Ich habe jetzt schon einige male aus zum Teil Jahrzehnte alten Vorgängen in meiner Losen Serie „Cassics“ berichtet. So über die eigenwillige Schuldenverschiebung durch die Ratsfraktion der Grünen (und noch andere kleine Geschichten) oder der Wandelfähigkeit der Stadt Düsseldorf, ob jemand bei Ihnen Erfasst ist oder nicht.
In meinen alten Unterlagen fand ich nun ein Vorgang aus dem Jahr 1985, genauer gesagt von 1.8.1985 bis zum 2.8.1985, der mich bei der Durchsicht wieder zu einem Lachanfall und Kopfschütteln bewogen hat.
Oben sieht man die Titel der Zeitungsausschnitte zu diesem „Vorfall“.
Es scheint so, dass das Schicksal gnädig mit mir ist, wenn es um solch absurden Geschichten geht. Ich war eigentlich mit ein paar Freunden in Urlaub, mit Bulldog (Traktor) und Bauwagen. Leider ist uns die Lichtmaschine verreckt und ich bin zurück nach Köln getrampt, weil für diesen alten Bulldog, mit dem wir gefahren waren Ersatzteile in Köln gelagert hatten, unter anderem die passende Lichtmaschine, um dann die Fahrt weiter fort setzen zu können. So bin ich also am 1.8. des Jahres 1985 in Köln angekommen. Da einer der Freunde mit denen ich unterwegs war in ein paar Tagen Geburtstag hatte, haben andere Freunde in Köln überlegt an diesem Tag mit mir zusammen zum Treffpunkt zurück zu fahren und Ihn mit einem Geburtstagskuchen zu überraschen. So blieb ich noch etwas in Köln. Und just als ich am späten Nachmittag/frühem Abend aus dem Hof des besetzten Hauses Katäuserwall 18 verlassen habe, kam mir ein smarter Mensch entgegen und hielt mir eine Polizeimarke unter die Nase. Nun, ich wusste nicht, was er von mir wollte, aber er Fragte mich dann, „ob ich was dabei hätte“. Auf meine Frage was er denn meinen würde, kam dann die Antwort „Haschisch oder andere Drogen“. Meine Antwort dass ich natürlich umgehend, wenn ich gewusst hätte dass die Kölner Polizei es so nötig habe, etwas eingesteckt hätte, aber leider derzeit nicht damit dienen könne schien nicht auf Verständnis zu treffen. Er bat mich dann mitzukommen. Als ich mich dann in die angezeigte Richtung umdrehte kamen jede Menge Polizeiwannen den Katäuserwall entlang.
Ich wurde dann zu einem der Bullys geführt und musste meine Taschen leeren. Anschließend sperrte man mich ohne weitere Begründungen hinten in den Bully ein. Auf die Frage, weshalb ich Arretiert werde kam keine Antwort. Somit wurde ich Nummer 1 der in einem Zeitungsbericht erwähnten 3 vorübergehenden Festnahmen!
Berichtigung!
Ich habe mir den Text der Zeitungsmeldungen nochmals durchgelesen und mit den 3 Festnahmen waren wohl nicht wir am Vortag gemeint, sondern die drei Personen, die wegen „Widerstand gegen Vollzugsbeamte“ am Folgetag festgenommen wurden.
Aber so allein hatte ich keine Langeweile, weil die Taschen und Dienstmützen der uniformierten Kollegen des Zivilbeamten, der mich ohne Begründung in selbigen Festhalten ließ lagen unter den Sitzen im hinteren Bullybereich (der zum Fahrerraum hin abgeschottet war). Ich konnte natürlich nicht widerstehen, auszuprobieren, wie mir solch ein höchststaatliches Symbol stehen würde. Als ich dann einen etwas vom Bully entfernten Polizisten in Uniform fragte, ob er mir nicht einen Spiegel besorgen könne, suchte er hektisch nach jemanden mit den Schlüssel (man hatte doch tatsächlich die seitliche Schiebetür abgeschlossen!) und mir wurde dann recht unsanft dieses Machtsymbol vom Kopf gerissen und alle Taschen und restlichen Kleidungsstücke in den Fahrerraum verfrachtet.
