Mollath und die Frage ob Frau Merk lügt

Wer sich nicht bewegt, spürt seine Fesseln nicht!
(Rosa Luxemburg)

Ich habe immer wieder das Bedürfnis gehabt, etwas zu dem Fall Mollath zu schreiben. Einzig mein „Zorn“ hat mich davon abgehalten, da ich nicht Emotionen sprechen lassen wollte. Und natürlich auch der Gefahr eine psychischen Abschiebung verhindern wollte (wer die Ironie entdeckt, kann sie behalten).

Da berichteten Viele über das Thema und das ist auch gut. Auch wenn ich schon manches mal Bauchschmerzen bekomme. Gerade bei den grottenschlechten Übernahmen der DPA-Meldungen wird mir, neben ideologisch verblendeten Blog regelmäßig schlecht. Allerdings gibt es durchaus auch positive Entwicklungen.

Nun, nach der Sendung in der ARD „Die Story – Der Fall Mollath“ gab es direkt Aufregung. Mehrere Zeitungen griffen auf, das die Justizministerin von Bayern, Frau Merk dort als „Lügnerin“ bezeichnet wurde.

Die Ministerin reagierte auch mit einer Pressemitteilung auf die angeblich falschen Vorwürfe. Darin heißt es:

Fall Mollath: Justizministerin Dr. Beate Merk weist Vorwurf der Lüge zurück

Justizministerin Dr. Beate Merk weist die Behauptung in dem Beitrag „Der Fall Mollath“ der ARD vom 3. Juni 2013 mit Nachdruck zurück, sie habe den Bayerischen Landtag und die Öffentlichkeit belogen: „Ich habe sowohl das Parlament als auch die Medien stets über alle mir bekannten relevanten Tatsachen informiert. Soweit in dem Beitrag der Satz im Innenrevisionsbericht der HypoVereinsbank angesprochen wird, wonach sich alle nachprüfbaren Behauptungen Herrn Mollaths bestätigt hätten, war mir dieser Satz zum fraglichen Zeitpunkt meines Berichtes im Rechtsausschuss des Bayerischen Landtags nicht bekannt. Dem Ministerium lagen zu diesem Zeitpunkt zwar Stellungnahmen der Staatsanwaltschaft vor, nicht aber der Revisionsbericht selbst. Der Vorwurf ist falsch und verleumderisch. Er reiht sich ein in eine Serie anderer unrichtiger und unvollständiger Angaben, mit denen hier die Öffentlichkeit im Ergebnis falsch informiert wird.“

(Quelle: Bayerisches Staatsministerium der Justiz und für Verbraucherschutz – Fall Mollath: Justizministerin Dr. Beate Merk weist Vorwurf der Lüge zurück)

Nun, sehr geschickt geschrieben diese Pressemitteilung. Zuerst einmal stellt sie fest, das sie „sowohl das Parlament als auch die Medien stets über alle mir bekannten relevanten Tatsachen informiert“ habe. Dabei stellt sich die Frage, wer „Entscheidet“, was „relevant“ ist? Hier sollen wir (scheinbar) gefälligst die Interpretation der Justizministerin als einzig richtige hinnehmen. (ich merke, der Zorn überkommt mich doch wieder)
Weiter und nicht weniger geschickt heißt es: „Soweit in dem Beitrag der Satz im Innenrevisionsbericht der HypoVereinsbank angesprochen wird, wonach sich alle nachprüfbaren Behauptungen Herrn Mollaths bestätigt hätten, war mir dieser Satz zum fraglichen Zeitpunkt meines Berichtes im Rechtsausschuss des Bayerischen Landtags nicht bekannt.“
Nun, es ist Richtig, das es durchaus sein kann, das dieser spezielle Satz der Justizministerin Merk zum Zeitpunkt des Berichtes im Rechtsausschuss des Bayrischen Landtages nicht bekannt war. Aber wurde das behauptet?
Als Schlusssatz kommt dann noch eine pauschale Verleumdung der Presse und der Öffentlichkeit aus dem Mund (ist als Zitat gekennzeichnet) der Justizministerin: „Er reiht sich ein in eine Serie anderer unrichtiger und unvollständiger Angaben, mit denen hier die Öffentlichkeit im Ergebnis falsch informiert wird.“
Nun, nachdem sich ja einige an einer Verschwörungstheorie im Fall Mollath festhalten (die ich im übrigen nicht mal als Abwegig ansehe, auch wenn ich mich an solchen Spekulationen nicht beteilige) setzt die Justizministerin nun auf eine Verschwörung der Öffentlichkeit und Medien.

