Pirat fordet: „Mein Kampf“ als Schullektüre

Vor etwas über einer Woche war es vor allem die „Bild“, die sich mit merkwürdigen Schlagzeilen bemerkbar gemacht hat.

Der Hintergrund:
Für den Niedersächsischen Parteitag hatte ein Pirat einen Antrag zum Wahlprogramm gestellt.
Demnach soll dieser Pirat beantragt in das Wahlprogramm rein zu nehmen, dass das Buch „Mein Kampf“ in Niedersachsens Schulen zur Pflichtlektüre wird.
Der Antrag selbst liest sich so:

Antragstext:
Der Landesparteitag der Piratenpartei möge beschliessen, folgenden Text in das Wahlprogramm zur Landtagswahl in Niedersachsen aufzunehmen: Die Piratenpartei Niedersachsen spricht sich dafür aus, an allen niedersächsischen Schulen Adolf Hitlers Buch ‚Mein Kampf‘ als Pflichtlektüre im Geschichtsunterricht zu behandeln. Es sollte integraler Bestandteil des Lehrplans für das Fach Geschichte sein…

Antragsbegründung
Es ist mit der Idee einer freiheitlichen und demokratischen Gesellschaftsordnung völlig unvereinbar, daß bestimmte Bücher nicht gelesen werden können oder verboten sind. In diesem Fall hat es zwar damit zu tun, daß das Land Bayern die Urheberrechte für ‚Mein Kampf‘ besitzt, aber das wird sich am 1.1.2016 ändern. Und auch vorher ist es schon möglich, sich mit geliehenen Ausgaben zu behelfen. Die besten Argumente, die wir gegen Neonazis und ihre menschenverachtenden Ideen haben, sind nämlich die verqueren, unwissenschaftlichen, völlig irrationalen und absurden, rassistischen Ausführungen von Adolf Hitler in ‚Mein Kampf‘. Und genau darum sollte dieses Buch als Pflichtlektüre im Schulunterricht behandelt werden. Über die Lektüre von ‚Mein Kampf‘ könnte man jungen Menschen deutlich machen, was für eine intolerante und menschenverachtende Gesellschaft Neonazis anstreben und was für ein ungebildeter und irrationaler Ignorant Adolf Hitler war. So könnte man den Zulauf für rechtsextrem gesinnte Gruppierungen wirkungsvoll reduzieren. Und genau das sollte das Ziel einer verantwortungsbewußten und humanistisch geprägten Bildungspolitik sein. Nur durch Aufklärung kann man junge Menschen gegenüber Nazi-Propanganda resistent machen. Die Tabuisierung und Mythologisierung von Büchern wie ‚Mein Kampf‘ bewirkt allerdings genau das Gegenteil und ist somit entschieden abzulehnen…….

(Quelle: Piratenpartei – NDS:Landesparteitag/2012.3/Antragsportal/Programmantrag – 254)

Nun, das hört sich anders an, als bei der Bild:

Nazi-Skandal bei der Piratenpartei
Hannover – Ist es nur eine plumpe Provokation? Oder soll Niedersachsens Piratenpartei in die rechte Ecke gerückt werden? Der Hannoveraner Pirat Carsten Schulz will Hitlers Hetz-Buch „Mein Kampf“ zur Pflicht-Lektüre im Geschichtsunterricht erklären! Von seiner Partei verlangt er, diese Forderung ins Parteiprogramm aufzunehmen.

(Quelle: Bild – Nazi-Skandal bei der Piratenpartei)

Was „Blöd“ aber verschweigt ist, das dieses Schmierblatt selbst bereits im April des Jahres eine Meldung heraus brachte, in dem sie den „Kleingedrucktenleser“ Ihres bedruckten Klopapiers mitteilte, das ein bayrischer CSU-Landesregierung selbst das Buch „Mein Kampf“ als Schullektüre aufarbeiten will. Zu dem Thema meldete sich in dem kurzen Bericht auch der ZDF-Stalker Söder zu Wort.
Nun, es war ja die CSU und da setzt man die Meldung „nur“ in das Printmedium und entsprechend dezent rein:


(Quelle: Bildblog – „Mein Kampf“ ist nicht gleich „Mein Kampf“)

Während eigentlich die gleiche Meldung, aber bezogen auf die Piraten im Internet so aussieht:

(Quelle: Bild – Nazi-Skandal bei der Piratenpartei)

Man kann also sagen, schon ein kleiner Unterschied in der Darstellung von einer inhaltlichen gleichen Zielsetzung.

