Wahlrecht in Deutschland Verfassungswidrig?

Man könnte rufen: Es lebe die Bananenrepublik!

Gut passend zu der jetzigen Debatte um den Bundespräsidenten passt dieses Thema, das fast unmerklich an uns vorbeischlittert.

Das Bundesverfassungsgericht hat das bisherige Wahlgesetz für Verfassungswidrig erklärt und dem Parlament bis zum Juni 2011 („Der Gesetzgeber hat den verfassungswidrigen Zustand aber spätestens bis zum 30. Juni 2011 zu beheben.“ Aus dem Urteil des BVerG) gegeben, um das Wahlgesetz zu ändern. Da die Entscheidung Anfang Juli 2008 ergangen ist, waren dies immerhin 3 Jahre Zeit, sich um ein neues Wahlrecht zu kümmern.
Bei dem Urteil ging es vor allem um das „negative Stimmgewicht“ und die daraus resultierenden sogenannten Überhangmandate. Dies sei Verfassungswidrig, entschied das Verfassungsgericht.
Oder einfacher ausgesagt, das Gericht hat entschieden, das eine Partei, die 10% der Stimmen hat auch „nur“ 10% der Sitze haben darf und nicht evtl. mehr, die dann mit Ausgleichsmandaten etc. schön gerechnet werden.
Aber noch ein Satz ist in dem Urteil, den man nicht außer Acht lassen sollte. In dem Urteil heißt es zu dem Wahlverfahren:

„das für den Wähler kaum noch nachzuvollziehende Regelungsgeflecht der Berechnung der Sitzzuteilung im Deutschen Bundestag auf eine neue, normenklare und verständliche Grundlage zu stellen

(Quelle: Bundesverfassungsgericht – Urteil vom 3.7.2008; Hervorhebung durch den Autor)

Nun hatte man es dann endlich mit gut 5 Monaten Verspätung geschafft ein neues Wahlgesetz zu verabschieden. Dies wird von vielen Politikern und Rechtsgelehrten als weiterhin „Verfassungswidrig“ angesehen. Im Bundesrat wurde dies Gesetz trotz Bedenken durch gewunken. In einer Erklärung der SPD-Abgeordneten (und Europaministerin) von Rheinland-Pfalz, Frau Margit Conrad wird deutlich gemacht, das man auf ein Vermittlungsverfahren verzichtet, um den Weg zum Bundesverfassungsgericht frei zu machen.
Man stellt sich also auch in der Opposition und bei den Ländern nicht seiner Aufgabe, sondern gibt seine ureigensste Aufgabe als Kontrollorgan an das Bundesverfassungsgericht weiter. Welch jämmerliche Vorstellung der SPD und der Grünen:

Durch die Nichtanrufung machen wir den Weg dafür frei, dass sich das Bundesverfassungsgericht wieder mit diesem Gesetz auseinandersetzen muss; denn die Fraktionen der SPD und von Bündnis 90/Die Grünen haben angekündigt, einen abstrakten Normenkontrollantrag beim Bundesverfassungsgericht einzureichen.

(Quelle: Bundesrat – Niederschrift der 888. Sitzung vom 14. Okt. 2011; Seite 485)

Nicht nur, dass die Gremien Ihre Arbeit nicht tun, wurde dies höchst umstrittene Gesetz, trotz schwerster Verfassungsbedenken von eben jenem Bundespräsidenten Wulff am 25.Nov.2011 ausgefertigt und trat mit der Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt am 2.12.2011 (Nr. 60; Seite 2313) einen Tag „nach Verkündung“ in Kraft (Man muss sich über die Jahreszahl bis zur entsprechenden Verkündigung durchklicken, da eine direkte Verlinkung nicht möglich ist).
Ist also jetzt geltendes Recht, obwohl erhebliche Teile der Politik dieses Gesetz als nicht Verfassungskonform erachtet. Auch der Bundespräsident scheint keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes zu haben oder wirklich, wie derzeit in der Presse hochstilisiert ein gestörtes Verhältnis zur Verfassung und seinem Eid auf Verfassungstreue.

Auf jeden Fall hat der Verein „Mehr Demokratie e.V.“, unabhängig von den Aussagen der Margit Conrad selbst Verfassungsbeschwerde gegen dieses, in Ihren (und meinen) Augen weiterhin verfassungswidrige Gesetz Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingereicht. Wie schon bei den Beschwerden zur Vorratsdatenspeicherung werden hier die Bürger aufgefordert sich mit Vollmachten an diese Beschwerde zu beteiligen. Es ist zwar für die Verfassungsbeschwerde nicht wesentlich, ob die Beschwerde von einem kommt oder von Tausenden, aber wir, als Bürger können damit auch der Politik deutlich machen, das wir nicht Politikverdrossen sind, sondern Politiker- und Parteienverdrossen.
Deswegen sollten sich bis zur Ende der Einreichungsfrist zum ende des Monats noch möglichst viele Menschen finden, die diese Klage mit einreichen. Eine entsprechende Vollmacht für den Beschwerdevertreter, Herrn Prof. Dr. Matthias Rossi ist bei dem Verein „Mehr Demokratie e.V.“ als PDF-Formular bereit gestellt.
Diese PDF ist zu finden auf der Webseite „Wählen ohne Überhang – Die Bürgerklage“ des Vereins „Mehr Demokratie e.V.“.

Rund 3350 Bürger (Stand 08.01.1212) erteilten eine Vollmacht!
Beteiligen Sie sich an der Verfassungsbeschwerde!
Mischen Sie sich ein!

Tragt die Infos weiter!

Links:

– Verein „Mehr Demokratie e.V.“
– Mehr Demokratie e.V.: Wahlrechtklage Unterstützen
– Mehr Demokratie e.V.: Wahlrechtsbeschwerde beim BVerG als PDF zum Ausfüllen (PDF 98 KB)
– Bundesverfassungsgericht: Urteil vom 3.Juli 2008 zur Verfassungswidrigkeit des Wahlgesetz
– Bundesrat: Niederschrift zur 888. Sitzung mit dem Durchwinken der Änderung des Wahlgesetzes
– Wahlrecht.de: Bundestagswahlrecht: Wir gehen nach Karlsruhe. Kommen Sie mit! (eine Informationsseite, wo alle Daten übersichtlich aufgelistet sind)

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3 Antworten auf Wahlrecht in Deutschland Verfassungswidrig?

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