Vor 2 Wochen wurde in Mecklenburg-Vorpommern gewählt, Morgen wird in Berlin gewählt.
Zuerst aber mal zu der vergangenen Wahl. Ich könnte nun sehr viel dazu schreiben. Über die Wahlbeteiligung, über der gerechten Abstieg der FDP, über das „braune Gesocks“ (O-Ton Volker Pispers) usw.
Aber ich lasse hier einen Mann zu Wort kommen, den ich dankenswerterweise früher schon bei ein paar Auftritten technisch betreuen durfte. Und unter uns, hinter der Bühne ist er nicht Ruhiger, als auf der Bühne und wer auf einen Abend zu Ihm geht, der nehme sich nichts weiter vor, weil es ein langer Abend wird. Unter 3 1/2 Stunden war kein Abend, den ich mit ihm erlebt habe zu ende. Gemeint ist der von mir sehr verehrte Volker Pispers. Er hat in seiner letzten Sendung „Volker Pispers und Gäste“ sich ausführlich über die Wahlen in Bremen und Mecklenburg-Vorpommern ausgelassen. Ich habe mir die Mühe gemacht den gesprochenen Text mal nieder zu schreiben:
Meine Damen und Herren,
stellen Sie sich vor es ist Wahl und keiner geht hin.
Was wäre dann? Ja, nix – alles wie immer.
Sehen Sie, die Wahlbeteiligung bei den Wahlen in Mecklenburg-Vorpommern und Bremen ist wiedereinmal dramatisch gesunken.
Und das obwohl in Bremen diesmal sogar die 16 und 17jährigen mitwählen mussten. Es ist schon ein Phänomen, überall auf der Welt kämpfen die Menschen verzweifelt dafür, in freien Wahlen über Ihr eigenes Schicksal entscheiden zu dürfen. Und da wo man wählen gehen darf sagen die Meisten inzwischen: „och nee“. Das liegt natürlich nicht zuletzt daran, das es ein Unterschied ist, ob man zur Wahl gehen darf oder ob man eine Wahl hat.
Die Bremer zum Beispiel, die haben einfach aufgegeben. Da regiert seit 65 Jahren die SPD. Daran ist offenbar nichts zu ändern. Da erblassen selbst erprobte Dauerregenten, wie Gaddafi und die CSU.
65 Jahre und diesmal kann sich die SPD sogar aussuchen mit wem Sie eine Koalition macht. Die haben sowohl mit der CDU, als auch mit den Grünen, als auch mit der Linkspartei, hätten die jeweils eine eigene Mehrheit in Bremen. Und außer mit der Linkspartei hat die SPD in Bremen, in den 65 Jahren auch schon mal mit allen eine Koalition gemacht. Die Bremer hatten schon mal ’ne große Koalition, die hatten schon Rot-Grün, die hatten sogar schon mal ’ne Ampel. Das haben die Bremer alles hinter sich. Und die haben gelernt, es ist egal mit wem die SPD regiert. Es ändert sich sowieso nichts. Ja, daraus haben die Konsequenzen gezogen, oder. Es ändert sich nix. Und die SPD hat gelernt, wie Angela Merkel, wenn man dauerhaft an der Regierung bleiben will, darf man bei der Wahl des Koalitionspartners nicht zu wählerisch sein. Gegessen wird, was auf den Tisch kommt. Das war schon immer ein gutes Überlebensmotto. Und um mehr geht es ja in der Politik inzwischen gar nicht mehr. Unsere Parteien kämpfen nur noch um das eigene Überleben. Mit wem man da koaliert? Ich bitte Sie, Koalitionen sind vom Wähler gestiftete Zwangsehen. Da ist der politische Ehrenmord vorprogrammiert.
Und die Wähler, die haben inzwischen begriffen, ja mein Gott, wenn wir nicht mehr mitbestimmen können wohin der Zug fährt, ist doch auch völlig egal, wer im Führerhaus rumturnt.Auch der Ausgang der Wahl in Mecklenburg-Vorpommern, stieß auf nicht so viel Interesse, wie die letzte Scharmbeinentzündung von Arjen Robben. In Meck-Pomm verwaltet eine große Koalition mehr recht als schlecht das elend. Und da kann man ja fast wieder Stolz sein, wenn dann immer noch 51% der Bevölkerung in so einem armen Land bereit sind Ihre kostbaren Schuhsohlen abzunutzen, um zu einer Wahl zu latschen, deren Ausgang ungefähr so spannend ist, wie die Frage „Was passiert, wenn ich ein rohes Ei vor ’ne Betonwand werfe“.
Gut das die FDP diesmal sogar unter 3% gelandet ist war eine angenehme Überraschung, sagen wir’s mal so. Aber solange diese liberale Rasselbande das Totenglöckchen als Weckruf interpretiert. Ich mach mir da keine großen Hoffnungen. Die FDP ist schon so oft von den Toten auferstanden – Unkraut vergeht nicht. Und in Mangel, in Ermangelung eines echten wichtigen Themas, haben sich die Korrespondenten alle auf den Wiedereinzug der NPD in den Schweriner Landtag gestürzt.