Aber ich blieb dann nicht lange allein. Es wurden dann noch 2 weitere Menschen in den Bully gesperrt. Meine Frage, warum ich nun hier festgehalten werde wurde mir immer noch nicht beantwortet. Inzwischen hatte sich diese Aktion durch die Polizei im „Veedel“ herum gesprochen und es herrschte Jahrmarktstimmung auf der Straße. Nett war noch, dass eine Freundin von mir um den Bully herumsprang und unter der Verwunderung der inzwischen dort stehenden Polizisten mir mehrfach mitteilte, dass -wenn jemand Fragt- wir verlobt seien (Verlobte haben, oder hatten zumindest damals ein Auskunftsrecht, ähnlich wie Ehepartner). Nach gut einer Stunde wurde ich (und die beiden Anderen) raus gelassen und mir mein Eigentum zurück gegeben. Nun meinte man mir auf meine Frage, warum ich nun eingesperrt worden bin als Begründung „Widerstand gegen Polizeianweisungen“ oder so ähnlich zu nennen. Upps, ich frage mich noch heute welcher Teil der kurzen Szene mit dem Zivilbeamten ein „Widerstand“ war? Das ich nichts zum Kiffen für diesen Beamten dabei hatte?
Gut, im Hof des „Kartäuserwall 18“ war schon alles erledigt. Aus dem offenen Fahrradraum in dem die Fahrräder der Bewohner standen wurden gerade alle Fahrräder und ein Mofa in einen kleinen Transporter gesteckt und weggefahren. Die anderen Polizisten waren alle in der Halle der „Fahrradselbsthilfe“, eine Initiative, die eine Gruppe der Besetzer für die Bürger eingerichtet hatten. Die anderen Türen der Halle waren mit Seilen und sonstigen Material aus der Halle gegen öffnen gesichert worden und nur eine Schiebetür war noch als Ein- und Ausgang zu benutzen.
Die Rechtsanwältin, die inzwischen alarmiert worden war, bekam zur Antwort, dass man ein Fahrrad, das von der Fahrradselbsthilfe verkauft worden war, als „Diebesgut“ identifiziert habe. Es kam prompt das Angebot der Besetzer und der Gruppe der Fahrradselbsthilfe, dass man mit der Polizei zusammen alle Fahrräder durch gehe und das man auch bereit wäre der Justiz den Verkäufer des Rads zu nennen. Bedingung sei aber, dass man umgehend den unhaltbaren Zustand der Besetzung der Werkstatt und der Weigerung unabhängige Beobachter in die Werkstatt zu lassen beende.
Dies wurde von der Polizei abgelehnt.
In zwischen wurde im Auftrag der Polizei durch die Feuerwehr ein Stromgenerator in einem Nebenraum, einer Garage installiert. Leider hatte man dabei wohl übersehen, das die Abgase des Generators zu Hustenreiz und Atemluftmangel führen kann, weswegen später die Abgase des Generators noch nachträglich nach Außen geführt wurden.
Die ganze Nacht war aus der Werkstatt ein Hämmern zu hören und am nächsten Morgen wurde dann endlich die geforderten neutralen Beobachter in die Werkstatt gelassen. Darunter ein „Ratsmitglied“ (und auch Rechtsanwalt) und ein Mitglied vom „Polizeibeirat“. Da war aber schon ein Zentrierständer (zum Zentrieren und Einspeichen von Laufrädern), der aus Gusseisen bestand zerstört und eine Werkbank mit einer Holzplatte mit etlichen Nägeln versehen worden (das war wohl das Hämmern, das die Nacht durch zu hören war).
