Redtube, das Blut an der falschen Stelle und der Abmahnwahn

Der selige Matthias Beltz hat mal zur Moral in der Politik gesagt:

Es ist wie ein Gruppe von Männern
die einer Frau die Kleider vom Körper reißt
und sich danach um sie stellen,
Mit dem Finger auf sie zeigen und rufen:
„Schau, die Sau ist Nackt“

(Aus der Erinnerung frei zitiert)

Dieser Spruch ist hier in doppelter Hinsicht passend. Jedenfalls passender als mein leicht irreführender Titel.
Bei den Abmahnungen wegen angeblicher Urheberrechtsverstößen von Besuchern der Webseite „Redtube“, einem Pornoportal spielt man mit der Doppelmoral vieler Menschen. Man schaut vielleicht, aber man gibt es nicht zu. Und wenn, dann nur, weil man sich Informieren muss, was der einfache Mann sieht (Man frage mal die ganzen Blöd-Zeitungsleser, wie viele da nur wegen dem Wissen, was der einfache Mensch so liest diese eben auch „liest“).
Sich dagegen wehren bedeutet auch, sich zu rechtfertigen. Was besonders dann ein Problem ist, wenn man von dem Besuch auf dieser Seite wirklich nichts weiß, was ja von einigen Betroffenen behauptet wird. In der Presse heißt es bereits, das Menschen, die bereits bezahlt haben wohl die Gelackmeierten sind, weil es eher unwahrscheinlich ist, das diese Ihr Geld zurück bekommen. Von daher ist es für die Beteiligten (Abmahner, Anwälte, usw.) ein einfaches Rechenspiel. Zahlen x% der Abgemahnten die Rechnung, so hat sich der Aufwand für alle Beteiligten gelohnt.
Wie gesagt, das auch Menschen, die die Seite nicht aktiv und bewusst besucht haben unter Umständen lieber zahlen, als sich durch eine Rechtfertigung und den Reaktionen („jaja“) zu kämpfen scheint recht wahrscheinlich. Das es nicht nur als Schutzbehauptung, sondern durchaus sein kann das Menschen unbemerkt auf der Webseite waren kann man anhand der Erkenntnisse als möglich ansehen, die man auf Heise.de nachlesen.
In dem Artikel „Porno-Abmahnungen: Indizienkette zur IP-Adressen-Ermittlung verdichtet sich“ wird dargelegt, wie sich die Indizien das man über mehrere Seiten auf die Webseite „Redtube“ geleitet wurde immer mehr verdichtet hat. Ich brauche dies hier nicht aufzuführen, das kann man direkt bei Heise nachlesen.
Interessant dabei ist der vorgeschaltete Dienstleiter „Trafficholder.com“. Dieser kann Eingebunden werden, so das (auch nach bestimmten Kriterien, wie z.B. nur IPs aus Deutschland) beim aktivieren ein nicht gewolltes weiterleiten auf eine beliebige Seite erfolgt. In diesem Fall halt über Trafficholder.com und 2 weiteren Webseiten letztendlich auf Redtube udn zwar scheinbar auf 2 bestimmten Filmen deren Rechte bei von der Armahneneden Firma kurz vorher erworben wurde. Sehr schön in einer Grafik zu sehen, die von einem User erstellt wurde und Heise zur Verfügung gestellt wurde: „Besucherstatistik der von der Kanzlei U+C abgemahnten Videos auf Redtube.com“. Man beachte den Zeitstrahl unterhalb des Diagramms.
Auf welchen „Honey-Seiten“* der Dienst von „Traficholder.com“ installiert war/ist, das ist die Frage. Es muss nicht unbedingt eine Pornoseite sein. Auch, ob das Ganze sich nicht im Hintergrund (z.B. als Popup) abspielte, weiß ich nicht.
So kann es durchaus sein, das sich bei einer Harmlosen Suche oder dem falschen Klick auf einer Suchmaschine eine Popupseite im Hintergrund öffnete, das diesen Seitendurchlauf abspulte. Mein Versuch auf die abgemahnten Filme direkt bei Redtube zuzugreifen scheiterte daran, das diese nicht länger zu Verfügung standen. Bei der zweiten URL von der oben verlinkten Grafik gab es aber unter der Filmnummer einen neuen Film, der umgehend anlief, nachdem die URL-Verbindung stand. Man hat also bei einem solch gezielten Aufruf eines bestimmten Films auf der Seite gar keine Kontrolle darüber, ob man diesen sehen will (also Film starten) oder nicht. Wenn solch ein Film mit einem Popup im Hintergrund lief, kann es durchaus sein, das man davon nichts mitbekommen hat.
Ich nutze Linux als Betriebssystem und lasse die Menüleisten verschwinden, so das mir für die Darstellung der Ganze Bildschirm zu Verfügung steht. Selbiges gibt es auch bei Windows und Mac (das automatische Verbergen der Menüleiste/n). Auch sind die freien Webbrowser bei weitem nicht mehr so „Nutzerfreundlich“, wie zu ihren Anfangszeiten. Jeder, der z.B. nur mal Adope-Artikel für Plugins oder PDF-Lesen Upgedatet hat wird vielleicht bemerkt haben, das sein Firefox danach plötzlich mit einer neuen Toolbar beglückt wurde. Oder das er plötzlich auf eigentlich werbefreien Seiten Werbeunterlegung bei bestimmten Wörtern vorfindet (als Mitbetreiber einer Non-Profit-Plattform ohne jegliche Werbung muss ich dies regelmäßig bei Beschwerden in unserem Forum richtig stellen). Ich habe es selbst erlebt, das ich bei einem Update, obwohl ich alle Zusatztools abgelehnt habe (also Häkchen entfernt) trotzdem auf Firefox ein von mir nicht installierte Toolbar vorfand.
Und machen wir uns nichts vor, es ist nicht nur die NSA oder die Britten, die uns ausspionieren, uns unerwünschte Ausforschungsprogramme (nett als „cookies“ bezeichnet) in den Browser installieren (Anmerkung: nicht jedes „Cookie“ ist ein Spionage-Programm, auch auf meiner Seite werden Cookies verwendet, siehe hier: Datenschutzerklärung).