Ja, jetzt mal ganz unter uns. Wenn dass das einzig echte Problem ist, wo dringender Handlungsbedarf besteht, kann man diesem Bundesland nur gratulieren. Natürlich will keiner die NPD haben. Natürlich würde man die gerne morgen verbieten. Aber entschuldigen sie bitte mal, Märtyrer zu schaffen, das war noch nie ein Erfolgsrezept. Wenn man Blödheit, Stumpfsinn und Rassismus verbieten könnte, wär‘ ich der Erste der dabei wär‘. Aber Sie können so was nicht verbieten, Sie können nur dagegen ankämpfen. Und da gibt es durchaus hoffnungsvolle Signale, gerade aus Meck-Pomm. Schauen Sie mal, die NPD hat diesmal in Mecklenburg-Vorpommern einen sehr aufwendigen und kostspieligen Wahlkampf geführt. Die hat aggressiv Wahlkampf gemacht in der Hoffnung viele Stimmen dazu zu gewinnen. Eine geringe Wahlbeteiligung favorisiert immer die kleinen Parteien. Und trotz dieser günstigen Ausgangslage hat die NPD 10% Ihrer Wähler verloren.
Da kann man doch auch mal Stolz sein.
Ich bitte Sie, die Menschen sind völlig verunsichert. Die Menschen sind verunsichert durch Wirtschaft, Schulden und Eurokrise. Ein Großteil lebt im Niedriglohnsektor mit Aussicht auf Altersarmut. Und alle spüren inzwischen die Ratlosigkeit der etablierten Parteien. Wenn dann die Meisten dann doch nicht zu den braunen Rattenfängern überlaufen ist das doch ein Ausdruck für die Stabilität unserer Demokratie.
Wir werden damit leben müssen, das es ein paar Prozent Unverbesserliche in diesem Land gibt. Um dieses unappetitliche braune Gesocks dauerhaft unter 5% zu drücken sehe ich nur einen Weg. Aber wer von uns traut sich zu Westerwelle, Rösler und Brüderle zu überreden in die NPD einzutreten, meine Damen und Herren.
(Quelle: Volker Pispers und Gäste 2011 vom 11.09.2011)
Halten wir mal einige Sätze aus dem Beitrag fest:
- … überall auf der Welt kämpfen die Menschen verzweifelt dafür, in freien Wahlen über Ihr eigenes Schicksal entscheiden zu dürfen … Das liegt natürlich nicht zuletzt daran, das es ein Unterschied ist, ob man zur Wahl gehen darf oder ob man eine Wahl hat.
- Aber solange diese liberale Rasselbande das Totenglöckchen als Weckruf interpretiert.
- in Ermangelung eines echten wichtigen Themas, haben sich die Korrespondenten alle auf den Wiedereinzug der NPD in den Schweriner Landtag gestürzt. Wenn dass das einzig echte Problem ist, wo dringender Handlungsbedarf besteht, kann man diesem Bundesland nur gratulieren.
- Und alle spüren inzwischen die Ratlosigkeit der etablierten Parteien.
Nun, so kommen wir nahtlos von den gewesenen Wahlen zu der Wahl morgen in Berlin.
Auch hier dürfte es kaum Überraschungen geben. Die Grüne Künast ist wohl nach dem Hype mit baden-Württemberg wieder auf dem Boden der Berliner Tatsachen zurückgekehrt und schleimt sich schon mal als Koalitionspartner von SPD und Wowereit ein. Die grünen mal wieder als Sprungbrett für die Misspolitik der SPD. Einzig die Piraten werden es wohl endlich einmal schaffen in eine Landesregierung einzuziehen. Ob das aber ein Gewinn für das Parlament ist, oder ob sich dort nur ein paar Hansel Gelder für Ihre Sitze einheimsen wird sich dann zeigen.
Wie war nochmal der erste von mir hier zitierte Satz von Volker Pispers:
Stellen Sie sich vor es ist Wahl und keiner geht hin
Das hört sich schon fast wie Resignation an. Aber ich denke der Weg ist falsch. Ich denke, das es eher so sein müsste:
Stellen Sie sich vor es ist Wahl und alle gehen hin
Das ist es wovor die Parteien im allgemeinen und die Politiker im besonderen eigentlich Angst haben.
Deswegen werde ich auch nicht Müde, den Wahlaufruf des von mir ebenfalls sehr verehrten Wilfried Schmickler einzustellen:
Der Titel „Die Feigheit vor dem eigenen Volk“ sagt einiges. Und auch wenn der Aufruf für die letzte Bundestagswahl war, ist es ein Aufruf der für jede Wahl gilt.
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