Dann ging alles recht schnell. Gegen Mittag, also knapp 4 Stunden, nachdem die Polizei dann tatsächlich mit der Kontrolle der Fahrräder begonnen hat, war der Spuk dann vorbei.
Nun, jetzt mal eine Bilanz des Einsatzes.
Es waren über Nacht ca. 30-40 Polizisten in der Halle gewesen. Zudem waren mehrere Feuerwehrleute „zur Amtshilfe gezwungen worden“ (O-Ton aus den Reihen der Feuerwehr). Zu Beginn der Aktion waren ungefähr 60-80 Polizisten beteiligt gewesen. Es war schwer die wirkliche Gesamtzahl zu bestimmen, da zum einen etliche in der Werkstatt waren, draußen auf der Straße etliche herum standen und auch ein Teil der Privaträume von Bewohnern rechtswidrig durchschnüffelt wurden.
Das Ergebnis war:
Wie man aus den Zeitungsartikeln erkennen kann sind um die 500 Fahrräder kontrolliert worden. Das ist so nicht korrekt, da die meisten kontrollierten Fahrräder „nur“ Fahrradrahmen waren. Ganze Fahrräder gab es vielleicht um die 30 bis 40 in dem Fahradselbsthilfe-Bereich. Von diesen rund 500 „Fahrrädern“ hat man bei der Razzia selbst ganze 4 Räder/Rahmen gefunden, die erst mal als „eventuelles“ Diebesgut beschlagnahmt wurden.
Anzumerken ist dabei, das keins der Fahrräder aus dem Fahrradraum der Bewohner zu den Beschlagnahmten gehörte. Diese wurden alle zurück gegeben.
Unter den 4 vermeintlich gestohlenen Fahrrädern war auch das Rad mitgezählt, das den angeblichen Auslöser dieser Aktion gegeben hat, Das an einen Dritten mit ordentlichem Kaufvertrag verkauften Rades. Somit waren es bei der Razzia noch 3 Räder/Rahmen, die man als vermeintlich gestohlen beschlagnahmt hat. Von diesen 3 Rädern war eines ein „rotes Hollandrad“ ohne einer Rahmennummer (was leider damals noch bei einigen Rädern üblich war auf eine Rahmennummer zu verzichten). Dieses wurde dann, als der vermeintlich Bestohlene dies nicht als „seines“ identifiziert hatte auch wieder zurück gegeben. Es blieben also „nur“ noch das eine verkaufte Rad und 2 Fahrradrahmen, die angeblich wirklich Diebesgut waren.
Dazu muss man wissen, dass in der Kölner Gegend einige Menschen „auf Sperrmüll“ gingen. Das hieß, sie fuhren die Straßen ab, in denen Sperrmülltermin war (Damals wurde in der Gegend noch alle 4 Wochen/einmal im Monat Sperrmüll abgeholt und nicht auf Beantragung). Die Fahrradselbsthilfe hatte mit ein paar dieser „Sperrmüllfahrern“ die Vereinbarung, dass sie Fahrräder und Fahrradfragmente, die im Sperrmüll gefunden wurden Aufgekauft werden. So hat die Fahrradselbsthilfe für einen Rahmen/Fahrrad zwischen 5 und 10 Mark gezahlt. Dies war der Grundstock, dass die Fahrradselbsthilfe zu dieser Menge an Rahmen gekommen ist. Deswegen ist es wohl nicht weiter Verwunderlich, dass die Rahmen, die als „gestohlen“ gemeldet waren aus einer schon Jahre alten Liste stammten und beide keine hochpreisige Rahmen waren.
Alle Räder, die nicht über diese Quelle kamen, wurden nur gegen die Vorlage eines Ausweises angekauft. So auch in dem Fall des gestohlenen Rades, das den Polizeieinsatz angeblich notwendig machte. Nachdem die Polizei dann die Halle verlassen hatte, konnte die Gruppe, die die Werkstatt betreute Ihrer Rechtsanwältin den Ankaufbeleg mit Namen und Ausweisnummer desjenigen übergeben, der ihnen dieses Fahrrad verkauft hatte.
