Die „Causa Wulff“ vs. „Causa Merkel“

„Langsam entwickelt sich die Causa Wulf zu einer Causa Merkel.“
„Was unternimmt sie bezüglich des Bundespräsidenten? Wie weit kann ihre Unterstützung noch gehen? Was wären die Alternativen?“
„Will uns die Kanzlerin einen Bundespräsidenten zumuten,“

Mal drei Zitate aus Presseberichten. Sie sind mal aus einem Artikel wahllos heraus genommen. Dabei ist es unerheblich, ob von einem Kommentator oder (meist Opposition-) Politiker. In dieser fatalen Haltung, die man inzwischen quer durch die gesamte Medienlandschaft hört, zeigt sich die „Causa Presse“ und die „Causa Politiker“.

Beide fordern Merkel auf zu reagieren.
Beide verachten und verkennen somit das Grundgesetz und die Idee der politischen Amtsverteilung!

Keine Frage, es ist ein Skandal für Merkel. Durch die farce um die Präsidentschaftswahl von Wulff wird Merkels fehlende Verfassungstreue sichtbar. Aber nicht nur Ihre, sondern die aller Politiker, die seit Jahrzehnten den Posten des Bundespräsidenten zu einer politischen Machtabstimmung machten. Manche der gewählten Bundespräsidenten sind dann über sich hinaus gewachsen. Manche sind (dankenswerterweise) nicht aufgefallen. ihre Aufgabe haben aber die wenigsten Erfüllt. Diese ist nur zu einem geringen Teil das Präsentieren, auch wenn dies der größte Anteil der Arbeit ist. Sie sollen für die Verfassung stehen und dafür haben sie sehr viel Macht an die Hand bekommen. Nein nicht politische Macht. Aber es ist der Bundespräsident, der mit der Verweigerung seiner Unterschrift verfassungsfeindliche Gesetze verhindern kann. Dazu steht Ihm ein ganzer Verwaltungsapparat zu Verfügung.

Hier stellt sich die simple Frage, ob ein Amtsinhaber, der diesen Eid geschworen hat:

Ich schwöre, daß ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde.

nach seinem Versuch Grundrechte zu beeinflussen (neben der Pressefreiheit sehe ich hier auch die Meinungsfreiheit verletzt), evtl. sogar zu verletzen, seinen Aufgaben überhaupt gerecht werden kann oder was noch viel wichtiger ist „kann“?
Hier geht es nicht um einen Politiker, der versucht Einfluss zu nehmen. Es ist ein Mensch, der am 2. Juli 2010 den oben genannten Eid geschworen hat. Es ist auch keine der Sünden, die er als früherer Politiker gemacht hat, sonder als er den Posten des Bundespräsidenten inne hatte.

Wobei sowieso die Frage ist, ob er den Posten lt. Grundgesetz überhaupt rechtmäßig hat.
Im Artikel 55 des GG heißt es:

Art 55
(1) Der Bundespräsident darf weder der Regierung noch einer gesetzgebenden Körperschaft des Bundes oder eines Landes angehören.
(2) Der Bundespräsident darf kein anderes besoldetes Amt, kein Gewerbe und keinen Beruf ausüben und weder der Leitung noch dem Aufsichtsrate eines auf Erwerb gerichteten Unternehmens angehören.

Der Satz 1 des Artikels sagt eindeutig aus, das der Bundespräsident keiner gesetzgebenden Körperschaft angehören darf. Nun ist er gewählt worden, als er Ministerpräsident von Niedersachsen war (schon allein dies ist eine Farce), somit einer Körperschaft angehörend (Dem Landtag von Niedersachsen), die eine gesetzgebende Funktion hat (Sie verabschiedet Ländergesetze und ratifiziert über den Bundesrat Gesetze mit). Erst nach der Wahl schied er aus seinem Amt aus. Somit waren die Bedingungen des Grundgesetzes zum Zeitpunkt der Wahl nicht gegeben, da der Gewählte dadurch, das der Posten vakant war diesen mit seiner Anname umgehend Einnahm.

