Aigner: Wer im Datensammelkabinett sitzt, sollte nicht mit "offenen Briefen" werfen – Wie man sich unglaubwürdig macht!

Unser deutsche Verbraucherschutzministerin Aigner schreibt einen „offenen Brief“.
Ja an wen wohl?
An die bösen Verbraucherfeindlichen Abzocker?
An die Internetbetrüger?
An die Abmahnanwälte, die Laien wegen einer kl. Verfehlung erbarmungslos Abmahnen?
Nein, an Facebook und zwar wegen Datenschutz!
Die Ministerin deren Kabinett schon wieder hinter geschlossenen Türen „verdachtsunabhängige Datenspeicherung“ als legal hinstellen wollen, empört sich über ein kommerzielles Unternehmen, das Ihre eigenen Interessen verfolgt.

„Privates muss privat bleiben“

Verbraucherschutzministerin Aigner protestiert gegen Pläne des sozialen Netzwerks Facebook, Nutzerdaten automatisch an Dritte weiterzugeben. SPIEGEL ONLINE dokumentiert den offenen Brief der CSU-Politikerin an Facebook-Chef Mark Zuckerberg.

Sehr geehrter Herr Zuckerberg,

mit großer Verwunderung habe ich gesehen, dass „Facebook“ ungeachtet der Bedenken von Nutzern und massiver Kritik von Verbraucherschützern den Datenschutz im Netzwerk weiter lockern möchte. Wie es in Ihrer aktuellen Datenschutzrichtlinie heißt, sollen künftig Nutzerdaten automatisch an Dritte weitergegeben werden. Dabei soll es sich um vorab überprüfte Website- und Applikationen-Betreiber handeln. Wer dies nicht möchte, muss selbst tätig werden und aktiv die Opt-Out-Funktion benutzen.

(Quelle: Spiegel Online – „Offener Brief an Zuckerberg „Privates muss privat bleiben““)

Dieses Kabinett, dessen Verbraucherschutzministerin sich hier so schön künstlich und heuschlerisch über ein „Opt-Out“ aufregt lässt mir bei verdachtsunabhängiger Datenspeicherung und bei ELENA nicht mal eine „Opt-Out-Funktion“.

Ich erwarte von Facebook, die Datenschutzrichtlinie umgehend zu überarbeiten.

• Facebook muss sicherstellen, dass die persönlichen Daten aller Mitglieder umfassend geschützt werden.

• Geplante Änderungen der Nutzungsbedingungen müssen allen Mitgliedern klar und deutlich bereits vor jeder Änderung mitgeteilt werden.

• Grundsätzlich dürfen persönliche Daten nicht ohne Einwilligung automatisch an Dritte zu kommerziellen Zwecken weitergeleitet werden. Eine Weiterleitung und Kommerzialisierung privater Daten darf nur mit Zustimmung der betroffenen Personen erfolgen. Gerade weil besonders jungen Nutzern meist nicht bewusst ist, dass ihre persönlichen Profile zu kommerziellen Zwecken genutzt werden sollen, kommt Unternehmen wie Facebook eine besondere Verantwortung zu.

Sollte Facebook nicht bereit sein, seine Firmenpolitik zu ändern und die eklatanten Missstände zu beheben, sehe ich mich gezwungen, meine Mitgliedschaft zu beenden.

Mit freundlichen Grüßen

Ilse Aigner

(Quelle: Spiegel Online – „Offener Brief an Zuckerberg „Privates muss privat bleiben““)

Selten so gelacht.
Hier die Passende Antwort von Chris, einem der Betreiber von F!XMBR:

Sehr geehrte Frau Aigner,

mit großer Verärgerung muss ich immer wieder feststellen, dass die deutsche Bundesregierung, deren Mitglied Sie immerhin als Ministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz sind, ungeachtet aller Bedenken und Proteste von Bürgern und Verbraucherschützern die Bürgerrechte in unserem Land weiter abbaut. Zuletzt waren die so genannten Netzsperren und die Vorratsdatenspeicherung auf der politischen Agenda. Im Fall der Vorratsdatenspeicherung – und nicht nur in diesem Fall – musste das Bundesverfassungsgericht uns Bürgerinnen und Bürger vor der Bundesregierung und dem deutschen Staat schützen.
[…]
[…]
Ich erwarte von der deutschen Bundesregierung, die Bürgerrechte der Bürgerinnen und Bürger der Bundesrepublik Deutschland zu achten und unsere Verfassung zu ehren, wie es unsere Gründungsväter verdient haben, die unser einzigartiges Grundgesetz unter viel gefährlicheren Umstanden – wie es heute der Fall ist – geschaffen haben.

* Die Bundesrepublik Deutschland muss sicherstellen, dass die Privatsphäre der in Deutschland lebenden Menschen gewahrt und vor Eingriffen staatlicher Seite geschützt wird.
* Geplante Verschärfungen so genannter Sicherheitsgesetze, die mit einem Abbau der Freiheitsrechte einher gehen, sind unverzüglich zu stoppen.
* Grundsätzlich darf der deutsche Staat nicht mehr in die Privatsphäre der Bürgerinnen und Bürger eingreifen. Gerade weil vielen Menschen, die nach dem Motto leben Ich habe doch nichts zu verbergen, die Gefahren nicht bewusst sind, kommt dem deutschen Staat eine besondere Verantwortung zu.

