Definition von Christentum. Als ich dieses Gespräch unterbunden habe, sind sie beleidigt abgezogen. Es war ihnen wohl nicht recht, als ich Fragte, ob „Gottes“ Wort, das sie mir da gegeben haben nicht stark genug wäre, das sie mir jetzt noch eine Gehirnwäsche verpassen wollen. Gut, was hatte ich bekommen? Ein Johannesevangelium? Nein, es war ein spezielles Exemplar, es war die „Wiedererlangungsversion“. Eine Version, bei der die Fußnoten mit dem Hinweis, wie ich gefälligst den Text zu verstehen habe weit über die Hälfte des Platzes ausmacht. Das andere Buch ist nicht besser als diverse Esoterische Anleitungen, wie man sein Leben nach Meinung anderer zu führen hat.
Sind solche Schriften nicht viel gefährlicher, als eine Bibel oder ein Koran für sich selbst?
Wie gesagt, auch ich bin evtl nicht „besser“ als die „Salafisten“. Diese verteilen den Koran evtl. nur, um Ihre Gruppierung zu festigen. Ich habe im Jahr 2010 dazu aufgefordert am 9/11 den Koran als Zeichen gegen Hass und Gewalt zu kaufen. Hintergrund war die ebenfalls politisch motivierte Aktion eines amerikanischen Pfaffen, an diesem Tag den Koran zu verbrennen. Am 11.September 2010 habe ich dann auch einen Koran und eine Bibel gekauft. Also habe ich das gemacht, was viele andere auch machen, die sogenannten „heiligen Bücher“ als Mittel zum Zweck benutzt. Gerade weil ich schon im Besitz einer Bibel und des Koran war. Einzig über die Qualität der dahinter steckenden Ziele kann man reden.
Und das ist es, worum es eigentlich gehen sollte. Die Frage was bezweckt jemand der eine Gruppierung mit Ihrem Angebot? und da hilft nicht das Verbot, sondern Aufklärung und ein Mitnehmen.
Im Tagesspiegel zu dem Thema (Islamkonferenz soll über Salafisten debattieren) kann man eben genau ein interessantes Phänomen entdecken. Dort hat einer in den Kommentaren einen interessanten Vergleich gezogen:
Wenn die NPD das GG*) verteilen würde, um gegen ein Verbotsverfahren zu argumentieren, wäre ich auf die Reaktionen von einigen sehr gespannt.
(Quelle: Tagesspiegel – Islamkonferenz soll über Salafisten debattieren/Kommentare 14.04.2012 13:34 Uhr)
Mehr stand in dem Beitrag (abgesehen von einem kleinen Zitat aus dem vorherigen Kommentar und der Fußnate, das man das GG nicht dem Koran gleich setzen will)) nicht. Also nicht mal viel Text zum lesen, trotzdem kommt postwendend auf dieser Kommentar:
Antwort auf rogue vom 14.04.2012 13:34 Uhr
Welch Unverständnis
Es ist eine Unverschämtheit, den Koran mit Nazischriften zu vergleichen.Würden sie das mit einer anderen religiösen Schrift – der Bibel – auch tun?
(Quelle: Tagesspiegel – Islamkonferenz soll über Salafisten debattieren/Kommentare 14.04.2012 14:43 Uhr)
Da diese beiden Kommentare zu den ersten 2 und 3 gehören sind sie schnell über den Link zu finden.
Was zeigt dies? Ähnlich wie bei der jetzigen Diskussion um die Koranverteilung und dem Islam wird auf Reizwörter reagiert. So wird einfach durch den Ausdruck „NPD“ und Verteilen das Grundgesetz zu einer „Nazischrift“.
Ebenso stilisiert man inzwischen den Koran zu einer Terroranleitung, bzw. einer Terrorschrift hoch.
Was mich dabei erschüttert ist, das man dabei verkennt, dass sowohl die Bibel und auch die Thora ebenso wie der Koran mehr sind als eine Religion. Es sind alles drei Bücher einer „Lebensweise“. Wie auch der Koran, hat die Bibel und auch die Thora klare Vorgaben über das gesellschaftliche Leben. Alle drei sind in der Geschichte zu Entscheidungen im gesellschaftlichen Leben herangezogen worden und alle drei sind in der Geschichte für Eigeninteresse missbraucht worden. Noch heute gibt es Glaubensgruppen, die Ihre Entscheidungen/Rechtsmeinungen aus der Thora entnehmen, ebenso wie es immer noch Christliche Gruppen gibt, die nur die Bibel als Gesetz akzeptieren.
