Möllring wurde Beschissen? SPD will klagen!

Es ist nicht gerade ein Ding, was das Land Niedersachsen in den Abgrund stürzen würde. 3411,– Euro für Kochbücher, die als Gastgeschenke an die Gäste der angeblich „privaten Nord-Süd-Dialog“, veranstaltet durch den Veranstalter Manfred Schmidt verteilt wurden, sind eigentlich eine Lappalie.
Aber es ist ja auch nur die Spitze des Eisberges in diesem System.

Um die ganze Sache mit Wulff ist es eigentlich nur verwunderlich, das jetzt erst eine der Oppositionsparteien den Schritt gewagt hat, eine „juristische“ Klärung zu fordern. Man ist scheinbar bei der SPD inzwischen der Meinung, das der eigene Vorteil dieses Schrittes, den Nachteil der Geamtbeleuchtung des Filzes in Niedersachsen, auch schon zu SPD-Regierungen aufwiegt. Zudem solch eine Forderung für die Opposition eigentlich recht gefahrlos ist. So auch hier. Man hat sozusagen eine „Win-Win-Situation“.
Um eine Klärung durch den Staatsgerichtshof in Niedersachsen die Zustimmung von 2/3 des niedersächsischen Landtages voraussetzt. Dies ist ohne Zustimmung der Regierungsparteien nicht möglich. Lehnt diese (noch erwartungsgemäß) ab, wird es keine Anrufung des Staatsgerichthofes geben. Die SPD kann sich als gescheiterter „Aufklärer“ hinstellen. Stimmen die Regierungsparteien zu, so sind vermutlich etliche Minister, die bereits zu Wulffs Zeiten im Amt waren in Erklärungsnot. Die Rolle der Oppositionsparteien bleibt auch dabei außen vor, da der Staatsgerichtshof ja „nur“ die beklagten Vorgänge prüft und nicht das „Filzsystem“ von Niedersachsen, das über wechselnde Regierungsparteien hinaus gewachsen ist.
Ob dieses Prozedere bei einer Klage, wie hier angesprochen nicht von Nöten ist und der Fragesteller von Februar 2010, hier der SPD-Mann Heiner Bartling direkt den Staatsgerichtshof anrufen kann, kann ich derzeit nicht sagen. Aber auch dann ändert es an der Situation für die SPD nichts.
Auch dieser „Filz“ ist kein Alleinstellungsmerkmal von Niedersachsen (weswegen ich bewusst den gern verwendeten Ausdruck „Hannover-Connection“ vermieden habe), sondern ein allgemeines Problem, wo Politik und andere Interessen zu stark eine Symbiose eingehen. In NRW wurde dies halt „Klüngel“ genannt, in Bayer waren es die „Amigo-Affären“ usw.

Aber zurück zu den neuen Fällen um diese lächerlichen 3411,– Euro herum.
Es wurde im Vorfeld immer von „privaten Unterstützungspartys“ für den Dialog der Wirtschaft zwischen Niedersachsen und Baden-Württemberg gesprochen.
So privat kann es zum einen nicht gewesen sein, da die beiden damaligen Ministerpräsidenten Wulff und Oettinger die Schirmherrschaft für diese „gewinnorientierten“ Partys des Veranstalters Manfred Schmidt waren. Und hier fängt es an merkwürdig zu werden. Es handelte sich nicht um Treffen/Partys von Verbänden oder Organisationen, wie es sie etliche, auch mit Unterstützung der jeweiligen Regierungen der Länder gibt. Hier handelt es sich um eine Veranstaltung eines professionellen und gewinnorientierten Veranstalters. Es war auch keine Benefizveranstaltung durch selbigen, dessen einziger Vorteil gewisse steuerliche Absetzungsmöglichkeiten sind, sondern um rein Kommerzielle Veranstaltungen, bei denen der Gewinn allein der letzten Veranstaltung mit ca. 300.000,– bis zu 380.000,– Euro vermutet werden.
Diese Veranstaltungen haben diesen wirtschaftlichen Erfolg vor allem durch Sponsering zu verdanken. So sind auch, wie es aus Regierungskreisen beider Länder so gerne heißt, beiläufige Erwähnungen und „nur sehr zurückhaltend“ erfolgte Sponsorensuche durch die Staatsministerien in einem politisch, gesellschaftlich und rechtlich ganz anderem Blickwinkel zu sehen.
Da sind dann die 3411,– Euro für Kochbücher nur ein Tropfen auf den vermuteten Gewinn Schmidts, aber um so unverständlicher, das diese, wie auch „regionale Präsente für die prominenten Gäste“ von Herrn Oettinger auf Landeskosten (ca. 3600,– Euro) von Nöten waren.
Also, es waren für eine kommerzielle Veranstaltung die beiden Ministerpräsidenten der Länder „Schirmherrn“, weiter wurden mit Arbeitskräften der Länder für diese kommerzielle Veranstaltung Sponsoren gesucht. Da es hier dabei nicht um die Summen geht, sondern um das System, halte ich persönlich es für unerheblich, ob diese Sponsorensuche nur so nebenbei erfolgte oder konzentriert. Die Mitarbeiter der Länder sollten für „kommerzielle Veranstaltungen“ überhaupt keine Leistungen bringen.
Zudem hat in seiner Amtsfunktion scheinbar mit sehr großer Sicherheit zumindest der Ex-Sprecher von Wulff Geldwerte Vorteile erhalten.

