Ich bin kein Frosch im Brunnen
Der nur ein Stück vom Himmel sieht
Und dann denkt, er hätte die Welt gesehn („Eck“ [Bruno Eckhardt])
Zur Zeit stehen einige juristische Rechte, Gerechtigkeit, Menschenrechte und Freiheitsrechte nicht nur in Deutschland auf dem Prüfstand.
So ist auch durch den Fall Gustl Mollath der sozusagen Rechtsfreie Raum der Zwangspsychiatrie in den Focus der Öffentlichkeit gelangt. Über den NSA-Skandal wurde deutlich, das der BND in eigenen Lande die Persönlichkeitsrechte scheinbar seit Jahrzehnten mit Füßen tritt. Kinder werden entrechtet und zum Spielball Erwachsener und Interessengruppen (z.B. Beschneidung, Missbrauch usw.).
Und immer wieder wird behauptet, das dies ja alles nur zur Sicherung unserer Freiheit ist.
Ein schönes Beispiel der Argumentation war eben der Fall Gustl Mollath. Die verschiedensten Journalisten, Politiker, Psychiater und Kommentatoren haben gerne geäußert, das Herr Mollath ja selbst schuld ist das er so lange in der Klapse war. Er hätte sich doch nur einfach nicht der Behandlung und Begutachtung widersetzen sollen (ganz einfach und plakativ verkürzt). Also, er solle doch gefälligst auf seine Freiheits- und Entscheidungsrechte verzichten, dann wäre es auch nicht so weit gekommen (auch eine starke und verkürzte Interpretation von mir).
Nun also zu dem Tondokument, das ich hier weiter unten einstelle.
Dabei handelt es sich um eine Aufnahme des NDRs. Diese ist im Jahr 1985 gemacht worden, als der Sender für eine Repotage über Straßenmusiker auch bei dem über Köln Grenzen hinaus bekannten Straßenmusiker „Klaus der Geiger“ waren. Wie es der Zufall will, kommt es genau an diesem Tag mit dem Ordnungsamt zu einer Auseinandersetzung, ob er nun weiter die Freiheit habe, seine Lieder auf der Straße vorzutragen. Dies endete darin, das die Polizei ihn in Gewahrsam nahm, also festgenommen hatte. Das Ganze unter der Aufnahme des NDRs (Radio). Anschließend hat der Sender noch O-Töne von Passanten mitgeschnitten. Eine Frau war am Heulen ob dieser sinnlosen Gewalt durch die Staatsmacht. In deren reaktion mischte sich ein Mann ein, der zum Thema „Freiheit“ folgendes zu sagen hatte:
(Orginal und in voller Läge auf „Rumpelstilz? – Klaus der Geiger – Liveaufnahmen aus 20 Jahren Straßenmusik“ [dort ist die „Straßenverhaftung, aus der dieser Abschnitt stammt auch komplett als MP3 zu finden – etwas über 10 Minuten])
Da es evtl. etwas schwer zu verstehen ist, die wichtigsten Aussagen in Chronologischer Reihenfolge hier noch mal:
- Soll er nach Russland gehen und so spielen. Da hätte er was gesehen.
- Hier kann man alles machen. Hier ist die große Freiheit und die Leute nützen das aus.
- Die Musik liebe ich, aber was er dazu singt das liebe ich nicht. Weil das wird ausgenützt das wir hier die Freiheit haben.¹
- … aber man dürfte das nicht ausnützen …
¹ Klaus singt vor allem politische und sozialkritische Lieder.
Ich finde diese 40 Sekunden symptomatisch für unsere Gesellschaft.
Ich will diese 40 Sekunden nun auch für sich stehen lassen. Die gesamten guten 10 Minuten um die Verhaftung herum kann man sich in dem obigen Link anhören.
