Plagiat? Oder wie man über seine eigenen Ansprüche stolpern kann

Mir geht es nicht darum, zu entscheiden oder auf die Kerbe zu hauen, dass Frau Schavan eine schlimme oder überhaupt eine Plagiatin ist.

Es ist das Selbstverständnis, das mir Kopfschütteln bereitet.

Justizia hat eine Augenbinde. Diese hat sie (eigentlich) damit sie nicht die Person, die vor einem steht sieht, sondern nach den Taten und dem Gesetz be“urteilt“.
Es ist also unwesentlich, ob jemand ein Kaugummi klaut oder ein Auto. Es ist auch unwesentlich, ob es eines ein Obdachloser ist, oder der Aufsichtsratsvorsitzende eines Konzerns.
So weit die Theorie.
Leider sieht die Praxis anders aus. Delikte, die durch „gehobene“ Gesellschaftsschichten begangen werden, werden öfter schon im Vorfeld eingestellt. Und oft steht dies im krassen Widerspruch zu der Anspruchshaltung dieser Personen.

Leider ist es auch so, dass die Behörden oder (wie im Fall der Doktorarbeiten) die entsprechenden Stellen sich nicht mehr von dem Druck der Öffentlichkeit lösen können.
Eines der prominentesten Beispiele war der Wetterfrosch Kachelmann. Der nach Außen den Saubermann und idealen Schwiegersohn gespielt hat, aber privat ganz offensichtlich ganz anders war. Was letztendlich wirklich passiert ist, wird wohl niemand mehr herausfinden und es werden wohl letztendlich nur Kachelmann und die Anzeigerin selbst genau wissen. Dies ist aber auch egal.
Was bezeichnend ist, dass die Staatsanwaltschaft, auch durch eigene Schuld nicht in der Lage war, wirklich Objektiv zu Ermitteln. Letztendlich hat sich das Gericht in Mannheim mit rein ziehen lassen. und wer die Momente des Kachelmannes während der zeit gesehen hat, wird das Gefühl nicht los, das auch er da nicht unerheblich beteiligt war.
Ein weiteres aktuelles Beispiel ist Emden gewesen mit der falschen Festnahme und dem willen von Menschen diesen falsch beschuldigten zu Lynchen.

Auch was anderes haben diese und andere Beispiele gezeigt. Es ist schwierig, sich zu schützen, als angeblicher Täter oder auch als ein Ankläger.
Im Fall Kachelmann hat die Verfolgung (und auch die Drohungen) der Anzeigerin keine Möglichkeit mehr gegeben, sich frei gegenüber den Ermittlern zu äußern. Im Fall Emden hatte der vermeintliche Täter ebenfalls keine Chance.

Nun hat jemand „Anonym“ mögliche Plagiatsstellen in der Doktorarbeit von der Bildungsministerin Schavan veröffentlicht. Die erste reaktion von Schavan war, das sich dieser gefälligst zu erkennen habe. Genau diese Reaktion lässt mich direkt sagen: „Hey Leute, egal ob einer oder eine Gruppe, bleibt bloß Anonym.

Was viele scheinbar nicht sehen wollen ist, dass auf der „Schavanplag-Seite“ nicht der Vorwurf gemacht wird, das Frau Schavan plagiatiert habe, sondern:

Dieses Blog dokumentiert mutmaßliche Plagiate in der 1980 an der Philosophischen Fakultät der Universität Düsseldorf eingereichten Dissertation von Prof. Dr. Annette Schavan.

(Quelle: Schavanplag – Hauptseite)

Update:
Als ich nach Links für weitere Meinungen zu dem Thema gesucht habe, bin ich auf eine Veröffentlichung von Heute (5.5.2012) gestoßen, in dem der Betreiber der Schavanplag-Seite sich konkreter äußert. Dort schreibt er aus seiner persönlichen Sicht:

Es war eine knappe Entscheidung; ich halte es aber für belegbar, dass Frau Schavan plagiiert hat, wenn auch in geringerem Ausmaß als andere. Ich wollte das nicht unter den Tisch fallen lassen.

(Quelle: Spiegel-Online – „Ich wollte das nicht unter den Tisch fallen lassen“)
Hier schreibt der Betreiber der Seite, dass „er“ es für belegbar hält, dass Frau Schavan plagiiert hat. Also glaubt er, dass der Umfang so gravierend ist, dass das recht auf die Doktorwürde fragwürdig ist.
Laut den Äußerungen des Betreibers an anderer Stelle des „Interviews“ soll die „Abstimmung“ über die Veröffentlichung bei Vroniplag sehr knapp gewesen sein. Wenn dies zutrifft, ist zu vermuten, dass einige des internen Kreises von Vroniplag gleicher Meinung wie der Betreiber der Schavanplag-Seite sind.