Dann wollen wir uns doch mal das Ganze näher betrachten. In diesem Fall hier geht es um diesen Beitrag, den die ARD dankenswerterweise auf YouTube zum Einbetten frei geschaltet hat:

Ich habe Ihn mir jetzt mehrfach angesehen.
Und ich komme zu dem Ergebnis, das die Pressemitteilung mit den erhobenen Vorwürfen in dem Bericht nichts zu tun hat. Oder um es Sinngemäß mit Fr. Merks Worten zu sagen, es „reiht sich ein in eine Serie anderer unrichtiger und unvollständiger Angaben, mit denen hier die Öffentlichkeit im Ergebnis“ durch Vernebelung der tatsächlich gemachten Aussagen „falsch informiert wird.“
Aber mal im Einzelnen. In dem Bericht wird über den Verlauf des „Falls Mollath“ berichtet. Ein Teil dieses Berichtes ist das Verhalten der Justizministerin Frau Merk in diesem „Fall“. Darauf will ich mich nun konzentrieren.

In der 21ten Minute (genau ab 21:40) wird zum ersten Mal ein Teil eines Interview mit Frau Merk (vom 9.11.2012) eingeflochten. Dabei geht es um die Frage, ob es keinen Anfangsverdacht gegeben habe auf Grund der Strafanzeige von Mollath zu dem Thema Schwarzgeld. Dies wird von Fr. Merk verneint. Sie verharrt dabei, das die Staatsanwaltschaft (!) keinen Anfangsverdacht sah.
Dann berichtet die Sendung über ihre Recherchen ein Jahr zuvor, bei der sie aufdeckt das die Hypo Vereinsbank (HVB) Mollaths Anschuldigungen ernst nahm und interne Ermittlungen angestellt hatte mit den inzwischen bekannten Ergebnis, das die Vorwürfe (soweit geprüft durch die HVB) richtig waren. Dies wurde in einem ersten Bericht im November 2011 (also ein Jahr vor dem oben erwähnten Interview mit Fr. Merk) ausgestrahlt. Danach soll das Justizministerium/Staatsanwaltschaft den Sonderrevisionsbericht der HVB angefordert haben.
Weiter wird ab Minute 24:01 über Ihren Auftritt im Rechtsausschuss „Monate später“ (nach der Anforderung des HVB-Sonderrevisionsberichtes) berichtet. Dabei wird Frau Merks Äußerungen wie folgt zusammen gefasst:
„In einer Sitzung des Rechtsausschusses macht sie (Anm.: Fr. Merk) eine bemerkenswerte Aussage. Die Bankinternen Untersuchungen hätten die Vorwürfe des Gustl Mollaths gerade nicht bestätigt.“
Weiter geht es damit, das die Sendung darüber berichtet, das durch ihre Recherchen im November 2012 (also zum Zeitpunkt des oben erwähnten Interviews) der Sonderrevisonsbericht an die Öffentlichkeit gekommen ist.
Jetzt wird es Spannend. Ab Minute 25:53 kommt der Teil des Interviews, in dem Fr. Merk darauf besteht, das „So weit sie verfolgbar waren, haben sie sich nicht als zutreffend heraus gestellt“, obwohl die Redakteurin sie mehrmals mit dem Zitat aus dem Sonderrevisionsbericht konfrontiert: „Alle nachprüfbaren Behauptungen haben sich als zutreffend heraus gestellt“.
Direkt im Anschluss zu diesem Einspieler des Interviews kommt Herr Werheim, ein ehemaliger Steuerfahnder zu Wort, mit dem Statement „Das ist gelogen“ (ab Minute 26:29). Hier ist das erste mal von „Lüge“ die Rede. Dies bezieht sich aber unmittelbar auf die Sequenz mit dem Interview und stammt nicht von der Redaktion.
In Minute 27:05 wird im Anschluss auf die Frage an Fr. Merk was sie von dem Vorwurf der Verheimlichung meine, folgendes von der Sprecherin gesagt:
„Sie wusste, das die HBV Gustl Mollath recht gibt und hat es dennoch verschwiegen. Seine Angaben zu den Schwarzgeldgeschäften waren nicht Wahn, sondern Wahrheit. …“
Vorher hatte Fr. Merk in dem Interview-Ausschnitt bemerkt, dass „alles, was Entscheidungserheblich ist gesagt“. Also maßt sich die Justizministerin wiederum an, bewerten zu können, was „Entscheidungserheblich ist“. Dabei lässt sie offen, ob z.B. der Sonderrevisionsbericht in Ihren Augen „nicht“ Entscheidungserheblich ist, im besonderen die unterschlagenen Passagen desselben.
Nun wird noch weiter über das Zustandekommen der jetzigen Situation berichtet (sehenswert, aber für den Lügenvorwurf, auf den ich mich konzentriere unerheblich).
Ab Minute 41:56 kommt eine Zusammenfassung der Redakteure zu dem Fall. Diese kann man durchaus als parteiisch empfinden, ist meiner Meinung nach aber zutreffend. Und hier heißt es in Minute 42:13 bis 42:19:
„Eine Ministerin, die das Parlament und die Öffentlichkeit belügt“
Also der Satz, auf den sich dann alle gestürzt haben.