Hintergrund:
Zum Jahr 2016 wird der Urheberrechtsschutz des Werkes nach deutschem Urheberrecht verfallen. Dieses hatte sich das Land Bayern nach dem Krieg mit der Beschlagnahmung allen Eigentums von Adolf Hitler gesichert. Mit Ablauf der 70 Jahre nach dem Tod von Adolf Hitler wird das Werk somit „Gemeinfrei“ und das Land Bayern hat keine Handhabe mehr gegen die Veröffentlichung des Werkes. Schon heute können bereits vorhandene Bücher aus dem Dritten Reich ge- und verkauft werden. Solange diese nicht mit verbotenen Symbolen (wie das Hakenkreuz) geschmückt sind. Im Ausland kann man das Buch „Mein Kampf“ auch in deutsch meist problemlos bekommen (die Naziszene in der USA vertreibt das Buch in vielen Sprachen weltweit). Und als Wissenschaftliches Werk steht es in den Universitätsbibliotheken.
Es ist also nicht, wie vielfach fälschlicherweise gemeint wird „verboten“, sondern die bayrische Regierung nutzt das bei Ihr liegende Urheberrecht nicht für eine neuerliche Veröffentlichung des Buches. Mit dem Fall des Urheberrechtes gab es vielfältige Überlegungen, wie man dann mit dem Werk umgehen solle. Dabei ist auch ein Verbot dieses Buches in Deutschland eine der Überlegungen.

Im Blick auf diesen Termin ist eine Auseinandersetzung, wie man mit dem Werk umgehen soll schon sinnvoll, egal ob von der CSU oder von den Piraten oder sonst einer Partei. ebenso ehrlich muss die Diskussion der einzelnen Vorschläge dazu sein. Das da ein „Piratenmitglied“ diese Idee plagiatiert und somit den Unmut der Hirnlosenzeitung hervorruft ändert nichts an der Tatsache, dass durch das leugnen eines Problems und dem vermeiden mit der Auseinandersetzung nun ein Vakuum mit einem weniger als mittelmäßigen Werk entstanden ist. Die bayrische Regierung hat jahrzehntelang es versäumt die Hoheit über den Umgang mit dem Buch und der damit verbundenen bildungspolitischen Auseinandersetzung für eine humane Gesellschaft zu erlangen.
Schon lange hat sich die rechte Szene die Deutungshoheit des Buches gesichert. Eine freie und objektive, sowie geschichtsbezogene Auseinandersetzung mit diesem Buch wird sehr schwierig werden. Dies ist auch dem geschuldet, dass man nach dem 2. Weltkrieg in den Schulen das Dritte Reich wechselseitig totgeschwiegen hat oder thematisch so aufgebauscht, das die Jugendlichen genervt abgewunken haben.

Das Buch als Schullektüre in den Unterricht aufzunehmen halte ich für falsch. Wieso sollen sich Jugendliche dies nun plötzlich antun müssen? Aber als eine Quelle für einen gut aufbereiteten Geschichtsunterricht ist das Buch aus geschichtlichem Gesichtspunkt wichtig.

Ob der angesprochene Pirat, mit seiner angeblichen pers. Geschichte wirklich mit seinem Antrag eine „aufklärerische udn vorbeugende“ Absicht hatte ist eine ganz andere Frage. Diese hätte dann eher in dem Fokus stehen müssen und nicht der Umgang mit dem Buch an sich. Ich sehe seine politischen intensionen hinter diesem Antrag sehr kritisch und bezweifle persönlich, das die Behauptung in seinem Antrag:
„Die Tabuisierung und Mythologisierung von Büchern wie ‚Mein Kampf‘ bewirkt allerdings genau das Gegenteil und ist somit entschieden abzulehnen“
wirklich so gemeint ist!