Ich halte dies für legitim und es ist bedauerlich, dass die Medien es nicht schaffen diesen kleinen Unterschied zu erfassen.
Die Entscheidung, ob es sich bei der Doktorarbeit um ein Werk handelt, das in der Gesamtbetrachtung nach diesen Darstellungen von „möglichen“ Plagiaten noch ausreicht, eine Doktorwürde zu haben, soll die Kommission feststellen. Dies soll Sie meiner Meinung nach ohne Druck von Außen machen können und hoffentlich auch Objektiv. Dabei ist zu bewerten, ob diese Stellen so, wie Dargestellt überhaupt stimmen und eben wie diese im Rahmen des Gesamtwerkes zu sehen sind.

Ein weiterer Punkt, vorausgesetzt das die bezeichneten Stellen auf der Seite so stimmen ist die Frage, was die eigentlichen Urheber der Textstellen davon halten. Es ist ja nicht auszuschließen, dass der Eine oder Andere da auch rechtlich gegen vorgeht.

Dann kommen wir zu dem Punkt, der weder Strafrechtlich, Zivilrechtlich oder durch eine Universitätskommission entschieden werden kann, das ist die Moralische und Politische Bewertung.
Dabei steht an erster Stelle die Frage nach der Richtigkeit der Vorwürfe. Die Seite wurde vor gut einer Woche bekannt und da bis jetzt die Falschheit der benannten Stellen nirgendwo behauptet wurde, bzw. die Korrektheit der gegenübergestellten Stellen nicht widerlegt wurde, muss ich bis auf weiteres davon ausgehen, das die dort genannten Stellen korrekt wiedergegeben wurden und die aufgezeigten Quellen ebenso korrekt sind.
Und hier kommt nun Frau Schavan selbst ins Spiel.
Sie hat sich ebenso, wie andere erwischte vorher auch besonders Moralisch hervor getan. Sie hat gerade als es um Doktorarbeiten in Bezug auf Gutenberg ging selbst extrem hohe Maßstäbe gesetzt.
Bei Gutenberg waren es zuletzt die ganzen Disketten gewesen, die Ihm (angeblich) die Übersicht verlieren ließen. Bei Frau Schavan müssen Karteikarten und Zettelkästen herhalten (das schreibe ich bewusst bewertend).
Eine Doktorarbeit soll bestätigen, dass jemand in der Lage ist eigenständig zu Arbeiten und neue Erkenntnisse zu schaffen. Dazu gehört es meiner bescheidenen Meinung nach auch, dass man sich davon überzeugt, dass man nicht aus seinen Quellen heraus eine Erkenntnis erhält, also sozusagen etwas vorgegebenes übernimmt und nicht etwas eigenständiges entwickelt. So ist es gerade bei dem Übernehmen von Erkenntnissen eines Anderen auf Grund von Dritter (inkl. den Quellenangaben) nur auf entweder fehlende Sorgfaltspflicht oder Ignoranz zurück zu führen. Ich habe keinen Doktor, aber meiner Meinung nach ist es auch Aufgabe eines Doktoranden seine Doktorarbeit in diesem Blickwinkel zu überprüfen. Wenn man, wie behauptet eine Zusammenfassung mit mehreren Quellenangaben fast wortwörtzlich übernimmt, so mag man (mit viel Gutwill) dem Schreiber ein gutes Textgedächtnis nachsagen. Aber da fehlt dann auch die letzte Kontrolle, ob ein solch komplexer Text, inkl. den Quellen im eigenen Kopf wirklich eine eigene Erkenntnis ist.

Das die Textstellen auf der Schavanplag-Seite scheinbar richtig ist, zeigt ja auch eine Äußerung der Sprecherin von „Vroniplag“, die bestätigte, das man Stellen gefunden habe, die Unregelmäßigkeiten aufgeworfen habe, aber man sich entschieden hat, dass dies nicht „berichtenswert“ sei und man es nicht veröffentliche.
Hier zeigt sich nun die Kehrseite dieser „Plagiatsprüfer“. Sie „Urteilen“ über die gefundenen Stellen. Damit haben sie die Veröffentlichung des Blogs „Schavanplag“ erst dazu gemacht, was es jetzt ist, ein Politikum. Zudem spielen sie sich damit zu „Richtern“ auf.
Somit hat für mich diese Gruppe, die sich ja aus der Gutenbergaffäre entstandenen Plagiatssucher seine Glaubwürdigkeit verloren. Wer nicht offen und unabhängig Arbeiten überprüft, der manipuliert, ob bewusst oder unbewusst.
Werden Arbeiten offen und für jeden Einsichtbar überprüft, so hat auch der Betroffene die Chance sowohl seine Arbeit diesbezüglich zu überprüfen, wie auch schon in der Entwicklung zu reagieren.
Dies ist der Unterschied zwischen einem wissenschaftlichen Vorgehen und einer Bewertung. Scheinbar ist „Vroniplag“ eine Plattform, die auf der Suche nach dem nächsten Gutenberg sind und nicht die, für die sie sich ausgeben, angeblich eine Gruppe, die den Wissenschaftlichen Standard der akademischen Grade aufrecht erhalten will. Auch das Sie nun als „Bewerter“ herhalten, über Ihre Sprecherin, ist in meinen Augen eine Anmaßung die Ihnen nicht zusteht. Gerade diese Gruppe hat damit Ihre Arbeit und Ihr angebliches Ziel unglaubwürdig gemacht.