Dies alles zeigt vor allem die Verkommenheit einer Politikkaste an, deren Slogan einer mit Sätzen, wie „notfalls muss eben das Grundgesetz entsprechend geändert werden“ oder „man kann nicht immer mit dem Grundgesetz unter dem Arm herumlaufen“ geprägt sind.

Von daher ist der Ruf nach der Bundeskanzlerin in dieser zeit durch Medien und Politiker eine Farce und ein Unverständnis gegenüber dem Amt. Gerade auch weil der Posten derzeit sozusagen abhängig von Merkels Zustimmung oder Ablehnung des Amtsinhabers Wulff gesetzt wird, zeigt, das beides derzeit nicht tragbar ist. Die Person Wulff in Ihrem Amt und die Politiker auf Bundesebene.

Wer nun aber immer jammert auf das Geld hinweist, das der Bundespräsident zeit seines Lebens bekommt, verkennt die Situation ebenso. Ein kleines Beispiel. Derzeit sind die Piraten in das Abgeordnetenhaus von Berlin gezogen. Die Abgeordneten bekommen eine „Aufwandsentschädigung“ (plus zusätzlicher Gelder und Sachvorteile) im Monat, über die sich die meisten gut ausgebildeten Fachleute freuen würden. „Aufwandsentschädigung“, nicht ein „Gehalt“. Ist jemand also freiberuflich tätig, kann er dies auch weiterhin machen oder hat er ein Gewerbe, so kann er dieses auch weiter ausüben. Das ist gut und richtig so. Der Sinn dieser, ja nach Aufgabe entsprechend recht hohen Gelder ist es eine Unabhängigkeit der Volksvertreter zu gewährleisten. Das dies jämmerlich gescheitert ist, zeigt eindeutig die deutsche Geschichte. Je nach Situation kann ein Abgeordneter in Berlin von einem Übergangsgeld über mehrere Monate bis hin zu einer „Diät“ von bis zu 65% der bisherigen Bezüge erhalten.
Man kann darüber entsetzt sein, aber wenn das System funktionieren würde, würde es die Unabhängigkeit der Entscheidungen gewährleisten. Aber die Gier der Menschen ist größer.
Der Bundespräsident soll nun das Grundgesetz „verteidigen“. Das schwört er bei seinem Amtseintritt. Dies kann er nur, wenn er wirklich unabhängig ist. Dafür ist eine Lebenslange sichere Versorgung eines Bundespräsidenten schon mal ein guter Grundstock. Würde man von diesem System abkommen, würde die Unabhängigkeit des Bundespräsidenten nicht funktionieren. Leider ist die Gier der heutigen Menschen so groß, das selbst eine solch komfortable Entlohnung, wie die des Bundespräsidenten scheinbar nicht befriedigt. Ich weiß nicht, ob manche der Politiker und Amtsinhaber in Schlüsselpositionen neidisch auf die Ackermänner und Kahns dieser Welt schauen, die mehr im Monat verdienen, als die Politiker und Amtsinhaber im Jahr?

Nicht die Ämter sind das Problem. Das Problem ist das Verständnis für die Ämter.

Von daher ist es eine Blamage für die ganze „Causa Politiker“, das sie in Verkennung der eigentlichen Bestimmung jetzt die Falschen um Entscheidungen anrufen.

Nachsatz:

Wieso ist Wulff eigentlich in das Amt gekommen? Wenn ich derzeit lese, wer (vor allem von Regierungsseite) Wulff „nicht“ gewählt hat, kann es doch selbst zu einer einfachen Stimmenmehrheit (Anforderung im dritten Wahlgang) nicht gereicht haben!
Wahlfälschung? (vorsicht ironie)

Nachsatz 2:
Ich habe hier nur im Bezug auf das Amt des Bundespräsidenten auf Wulff Bezug genommen. Eigentlich geht es hier um die Verkommenheit, die sich in den Jahrzehnten der Demokratie hoffähig gemacht hat. Deswegen auch keine Links auf den „Fall Wulff“. Wer darüber etwas von mir sucht, soll unter Suche einfach mal Bundespräsident eingeben. 😉

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3 Antworten auf Die „Causa Wulff“ vs. „Causa Merkel“

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