Manche Artikel beginne ich mit einem Spruch. So habe ich in einem Artikel zum Thema Gustl Mollath einen Spruch von Rosa Luxemburg vorangestellt:
„Wer sich nicht bewegt, spürt seine Fesseln nicht!“
Mit mehr Worten und viel Bilderreicher hat dies vor vielen Jahren ein Freund von mir gesungen: Eck (Bruno Eckhardt). Leider ist er nicht mehr unter uns. Da ich die einzige Version, die ich im Netz als Tondukoment gefunden habe nicht gefällt und die Version von Klaus (der Geiger) durch die Gema geschützt ist, hie „nur“ den Liedtext. Wobei ich da besonders die Parallele zu dem obigen „Freiheit-Nichtausnützer“ und dem Refrain hinweisen will:
Ich bin kein Frosch im Brunnen
Sag mir doch, was Freiheit ist, Ist sie hässlich oder schön
Kann man sie fühlen oder riechen,
Oder kann man sie auch sehen
Fährt die Freiheit im Mercedes, Oder fährt sie Cadillac
Trägt sie ́’nen Zylinder, Weisses Hemd und schwarzen FrackRefrain:
Ich bin kein Frosch im Brunnen
Der nur ein Stück vom Himmel sieht
Und dann denkt, er hätte die Welt gesehn
Das schlägt mir auf’s GemütVielleicht kann man die Freiheit auch saufen
So wie Schnaps und Bier und Wein
Ich hab das alles ausprobiert
Nee, das kanns auch nicht seinDann komm ́ich aus meiner Kneipe
und kann kaum noch gerade steh’n
Da ist die einz’ge Freiheit, die ich hab‘
Alles besoffen zu versteh’nRefrain:
Ich bin kein Frosch im Brunnen
Der nur ein Stück vom Himmel sieht
Und dann denkt, er hätte die Welt gesehn
Das schlägt mir auf’s GemütVon der Unternehmerfreiheit
Tun manchem schon die Knochen weh
Mit Schwielen an den Händen, Und ein Loch im Portemonnaie
Und drum scheiss ich auf die Freiheit, der Unternehmer-BRD
Steckt euch die Freiheit in den Arsch,
Damit ich sie bloss nicht seh‘Chancengleichheit, Mitbestimmung,
was kann das denn schon sein
Vielleicht, dass ich den Nagel halte
Und mein Chef, der haut ihn reinHört ihn brüllen, hört ihn schreien, wie gut es uns doch geht
Dem Unternehmer glaub‘ ich gern, er lebt ja vom ProletRefrain:
Ich bin kein Frosch im Brunnen
Der nur ein Stück vom Himmel sieht
Und dann denkt, er hätte die Welt gesehn
Das schlägt mir auf’s GemütHat mein Boss sich satt gefressen,
Schmeisst er mir ’nen Knochen hin
Ein Trinkgeld ist der Stundenlohn
Im Vergleich zu dem GewinnUnd nicht Freiheit, sondern Ketten, schenkt uns das Kapital
Unsere Freiheit, die heisst Klassenkampf, das ist die einz’ge WahlRefrain:
Ich bin kein Frosch im Brunnen
Der nur ein Stück vom Himmel sieht
Und dann denkt, er hätte die Welt gesehn
Das schlägt mir auf’s Gemüt
Anmerkung:
In dieser Zeit, als die Aufnahme von der Verhaftung entstanden ist, gab es wegen der Straßenmusik auch eine Verhandlung vor dem Amtsgericht Köln gegen „Klaus der Geiger“. Das war von daher interessant, das sein Anwalt jede Menge Zeugen zur Verhandlung vorladen wollte, die alle eigentlich nur eines Bestätigen sollten. Das die Innenstadt-Architektur wie sie heute typisch ist, eine Planung aus der Nazizeit war die dafür sorgen sollte, dass der Personenfluss geregelt und vor allem leicht Überwachbar sein solle. Das Gericht hatte dann diese Klage doch lieber schnell eingestellt, bevor diese ganzen alten Städteplaner der Nazizeit eben dies Bestätigen müssten. Und vor allem, wenn dann noch deutlich geworden wäre, in welcher Funktion eben diese Nazi-Innenstadt-Architekten nach dem Krieg waren.
Dies war wohl auch dem Umstand geschuldet, das der erste Termin wegen zu großem Öffentlichkeitsinteresse (kurz zu viele Zuschauer) geplatzt war und ein neuer Termin in einem größeren Gerichtsraum anberaumt worden war. Diese große Öffentlichkeit (inkl. Presse) war wohl nicht so der Geschmack der Staatsanwaltschaft, die der Einstellung dann doch erstaunlich schnell zugestimmt hatte.
(Dies ist jetzt aus meiner Erinnerung von damals so zusammengefasst worden)
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