Das die Frage nach dem Umgang des Buches „Mein Kampf“ durchaus wichtig ist und das man dies auch (zumindest etwas) nüchterner sehen kann, beweisen andere Artikel zu dem Thema vom April diesen Jahres:

„Mein Kampf“ soll Schulbuch in Bayern werden

Hitlers Propaganda-Pamphlet: „Mein Kampf“ soll Schulbuch in Bayern werden
Hitlers Propagandaschrift wird zum Schulbuch in Bayern. Bereits 2015 soll „Mein Kampf“ in den Buchläden stehen. Um einen Missbrauch der Hetzschrift zu verhindern, will CSU-Politiker Söder sie als kommentierte Ausgabe herausbringen.
Bayern will eine wissenschaftlich kommentierte Ausgabe von Hitlers „Mein Kampf“ herausgeben und damit einen Missbrauch und das kommerzielle Geschäft mit der Hetzschrift verhindern. Das Werk soll 2015 auf den Markt kommen. Dann laufen die Urheberrechte des Freistaats Bayern an der Propagandaschrift aus – und eine Veröffentlichung durch Dritte kann nicht mehr verhindert werden.

Söder will Hitlers Werk entmystifizieren

(Quelle: Focus online – „Mein Kampf“ soll Schulbuch in Bayern werden)

Schlussbemerkung:

Die Piraten täten gut daran, sich die „Deutungshoheit“ ihrer Forderungen nicht durch Dritte entziehen zu lassen.
Das beginnt mit einer Glaubwürdigen Außenerscheinung (damit meine ich nicht Anzug und Schlips) und nicht Vertreter, die sich der Öffentlichkeit gegenüber unverschämt benehmen (z.B. Lauer verlässt Podiumsdiskussion) und auf der anderen Seite sich zu beschweren (–> Lauer beklagt: Nehmt uns ernst). Dann sollte man die Plattforme, die sich nun gerade nach dem Wahlerfolg in Berlin vorhanden waren nutzen, um eben die „Deutungshoheit“ der eigenen Anliegen zu behalten.
Ich habe mir einige Sendungen angeschaut und auch angehört, wo die Moderation sichtbar bemüht war dem Piratenvertreter die Möglichkeit zu geben, sich zu äußern. Das führte in einem Fall sogar dazu, das einer Moderatorin vorgeworfen wurde, dass sie sich nicht vorbereitet habe. Als diese dann mit konkreten Äußerungen der Piraten als Brücke einwarf (also hatte sie sich doch vorbereitet!) kam von Seiten des Herrn Lauer (der Gesprächspartner der Moderatorin) wiedermal nichts.

Auch was derzeit im Bundesvorstand vor sich geht ist in meinen Augen eine Farce. Julia Schramm verkauft Ihr „ekelhaftes geistiges Eigentum“ für eine sehr hohe Summe an einen großen Verlag. Angeblich, um sich dann ganz der Bundesvorstandsarbeit widmen zu können. Im Vorfeld bevor die Umstände des Vertrages 8und der Veröffentlichung) zumindest teilweise bekannt wurden (nur von wegend er geforderten Transparenz von anderen) hatte Sie sich für nur jeden erdenklichen Bundesvorstandsposten beworben, um dann als eine der Beisitzer endlich in selbigen gewählt zu werden. Nun hatte sie alles. Den Posten, das Geld und die Zeit für die Piraten zu arbeiten. Nun, nachdem der Verkauf des Buches angelaufen ist, der „Vorschuss“ kassiert ist, verlässt sie den Bundesvorstand fristlos. Begründung: Sie müsse sich zu sehr anpassen!
Eine interessante Begründung für eine Funktionärin einer Partei, die die Basisdemokratie („Sachwarmintelligenz“) als neues Götzenbild anbetet.
Wer sich der Basisdemokratie als Entscheidungsgrundlage hingibt, muss als Funktionär seine eigene Meinung (außer als eine Stimme dieser Basis) komplett außen vor lassen. Also eben genau das machen, weswegen angeblich Frau Schramm nun fristlos von Ihrem Amt zurück getreten ist, nämlich sich der Basis beugen.
Hier ist die „Sachwarmintelligenz“ gescheitert. Zuerst bei der Wahl des Bundesvorstandes und dann bei der Führung derselben.

Links:

Dieser Beitrag wurde unter Internet, Kultur, Politik, Stuttgart Spezial abgelegt und mit , , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.