Dieser Ankaufbeleg befand sich nämlich in einem ordnungsgemäß beschrifteten Ordner (Ankauf), der die ganze Zeit offen in dem von der Polizei besetzten Werkstattbereich gestanden hatte. Es ist natürlich klar, das die Anwältin diesen Beleg der Staatsanwaltschaft in dem Namen der Gruppe übergeben hat.
Es waren also letztendlich noch 2 Fahrradrahmen, die als „Diebesgut“ bezeichnet werden konnten.
Wegen diesen nun 2 Fahrradrahmen wurden nun 6 Personen des „Fahrraddiebstahles“ bezichtigt. Das heißt für jeden Fahrradrahmen (oder Fahrrad, wenn man davon ausgeht, das diese zum Zeitpunkt des vermeintlichen Diebstahls noch vollständig waren) 3 Personen!
Weiter wurden 3 Personen wegen „Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte“ angezeigt. Bei Zweien kam dann noch „öffentliche Aufforderung zu Straftaten“ und beim dritten „Bedrohung“ dazu.
Das Ende vom Lied war, dass auch nach der Razzia die Kölner Polizei sich weigerte das Angebot des Datenabgleichs von neu eingegangenen Fahrrädern/Rädern anzunehmen. Diejenigen, die Angezeigt worden sind, haben nach meinem Kenntnisstand, nachdem sie nicht zu der Vorladung zur Polizei gefolgt sind (als Beschuldigte Ihr gutes Recht) nichts mehr von der Polizei oder der Staatsanwaltschaft gehört, ebenso wie Beschwerden und Forderungen durch die angeblichen „schlimmen Finger“ so lange in angeblichen Zuständigkeiten hin und her geschoben wurden, bis sich das ganze in Wohlgefallen aufgelöst hatte.
Gekostet hat dies dem Steuerzahler jede Menge Geld für den Einsatz und der Gruppe „Fahrradselbsthilfe“ einen guten vierstelligen Betrag, um Ersatz für die Beschädigungen zu schaffen.
Das schafft natürlich Vertrauen in unsere Staatsmacht. Vor allem, da schon vor diesem Vorfall Angebote von Seiten der Fahrradselbsthilfe gab gegen Fahrraddiebstähle zusammen zu arbeiten. Dies war ganz offensichtlich nicht der politische Wunsch gewesen. Da versuchte man lieber mit einer Medienwirksamen Großaktion eine Gruppe von Menschen zu kriminalisieren. Als der Erfolg ausgeblieben ist, hat man ganz schnell das Mäntelchen des Schweigens und Verschleiern darüber gelegt.
Warum fällt mir gerade da der Versuch der Kriminalisierung der S21-Gegener ein oder diesen Medienrummel um den vermeintlichen Täter in Emden?
Kurz-Info zum Katäuserwall 18:
Entstanden war die Besetzung nach der Räumung aus dem Stollwerk-Geländes. Die damaligen Wohnraumbesetzer (es gab noch kulturelle Brreiche) haben dann nach der Räumung in einer Nacht und Nebel-Aktion das ehemalige Gewerbegelände des Gastro-Unternehmers Blankenheim besetzt.
Der Katäuserwall 18 ist inzwischen ein mit Mietverträgen ausgestatteter Wohn- und Arbeitsbereich in dem sich individuelle Wohnprojekte und Gewerbeprojekte etabliert haben. Auch war der erste Standort der Kölner Initiative „Schulz“ („Schwulen und Lesbenzentrum“).
Inzwischen hat sich die breite gefächerte Wohn-, Gewerbe- und Kunstkultur auf dem Gelände weiter entwickelt.
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