Sollte die deutsche Bundesregierung nicht bereit sein, ihre Überwachungspolitik zu ändern, sehe ich mich weiterhin gezwungen, Ihnen und Ihren Kabinettsmitgliedern mein Vertrauen zu entziehen. Ich mein ja nur…

Mit freundlichen Grüßen

Chris

(Quelle: F!XMBR – „Offener Brief an Ilse Aigner“)

Sehr schön zu dem offenen Brief auch ein Kommentar in der Welt Online:


Das klingt vernünftig, ist aber ein Missverständnis, zu dem möglicherweise das strapazierte Wort „sozial“ auch eine Ministerin einlädt. Das Missverständnis besteht darin, dass Verkauf und Vermarktung von Nutzerdaten kein lässliches Hobby von Facebook ist, sondern dessen Existenzgrundlage.
[…]
Facebook ist keine Gabe des Sozialstaates. Wer den Datenschutz wirklich absichern will, muss erst eine neue Finanzierungsbasis für globale Netzwerke erfinden. Wenn Ilse Aigner das gelingen sollte: Chapeau!

( Quelle: Welt Online – „Hier irrt Ilse Aigner“)

Auf Philibuster kann man dieses nicht sehr schmeichelnden Worte lesen:

Die Verbraucherschutzministerin, Ilse Aigner, droht Mark Zuckerberg mit der Löschung ihres Facebook-Profils – sollte das Unternehmen nicht die erwünschte Datensicherheit gewährleisten. Längst hätte Aigner eine wirksame Waffe in der Hand, bevorzugt aber den Auftritt im Kasperletheater.

(Quelle: Philibuster – „Ilse Aigner contra Facebook – Gespielte Machtlosigkeit“

Und weiter:

Der Staat als größter Datensammler

Freilich, hätte Ilse Aigner ihrem neuerlichen Frust tatsächlich in aller Öffentlichkeit, heißt auf Facebook, Luft gemacht, wären ihr hunderte „gefällt mir“ neben zehntausenden „wtf?“s (what the fuck?) und „wayne?“s (wen interessierts?) sicher gewesen. Letztlich interessiert es nämlich niemanden, ob Ilse Aigner nun auf Facebook vertreten ist oder nicht. Schon gar nicht Mark Zuckerberg, der trotz Aigners Abgang dann weltweit noch immer mit 399.999.999 Mitgliedern angeben könnte.

Trotzdem sollte die Frage erlaubt sein, warum sich die Verbraucherschutzministerin neuerdings für die Sicherheit der – vor allem jungen – Wähler im Internet stark macht und Daten schützen lassen will, die Facebook unaufgefordert Dritten zur Verfügung stellt. Darunter der Name, das Geschlecht, Profilbilder und den Computerstandort. Peanuts im Vergleich zu den Daten die mittlerweile – durch die Entscheidungen von Politikern – im Alltag erhoben werden: Fingerabdrücke in Reise- und Personalausweis (ab 2010), geplante aber wieder verworfene Körper-Scans, Steuersünder-Datenbanken, Krankenakten auf Chipkarten und mit ELENA so ziemlich alles, was zukünftige Arbeitgeber an potenziellen Mitarbeitern interessieren könnte (Einkommen, Fehltage, Lebensverhältnisse). Die Debatte um die immer wiederheftig kritisierte Vorratsdatenspeicherung noch nicht einmal mit eingerechnet.

(Quelle: Philibuster – „Ilse Aigner contra Facebook – Gespielte Machtlosigkeit“

Auch ich halte nichts von den Machenschaften der so genannten „sozialen Netzwerke“. Aber hier habe ich im Gegensatz zu anderen Begebenheiten, wie Datenspeicherung und ELENA noch eine freie Entscheidung, ob ich mitmache oder nicht.

Es wäre an der Zeit, dass sich die Politiker auf Ihre Aufgabe im Sinn der Menschen erfüllen, für die sie Stellvertretend tätig sind und nicht für die eigene Schlagzeile oder der eigenen Tasche, gefüllt von Lobbyisten!
Vernünftige Verbraucherschutzggesetze würden all diese Modelle der Datenweitergabe zu Werbe- und Übertolperungszwecke für solche Netzwerke uninteressant machen. Aber so lange Firmen Verbraucher ungestraft mit Werbung, unberechtigten Forderungen tyrannisieren dürfen, so lange wird dieses Geschäft blühen.

Links:

– Spiegel Online: „Offener Brief an Zuckerberg „Privates muss privat bleiben““

– F!XMBR: „Offener Brief an Ilse Aigner“

– Welt Online: Kommentar: „Hier irrt Ilse Aigner“

– Zeit Online: Chaos Computer Club: Netzwerke sind Datenkraken

– Philibuster: Ilse Aigner contra Facebook – Gespielte Machtlosigkeit

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