Ebenso wie es Bestrebungen gibt, aus Gebieten einen Islamischen Gottesstaat zu formen, gibt es mitten in Deutschland eine Gruppe, die einen Christlichen Gottesstaat hier installieren wollen. Dabei akzeptieren sie nicht mal das Grundgesetz und sind somit in meinen Augen genau so Verfassungswidrig, wie Nazis, die Ihre Ideologie hier verbreiten wollen oder Moslems, die hier ihre eigene Korangebundene (besser Ihre Interpretation des Korans) Rechtsauffassung haben wollen.
Über die „Christliche Mitte“, die Deutschland zu einem Gottesstaat machen will, habe ich schon mal berichtet: Christliche Mitte – Christliche Fundamentalisten wollen einen Deutschen Gottesstaat?.
Das Problem sind nicht die Bibel, der Koran oder oder oder. Das Problem ist auch nicht, wer den Koran verteilt oder das Grundgesetz. Damit können sich diese Gruppierungen in einer aufgeklärten Gesellschaft nur selbst eine Falle bauen, da sie sich dann nach den von Ihnen selbst verteilten Worten messen lassen müssen.Nein, das Problem ist eben die fehlende Aufklärung.
Und wenn ich mir so manchen anhöre, dann stelle ich fest, das selbst bei einem humoristischen Abend über Religion von Jürgen Becker („ja, was glauben sie denn“) mehr Aufklärung erfolgt, als in den ganzen Berichten um die Koranverteilung.
Statt immer reflexartig zu reagieren, sollten wir die Waffe der „Salafisten“ (den von ihnen verteilten Koran) nutzen, um Ihn gegen Ihn zu wenden. Nicht der Koran ist das schlimme, sondern, das es Menschen (wie z.B. auch Salafisten -ob alle, weiß ich nicht) gibt, die mir sagen wollen, wie ich dieses Buch zu verstehen habe. Wobei dies eben nicht ein Alleinstellungsmerkmal der Moslems oder speziell der Salafisten ist. Auch andere Religionen und dessen Gruppierungen sind da nicht anders, inkl. der beiden größten Religionsgenmaischaften in Deutschland, die katholische und evangelische Kirche.
Zum Schluss den ersten Teil des Programms von Jürgen Becker „Ja, was glauben sie den“ (2009):
Die Teile 2-6 sind hier direkt bei YouTube zu sehen:
– „Ja, was glauben sie den“ Teil 2
– „Ja, was glauben sie den“ Teil 3
– „Ja, was glauben sie den“ Teil 4
– „Ja, was glauben sie den“ Teil 5
– „Ja, was glauben sie den“ Teil 6
Passend zu der oben schon beschriebenen Inhaltsverkennenden Reflexhandlung passt diese Meldung:
Koran-Geschenk-Aktion: Schlappe für Staatsschutz bei Ermittlungen gegen Salafisten-Prediger
[…]
Bei den Staatsschutzermittlungen gegen den Salafisten-Prediger Ibrahim Abou-Nagie, den Initiator der Koran-Geschenk-Aktion, hat die Kölner Staatsanwaltschaft eine Schlappe erlitten.
[…]
Die Vorwürfe gegen Abou-Nagie basierten auf einem Youtube-Video, in dem der radikale Koran-Gelehrte vor einer Schar Jugendlicher und Kinder angeblich zur Tötung von Ungläubigen aufgerufen haben soll. Eine interne Überprüfung Willuhns ergab nun, dass der in der Anklageschrift aufgeführte Youtube-Clip überhaupt keine Todesdrohung enthielt.
(…)
(Quelle: Focus – Koran-Geschenk-Aktion: Schlappe für Staatsschutz bei Ermittlungen gegen Salafisten-Prediger)
Ebenso wie diese reflexartige Handlungsweise spielt dies solchen Gruppierungen in die Hände. Ich halte dies Vergleichbar mit den verzweifelten Versuchen, ein Verbot für die Rechten zu konstruieren, statt die Wurzel des Problems zu bekämpfen.
Links:
– Tagesspiegel: Islamkonferenz soll über Salafisten debattieren/Kommentare 14.04.2012 13:34 Uhr
– Focus Online: Koran-Geschenk-Aktion: Schlappe für Staatsschutz bei Ermittlungen gegen Salafisten-Prediger
– Gehirnsturm: Aktion 11. September: Setzt ein Zeichen gegen Hass und Gewalt! Kauft ein Koran
– Gehirnsturm: [Update] Aktion zum 11. September: Setzt ein Zeichen gegen Hass und Gewalt! Kauft ein Koran
– Gehirnsturm: Christliche Mitte – Christliche Fundamentalisten wollen einen Deutschen Gottesstaat?
Eine Antwort auf Hilfe! Ich habe einen Koran berührt – Bin ich nun Extremist?