Dann wurde im Auftrag der Staatskanzlei auch noch von einem Landeseigenen Betrieb Hilfskräfte angefordert wurden, zeigt, das ganz klar ein Amtsmissbrauch vorliegt.

Das nun von der Regierung in Niedersachsen behauptet würde, das man nichts davon gewusst habe, scheint mir nicht sehr glaubhaft. Neben den „Geschenken“ ist ja auch eine Rechnung durch den Landeseigenen Betrieb zurück gegangen, als diese die Kosten der Hilfskräfte einfordern wollte. Selbst wenn man vermuten konnte, das zu dem Zeitpunkt der Vorfälle, die Rechnung im Landwirtschaftsministerium für die Kochbücher und die abgelehnte Rechnung der Hilfskräfte im stillen Kämmerchen bearbeitet wurden, so ist die Antwort des „Finanzministers“ Möllring nicht verständlich. Entweder sein Ministerium hat eine ganz schlampige Buchhaltung oder er Lügt, anders kann es nicht sein. Wenn sich herausstellt, das dieser Mensch finanzielle Beteiligungen des Landes noch Mitte der Woche kategorisch Verneinte, so ist seine Äußerung, das er sich von dem Ex-Sprecher Olaf Glaeseker „beschissen“ fühle nicht sehr glaubhaft. Schließlich ist der Ankauf und die Buchung der Kochbücher nicht über seinen Tisch gelaufen, sondern über das Landwirtschaftsministerium.
Das nun auch noch in dem Spiel von Geben und Nehmen ein weiterer ehemaliger Mitarbeiter der Staatskanzlei, Lothar Hagebölling verwickelt ist, der ebenso wie Olaf Glaeseker mit Wulff ins Bundespräsidium gewechselt ist, der eben auf die Anfrage im Jahr 2010, ebenso wie jetzt Möllring eine finanzielle Beteiligung des Landes wider besseren Wissen verneint hatte. Schließlich war dieser als damaliger Leiter der Staatskanzlei auf der bürokratischen Seite an erster Stelle.

Das die Frau von dem Ex-Sprechers Wulffs auch noch eine Mitautorin und so Nutznießer des Ankaufes ist, passt da nur noch ins Gesamtbild.

Passend ist auch, das sich nun „Schirmherr“ #2, Oettinger zu Wort meldet.
Es sieht keinen Grund für einen Rücktritt Wulffs. Wie gerne wird auch hier wieder behauptet, das Wulff auf alle Fragen „ausreichend“ geantwortet habe und es damit gut sei.
Für Oettinger wohl nicht nur eine Frage der Person Wulff, sondern auch die Frage seiner eigenen Rolle in der Geschichte um die für Schmidt so gewinnbringenden Veranstaltungen. Wie bereits oben geschrieben hatte auch das Staatsministerium in Baden-Württemberg eine kleine finanzielle Beteiligung bei den Veranstaltungen und wie es von Regierungsseite formuliert wird, „nur sehr zurückhaltend“ nach Sponsoren gesucht wurde.
Das aber die landeseigene Bank LBBW sich an das Sponsoring der Veranstaltungen beteiligt hat, hat schon einen fahlen Beigeschmack.
Ein Aktenvermerk in Baden-Württemberg stellt aber auch die „Aktivitäten“ der Niedersächsischen Regierung in ein seltsames Licht. Nach einem Bericht des „Tagesspiegels“ soll man sich laut des Aktenvermerkes über die „fehlende Unterstützung“ beklagt haben.