Nun, jetzt sind in der Sendung alle im Zusammenhang der Lügenbezichtigung erfolgten Sequenzen angesprochen. Es sind vor allem die Sequenzen ab 21:40 bis ca. 27:17 und dann natürlich die Zusammenfassung ab Minute 41:56 mit dem Lügenvorwurf ab 42:13 bis 42:19.
Jetzt die Frage, was dies mit der Pressemitteilung der Fr. Merk über das von Ihr kontrollierte Portal des Ministeriums zu tun hat?
Fangen wir doch direkt mit dem letzten Satz an, in dem ich die Sprecherin mit dem Lügenvorwurf zitiert habe:
„Eine Ministerin, die das Parlament und die Öffentlichkeit belügt“

In der Pressemitteilung, wo sich Fr. Merk gegen die „Lügenvorwürfe“ der Redaktion wehrt heißt es:
„Soweit in dem Beitrag der Satz im Innenrevisionsbericht der HypoVereinsbank angesprochen wird, wonach sich alle nachprüfbaren Behauptungen Herrn Mollaths bestätigt hätten, war mir dieser Satz zum fraglichen Zeitpunkt meines Berichtes im Rechtsausschuss des Bayerischen Landtags nicht bekannt.“

Nun, es hieß ja auch nicht, dass Frau Merk im Rechtsausschuss bei der Sitzung vom xx.xx.xxxx gelogen habe, sondern, das sie u.A. das Parlament belogen habe. Bei einer Ministerin, die sich krampfhaft an eine spezielle Formulierung klammert, wie im Interview zu den „nachprüfbaren Beschuldigungen“, sollte sich auch hier präzise an die wirklichen Vorwürfe halten und diese nicht für sich frei interpretieren.