Frau Schavan muss sich jetzt als „Bildungsministerin“ fragen lassen, ab wann z.B. eine Klassenarbeit als geschummelt gilt? Wenn der Spickzettel mehr als 10% der Aufgaben der Arbeit enthält. Wenn in der Arbeit mehr als 10 % des Inhaltes des Spickzettels enthalten sind? Oder wie gehabt, wenn nur jemand mit einem Spickzettel erwischt wird, unabhängig davon ob er ihn genutzt hat oder nicht?
Da komme ich z.B. auf einen Schulkammeraden zurück, der Prüfungsangst hatte. Der hatte immer einen Spickzettel mit. Ja und er hat ihn dann nie gebraucht. Er hat Ihn vor allem beruhigt. Leider half dies bei einer mündlichen Prüfung, da dort die theoretische Möglichkeit des nachschauens vor 10 Lehrern nicht gegeben war nicht. Er hatte somit die Fachoberschulreife verpasst. Nicht weil er es nicht wusste, sondern allein aus der Angst, das er es evtl. nicht wissen könne. Wäre bei einer der Klassenarbeiten die nicht benutzten Spickzettel benutzt worden, so hätte es eine 6 gegeben.
Die Bildungsministerin besteht aber für sich auf Ihre Aussage des „bestem Wissen und Gewissen“! Ein Ausdruck der bei Politikern immer einen recht bitteren Beigeschmack hat. Nimmt man dann noch den Titel der Doktorarbeit „Person und Gewissen. Studien zu Voraussetzungen, Notwendigkeit und Erfordernissen heutiger
Gewissensbildung“
kann man über die scheinbar mangelnde „Gewissensbildung“ bei Frau Schavan, so wie ich Ihre bisherigen öffentlichen Äußerungen prsönlich interpretiere schon erstaunt sein.
Auch das auf eine recht konkrete Aufstellung von Textstellen die Aussage von Frau Schavan kommt, dass: „Mit anonymen Vorwürfen kann man schwerlich umgehen“ ist vielleicht ja nur für mich schwer verständlich. Da gibt es die Stelle „x“ in der Doktorarbeit von Frau Schavan und als Vergleich die Stelle „Y“ von einem Dritten. Dazu kann man keine Stellung nehmen, weil der Einsteller (und nicht der Autor dieser „Textstellen“) sich nicht namentlich zu erkennen gibt?
Auch dieses hat einen bitteren Beigeschmack.

Noch etwas persönliches:
Wie gesagt, ich habe keinen Doktor, aber einen Meisterbrief.
Dieser hat eine andere Grundlage. Der Meisterbrief soll bestätigen, dass ich in meinem Beruf die Fähigkeiten habe, die Gefahren zu erkennen, die Regeln und Gesetze für meinen Bereich lesen zu können und auch entsprechend umzusetzen. Auch zu entscheiden, wann im Rahmen meiner Möglichkeiten eine Regel durch Ersatzmaßnahmen erfüllt werden kann.
Dazu musste ich eine Projektarbeit schreiben. Mein Vorteil, ich muss mich gerade auf Quellen beziehen und dann erläutern, wie ich diese Umgesetzt habe. Das machte es für mich einfacher, da ich ja etwas reales beschreiben musste und etwas, was ich real gemacht habe. Trotzdem gehörte es auch zu meinen Pflichten als Meisteranwärter meine Projektarbeit, bzw. die Dokumentation, die als Meisterarbeit eingereicht wurde genau auf Korrektheit zu überprüfen.
Dann halte ich es bei den ganzen wissenschaftlichen Arbeiten für ein großes Problem, das man bestimmte Formen sehen will, um sich sozusagen abgrenzen zu können gegenüber den Fachfremden. Sozusagen die „Fachsprache“. Damit engt man sich selbst ein und macht es schwierig eigene Gedanken wirklich zu formulieren.
Dies habe ich auch bei meiner Meisterarbeit nicht akzeptiert und habe sozusagen so geschrieben, wie mir das Maul gewachsen ist. Der Erfolg (= Benotung meiner Meisterarbeit) haben mir recht gegeben.
Evtl. hat dieser „Fachzwang“ ja auch den Einen oder Anderen in das Korsett des Übernehmens von anderen Texten gesteckt? Das ist aber keine Entschuldigung, weil dieses Korsett zieht sich jeder, der das Spiel mitmacht selbst an.

Links:

– Schavanplag: Die Seite auf der die angeblichen (und scheinbar auch wahrscheinlichen) Ünregelmäßigkeiten aus der Doktorarbeit von Frau Schavan aufgeführt sind.
– Financial Times Deutschland: Vroniplag entlastet Schavan (ein Beispiel, wie die Plattform „Vroniplag“ ihre angebliche neutrale wissenschaftliche Ebene verlassen hat.
– Spiegel Online: „Ich wollte das nicht unter den Tisch fallen lassen“ (ein „Interview“ mit dem Betreiber von „Schavanplag“. Eigentlich schriftliche Fragen, die schriftlich beantwortet wurden)

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Plagiat? Oder wie man über seine eigenen Ansprüche stolpern kann

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