Dafür fand man aber einen wenig schmeichelhaften Vermerk über eine Beschwerde des Veranstalters Schmidt. Nach dem letzten „Dialog“ soll sich der Freund von Wulffs Berater Glaeseker, Schmidt also, „sehr negativ“ über die fehlende Unterstützung des baden-württembergischen Ministerpräsidenten geäußert haben. Offenbar zeigten sich die Baden-Württemberger Unternehmer wesentlich knauseriger mit Sponsorgeldern für die Events, als Schmidt das aus Niedersachsen gewohnt war. Lediglich von der Stuttgarter Landesbank LBBW weiß man, dass sie sich an den Promi-Treffs, die dreimal stattfanden – 2007 und 2009 in Hannover, 2008 in Stuttgart – beteiligt hat.

(Quelle: Der Tagesspiegel – Auch Oettingers Staatsministerium warb Sponsoren)

Da stellt sich doch die Frage, ob der Veranstalter Schmidt durch die Niedersächsische Regierung ein höheres Engagement zu seiner Gewinnsteigerung gewohnt war?

Es ist nicht die Veranstaltungen als solches, oder die Gewinnabsicht des Veranstalters Schmidt, die das Problem sind. Es ist wieder einmal so, das die Transparenz an allen Ecken fehlt. Und das sich die Regierungen beider Länder nicht klar zu der Wirtschaft abgrenzen.
Es ist das System, das den eigenen Vorteil einer bestimmten Kaste, hier der Politikkaste über die Interessen derjenigen stellt, für die sie gewählt wurden und Ihren Eid geleistet haben. Dieses Eigeninteresse dieser Politikkaste nutzen diejenigen aus, die ebenfalls nur Ihre eigenen Interessen im Blick haben, die Lobbyisten und Unternehmer. Wie man allein an dem Beispiel der Parties zum „Nord-Süd-Dialog“ sieht, ist der Gewinner der Veranstalter Schmidt. Er machte einen Gewinn und in dem er zumindest dem Ex-Sprecher Glaeseker ein paar Tröpfchen Geldwerten Vorteil zukommen ließ (wahrscheinlich noch als Werbungskosten abgesetzt). Er hat seinen Gewinn, auch auf Grund geringerer eigener Leistungen dadurch um ein vielfaches erhöht.

Irgendwie sind alle Täter und jeder befleißigt sich, auf den anderen zu Zeigen, um von sich selbst abzulenken. Die „Causa Wulff“ wird gerade mal eben zum „Fall Glaeseker“ und alle wollen von nichts gewusst haben. Aus Gier scheint man sogar bereit zu sein, die eigene Unfähigkeit zu behaupten.

Links:

– Der Tagesspiegel: Auch Oettingers Staatsministerium warb Sponsoren
– Neue Osnabrücker Zeitung: Weiterer Vertrauter von Wulff in der Kritik
– Der Newsticker: EU-Energiekommissar Günther Oettinger sieht keinen Grund für einen Rücktritt von Bundespräsident Christian Wulff.
– Süddeutsche Zeitung: Korruptionsvorwurf gegen Wulffs Partyplaner Manfred Schmidt, „Sozialarbeiter“ der deutschen Elite
– net tribune: Oettinger: Kein Grund für Rücktritt von Wulff
– net tribune: De Maizière: Nur noch „Nachhutgefechte“ in der Wulff-Affäre

– Gehirnsturm: Die Farce um die Bundespräsidenten-Wahl wird durchgeführt!
– Gehirnsturm: the day after: Die Farce um die Bundespräsidenten-Wahl ist vorbei!
– Gehirnsturm: the year after: Die Farce um den Bundespräsidenten geht munter weiter!
– Gehirnsturm: Wo bleibt die Strafverfolgung gegen Wulff wegen Beleidigung des Volkes im Amt?
– Gehirnsturm: Die Farce Wulff geht weiter oder die Frage “hat er oder hat er nicht”
– Gehirnsturm: “Bürger Wulff” und die “vierte Macht” – Hat die Presse versagt?
– Gehirnsturm: Das “Interview” mit dem “Bürger Wulff”
– Gehirnsturm: Wulff zum Thema “Offenheit” und “Transparenz”!
– Gehirnsturm: Wulffs Transparenz!
– Gehirnsturm: Die „Causa Wulff“ vs. „Causa Merkel“
– Gehirnsturm: Die Geister, die ich rief! | Wulff doch ein Straftäter?
– Gehirnsturm: Merkel und Wulff – Quiz-Frage: Original und Plagiat

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