Jetzt wird es spannend, wie die Sache juristisch weiter geht.
Nachdem nun einige Gerichte wegen ihrer freizügigen Beschlüsse zur Auskunftserteilung der IP-Nutzerdaten zurückrudern mussten, kann man nur hoffen, das die Gerichte in Deutschland sensibilisiert sind und sich solche Auskunftsersuchen in Zukunft genauer anschauen.
Auch wird es spannend sein, wie es für die beteiligten Anwälte ausgeht. da ist auf der einen Seite die Patentanwälte Diehl & Partner aus München, die bereits einen Tag nach Firmengründung dem IP-Ermittlungsprogramm „itGuards“ (das angeblich zur IP-Ermittlung eingesetzt wurde) ein positives Gutachten erteilte (siehe T-Online „Die Hintermänner der Redtube-Abmahnungen“). Dann dem Antragsteller der IP-Auskunft, dem RA Daniel Sebastian, sowie eben der Abmahnenden Kanzlei U+C. Sollten die Ermittlungen und Gerichte so weit gedeihen das die Unrechtmäßigkeit der Tätigkeit dieser Anwälte (oder einem Teil dieser Anwälte/Kanzleien) festgestellt wird, könnte man dort die Gewinne abschöpfen, da man sich von einer strafbaren Handlung keinen Vorteil erwerben darf. Gerade bei der Abmahnenden Kanzlei U+C dürfte dies schmerzhaft sein, da nach deutschem Recht keine Erfolgshonorare vereinbart werden dürfen. Also müssten für die „Gewinnabschöpfung“ (also die Anwaltskosten für die Abmahnungen) alle Abmahnungen herangezogen werden, egal ob der Abgemahnte bezahlt hat oder nicht, da (zumindest rein Formal) die Gebühr für den Auftraggeber (dem Abmahner) für jede Abmahnung fällig gewesen sein muss.
Da Insider-Infos und Erfahrungen aus früheren Abmahnungsfällen es eher vermuten lässt, das man eine prozentuale Beteiligung der eingegangenen Abmahnungssumme als Einnahme für den Anwalt vereinbart hat, dürfe das unter Umständen dann (finanziell) recht Schmerzhaft für die Kanzlei sein. Und da Geld das einzige ist, was hinter dieser Abmahnmasche steht, ist es auch das, was diese als einziges im Blick haben. Ich wette, das einige ganz genau beobachten, wie sich diese Masche letztendlich rechnet. Setzt sich die Justiz durch und es wird für die Rechtsanwälte ein Minusgeschäft, dann würde dies mehr bringen, als ein noch so tolles neues Gesetz.

Während ich diesen Text gestern geschrieben habe bin ich heute dazu gekommen, mich wegen des Vorganges noch ein wenig intensiver im Netz zu bewegen. Dabei ist mir gerade wegen der Haftung und Schadensersatz gegenüber dem angeblichen Urhebern und der Anwaltskanzleien einige sehr gute Artikel von der Rechtsanwältin Rechtsanwältin Anja M. Neubauer und dem Rechtsanwalt Malte Dedden gestoßen. Neben den sehr guten Infos fand ich es äußerst Sympathisch, das diese klare Worte für die „rettenden Engel in Form von Anwälten haben, die nun ein Problem der (teuren) Grauzone herbei beschwören (ach ja und natürlich, das Frau Neubauer in meiner alten Heimat Köln und Herr Dedden in meiner neuen Heimat Baden-Württemberg sitzen 😉 ). Die beiden Anwälte nehmen die Rechtslage in mehreren guten Artikeln auseinander. Das Fazit ist recht einfach. Das Urheberrecht stellt fest, das es kein Verstoß gegen selbiges ist, wenn es technisch notwendig ist vorübergehend das urhebergeschützte Produkt zwischen zu Speichern (neben den anderen rechtlichen Fragen). Dies wird ja als der Verstoß von der Kanzlei U+C behauptet. Was soll ich hier die Artikel weiter geben? Da stelle ich doch lieber die Links in chronologischer Reihenfolge ein:

Und Redtube hat eine einstweilige Verfügung gegen die Fa. „The Archive AG“ erwirkt (Frankfurter Rundschau: „Porno Redtube Abmahnung: Redtube erwirkt einstweilige Verfügung“), nachdem vorläufig keine weiteren Abmahnungen erlassen werden dürfen.

* Honey-Seiten: Seiten auf die man hingeleitet werden soll, um dort hängen zu bleiben (hier abgewandelt von mir benutzt). Gerne auch zum Kampf gegen Abzocker und Spam genutzt. Eines der Bekanntesten Hony-Seiten ist das „Projekt Honey Pot“

Links:

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