Aber selbst die Pressemitteilung ist mit Vorsicht zu genießen. „Ihr Bericht im Rechtsausschuss“ heißt es da. Nun, welcher, das ist hier die Frage. Man muss ein wenig kramen, aber man kann fündig werden. So heißt es in einem Protokoll zu einem Dringlichkeitsantrag (vom 14.12.2011) auf Grund des „ARD-Magazin „Report aus Mainz“ Fall Mollath“ zu der 92. Plenumssitzung des Bayrischen Landtages vom 15.12.2011 wie folgt:

Florian Streibl (Freie Wähler)

Des Weiteren hat auch die Bank die Vorwürfe sehr ernst genommen. Sie bestätigt, dass die Ehefrau von Herrn Mollath weisungswidrig gehandelt habe, und entlässt sie deswegen aus dem Angestelltenverhältnis. Des Weiteren gibt es eine eidesstattliche Versicherung eines Richters, der sagt, dass Weisungen oder Anordnungen aus der Politik gekommen seien.
[…]
Warum nahm die Bank den Fall ernster als die Staatsanwalt­schaft?

(Quelle: Bayrischer Landtag – Protokollauszug des 92. Plenum vom 15.12.2011 [PDF – 261 KB])

Hier wird bereits kurz nach der Sendung vom 13.12.2011 zwei mal auf die Reaktion der Bank hingewiesen. In dem Bericht der Sendung „Report Mainz“ wird auch ganz klar ausgesagt, das die HVB nach eigenen Ermittlungen personelle Konsequenzen gezogen hatte. Das u.A. Mollaths Frau und weitere Mitarbeiter nicht mehr bei der Bank beschäftigt sind.
Es waren also bereits zum Dringlichkeitsantrag klare Hinweise auf die „internen Ermittlungen der HVB“ vorhanden.

In der Plenumssitzung sprach dann Frau Merk als 3. Rednerin (2. nach Florian Streibl):

Staatsministerin Dr. Beate Merk (Justizministerium):
[…]
Die HypoVereins­bank hatte bislang nicht bestätigt, dass sich die damalige Ehefrau Mollaths an den be­haupteten Vorgängen beteiligt hat. Vorgestern hat „Report Mainz“ erstmals eine Stel­lungnahme der HypoVereinsbank wiedergegeben, wonach sich auch die Ehefrau Mollaths im Zusammenhang mit Schweizer Bankgeschäften weisungswidrig verhalten habe. Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth ist angesichts dieser Äußerungen ges­tern an die HypoVereinsbank herangetreten und hat schriftlich um Stellungnahme dazu gebeten.

(Quelle: Bayrischer Landtag – Protokollauszug des 92. Plenum vom 15.12.2011 [PDF – 261 KB])

Nun, hier gibt Fr. Merk zu, das sie zum 15.12.2011 (oder wenigstens bis zum Bericht von Mainz Report am 13.12.2011) keine Kenntnis zu den Vorgängen innerhalb der HVB hatte. Das kann man zu diesem Zeitpunkt auch glauben. Aber sie macht dort auch deutlich, das sie die „Stellungnahme“ der HVB zur Kenntnis genommen hatte und Ihr am 15.12.2011 bekannt war, das die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth sich am Tag davor schriftlich deswegen an die HVB gewendet hat. Man kann also mit Fug und Recht behaupten, das sie ab dem 15.12.2011, spätestens nach diesem Redebeitrag wissen musste, das es eine Einschätzung der Vorwürfe von Seiten der HVB gab.

Nach Fr. Merk spricht der Parteikollege Jürgen W. Heike (CSU) und hält in seiner Rede nochmals fest:

Frau Staatsministerin Dr. Merk hat bereits angekündigt, dass eine Stellungnahme angefordert worden sei

(Quelle: Bayrischer Landtag – Protokollauszug des 92. Plenum vom 15.12.2011 [PDF – 261 KB])

Zum Thema HVB und interne Ermittlungen hat sich dann auch noch die Christine Stahl von den Grünen geäußert:

Ich kann mir sehr wohl Unregelmäßigkeiten der HVB in diesem Kontext vorstellen. Sie sind in Teilen auch bewiesen worden. Wir brauchen nicht darum herumzureden. Warum aber in dem Fall nicht geprüft wurde, wie anfangs von mir angemahnt, müsste herausgefunden werden. Es wird angeführt, dass die HypoVereinsbank nach interner Revision die ehemalige Ehefrau und weitere Personen entlassen habe, weil sie sich pflichtwidrig verhalten hätten.

