EuGH (Europäischer Gerichtshof) setzt Maßstab für Gewährleistungskosten zu Gunsten der Verbraucher

Im Fall von GermanOffice hatte ich schon mal erläutert, wie Händler versuchen, die Kunden auf die „Garantieleistungen“ der Hersteller zu leiten. (siehe: „GermanOffice Insolvenz – Gewährleistung vs. Garantie – Und die Frage, wann man besser auf sein Recht verzichtet“)

Der Grund ist einfach.
Während bei der Garantie (eine „freiwillige“ Leisung) der Hersteller der Ansprechpartner für den Kunden ist und er sich oft mit einem großen Apparat (oder nicht selten nur einer Deutschlandvertretung) auseinandersetzen muss, ist die Gewährleistung ein gesetzliches Recht was dem Kunden unmittelbar von seinem Händler zusteht. Das ist für den Händler recht unangenehm, da alle Kosten nun bei Ihm liegen, da im gewerblichen Handel der Empfänger einer Ware diese direkt auf Unversehrtheit prüfen muss.

Nun, die Gewährleistung sieht vor, das ein Händler für die Unversehrtheit der Ware 2 Jahre lang haften muss. Dabei handelt es sich um die Haftung, das die Ware beim Kauf in einwandfreiem Zustand war. Schäden die durch eine fehlerhafte Ware entstehen sind vom Händler zu beheben, so das die Ware fehlerfrei (bzw. durch eine Fehlerfreie Ware ersetzt) ist und der Schaden behoben ist. Natürlich gilt dies nicht für Schäden, die nicht durch eine fehlerhafte Auslieferung entstehen.
Ein Wermutstropfen gibt es. Der Gesetzgeber hat nach 6 Monaten die Beweispflicht gedreht. In den ersten 6 Monaten muss der Händler nachweisen, das eine Schädigung der Ware nicht schon beim Kauf der Ware bestanden habe. Nach 6 Monaten muss der Kunde beweisen, das der Schaden bereits beim Kauf bestanden hat, was oft sehr schwierig ist.

Aber wie ist es mit den Schäden, die evtl. durch eine fehlerhafte Ware entstehen. Bisher eher eine Grauzone.

Das ist nun mit der Entscheidung des EuGH klar gestellt.
Schäden die eine fehlerhafte Ware verursacht sind bei verwendungsgemäßer Behandlung zu ersetzen.

In dem Urteil des EuGH (Az: C-65/09 und 87/09) geht es um 2 Vorgänge in Deutschland.
In beiden Fällen hatte das BGH (Bundesgerichtshof) den Verbrauchern nicht viel Hoffnung gemacht und die Entscheidung ans EuGH weiter gegeben.

Fall 1:
Ein Kunde hatte Fließen bei einem Händler gekauft und verlegen lassen. Bei der Besichtigung der verlegten Fließen wurde festgestellt, das der Händler Fließen mit Schleifspuren auf der Oberfläche geliefert hatte, also keine einwandfreie Ware. Der Streit ging nun um die Kosten der Demontage und neuerlichen Montage der (dann einwandfreien) Fließen.
Das EuGH hat nun entschieden, das der Händler diese Kosten zu tragen habe.

Fall 2:
Eine Kundin hat eine Einbau-Spülmaschine gekauft und von einem Fachbetrieb einbauen lassen. Nach dem Einbau stellte sich heraus, das die Maschine nicht Funktionierte. Hier ging es ebenfalls um die Frage, in wie weit der Händler die Kosten für Ausbau, Transport und Wiedereinbau zu zahlen habe.
Auch hier hat das EuGh für die Verbraucherin entschieden und der Händler hat alle Kosten für die Erfüllung der gesetzlichen Gewährleistung zu tragen.

Besonders interessant dabei ist, dass für das Urteil folgende Erwägungsgründe berücksichtigt wurden:

„(11) Zunächst kann der Verbraucher vom Verkäufer die Nachbesserung des Gutes oder eine Ersatzlieferung verlangen, es sei denn, dass diese Abhilfen unmöglich oder unverhältnismäßig wären. Ob eine Abhilfe unverhältnismäßig ist, müsste objektiv festgestellt werden. Unverhältnismäßig sind Abhilfen, die im Vergleich zu anderen unzumutbare Kosten verursachen; bei der Beantwortung der Frage, ob es sich um unzumutbare Kosten handelt, sollte entscheidend sein, ob die Kosten der Abhilfe deutlich höher sind als die Kosten einer anderen Abhilfe.“

Gerade im ersten Fall ist es von daher interessant, da die Kosten für die Demontage und Neumontage der Fließen über das 4-fache des Warenwertes ausmachten.
Dazu heißt es dann auch in der Erläuterung des EuGHs:

In der vorliegenden Rechtssache sei die begehrte Nacherfüllung durch Lieferung vertragsgemäßer Fliesen ein solcher Fall der absoluten Unverhältnismäßigkeit, da Gebr. W. dadurch neben den Kosten für die Lieferung in Höhe von rund 1 200 Euro Kosten für den Ausbau der vertragswidrigen Fliesen in Höhe von rund 2 100 Euro und damit insgesamt Kosten von rund 3 300 Euro entstünden, was über der Schwelle von 150 % des Wertes des mangelfreien Verbrauchsguts liege, anhand deren die Verhältnismäßigkeit eines solchen Begehrens im Voraus beurteilt werde.

Also selbst beim Ausbau der Fließen (also ohne Wiedereinbau) wurde dieser „Schwellenwert“ von 150% überschritten.
Da eine Nachbesserung der Fließen, wie durch einen Gutachter festgestellt nicht möglich war, blieb nur der Austausch.

Das EuGH entschied dementsprechend:

1. Art. 3 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter ist dahin auszulegen, dass, wenn der vertragsgemäße Zustand eines vertragswidrigen Verbrauchsguts, das vor Auftreten des Mangels vom Verbraucher gutgläubig gemäß seiner Art und seinem Verwendungszweck eingebaut wurde, durch Ersatzlieferung hergestellt wird, der Verkäufer verpflichtet ist, entweder selbst den Ausbau dieses Verbrauchsguts aus der Sache, in die es eingebaut wurde, vorzunehmen und das als Ersatz gelieferte Verbrauchsgut in diese Sache einzubauen, oder die Kosten zu tragen, die für diesen Ausbau und den Einbau des als Ersatz gelieferten Verbrauchsguts notwendig sind. Diese Verpflichtung des Verkäufers besteht unabhängig davon, ob er sich im Kaufvertrag verpflichtet hatte, das ursprünglich gekaufte Verbrauchsgut einzubauen.

Also Eindeutig!
Wenn man die Ware gemäß des Verwendungszweckes gutgläubig verwendet, wie in diesem Fall Fließen verlegen lässt, dann muss der Verkäufer alle Kosten tragen.
Anzumerken sei, das der Käufer den Mangel nach 2/3 der Verlegearbeit bemerkt hatte und dann den Mangel umgehend anzeigte (nicht etwa zu ende verlegen ließ).

Im 2. Fall ist das ganze ähnlich zu sehen. Eine Einbauspülmaschine ist schon vom Namen her für den Einbau in ein dafür vorgesehenes Möbelstück gedacht und eben dies ist auch erfolgt. Die Käuferin konnte nicht davon ausgehen, das die Maschine Mangelhaft ist.
Dazu heißt es zu dem Vorverfahren in der Sache:

25 Nachdem Frau P. die Spülmaschine bei sich in der Wohnung hatte montieren lassen, stellte sich heraus, dass die Maschine einen nicht beseitigbaren Mangel aufwies, der nicht durch die Montage entstanden sein konnte.
[..]
29 Das Amtsgericht Schorndorf stellt hierzu fest, dass der Verkäufer nach deutschem Recht auch dann nicht verschuldensunabhängig den Ausbau der mangelhaften Sache oder den Einbau der neuen Sache bzw. die entsprechenden Kosten zu übernehmen habe, wenn der Verbraucher die mangelhafte Sache vor dem Auftreten des Mangels bereits ihrer Bestimmung gemäß eingebaut habe. Eine solche Verpflichtung könnte sich aber aus der Richtlinie ergeben, da diese die Erreichung eines hohen Verbraucherschutzniveaus anstrebe und in Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 3 vorsehe, dass die Ersatzlieferung ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher zu erfolgen habe.

Hier hatte also schon das AG Schorndorf zu Gunsten der Verbraucherin geurteilt.
Das der Händler damit nicht einverstanden war, hat das Ganze dann bis zum EuGH gebracht, wo die beiden Fälle gemeinsam entschieden wurden.

Es ist erfreulich, dass das EuGH mutiger ist, als die nationalen Gerichte.

Auch im Bereich Datenschutz hat der Europäische Gerichtshof schon manche nationale Feigheit gerade gerückt, nicht nur in Deutschland.

Was es auch Zeigt ist, das man nicht klein bei geben sollte, wenn man im Recht ist.

Hinweis:

Alle Zitate stammen von der Webseite des „Gerichtshof der Europäischen Union„. Es handelt sich um Zitate aus dem Urteil der Rechtssachen „Az: C-65/09 und 87/09“!

Links:

– Heise-Online: EuGH stärkt Verbraucherrechte bei Gewährleistungsansprüchen
– Gerichtshof der Europäischen Union: Urteil der Rechtssachen „Az: C-65/09 und 87/09“
– Gehirnsturm: „GermanOffice Insolvenz – Gewährleistung vs. Garantie – Und die Frage, wann man besser auf sein Recht verzichtet“

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