(Quelle: Bayrischer Landtag – Protokollauszug des 92. Plenum vom 15.12.2011 [PDF – 261 KB] – Hervorhebung von mir)

Wie man an der Hervorhebung schön sieht hat Frau Stahl hier explizit von einer „inneren Revision“ der HVB gesprochen. Da ja nachweislich bei dieser Sitzung Fr. Merk anwesend war (und sie dieses Protokoll ebenfalls einsehen konnte. Es ist im Übrigen Lesenswert und sagt viel über manch einen der Sprecher und Sprecherinnen dort aus) sollte Ihr auch dies nicht entgangen sein.
So wird es dann auch in der Sendung vom 3.6. dieses Jahres Berichtet. Nämlich, das sich die Staatsanwaltschaft diesen Bericht zusenden ließ. Also bis hier hin stimmt alles.
Jetzt heißt es in der Pressemeldung von Frau Merk zu dem Lügenvorwurf in der ARD-Sendung vom 3.6.2013:

Soweit in dem Beitrag der Satz im Innenrevisionsbericht der HypoVereinsbank angesprochen wird, wonach sich alle nachprüfbaren Behauptungen Herrn Mollaths bestätigt hätten, war mir dieser Satz zum fraglichen Zeitpunkt meines Berichtes im Rechtsausschuss des Bayerischen Landtags nicht bekannt.

(Ich habe es extra nochmal als Zitat hervorgehoben, Quelle siehe oben)

Nun, in der Aussage vor dem „Rechtsausschuss des Bayrischen Landtages“ vom 8.März 2012, also dem in der Sendung bezeichneten „Monate später“ sagt Frau Merk unter Anderem folgendes:

Der Bericht bestätigt jedoch gerade nicht den Verdacht, dass diese Praxis nach 1998 weitergeführt wurde, oder dass Wertpapiere oder Bargeld von Mitarbeitern der Bank persönlich in die Schweiz gebracht worden sind.
Stattdessen ergaben sich aus dem Bericht nur Hinweise auf möglicherweise strafrechtlich relevante Verstöße einzelner HVB-Mitarbeiter, die nichts mit der von Mollath angezeigten Problematik und auch nichts mit seiner damaligen Ehefrau zu tun hatten

(Quelle: SWR – Protokoll von der Ansprache der Justizministerin vor dem Rechtsausschuss [PDF – 4,4 MB])

Sie weist -nicht nur in diesem Anschnitt- explizit auf die angeblichen Erkenntnisse aus dem „Bericht“ der HVB hin. Sie stellt hier klar, das dieser Bericht eben diesen Verdacht nicht bestätigt. Wobei sie schon einen Satz weiter erklärt, das der Bericht nur auf „möglicherweise strafrechtlich relevante Verstöße“ hinweise. Ist aber nicht genau dies, was man Landläufig einen „Anfangsverdacht“ nennt?


Einschub [Update]
Danke an Rainer Hoffmann, der mich (unten in den Kommentaren) noch auf eine weitere Passage in dem Protokoll des Rechtsausschusses aufmerksam gemacht hat.
In dem Fazit der Frau Merk zum „Komplex Strafanzeige“ (sie nennt es dann im zitierten Text selbst „zweiter Komlpex“)

Mein Fazit zum zweiten Komplex lautet also:
[…]
Die von Herrn Mollath erhobenen Vorwürfe hat der Revisionsbericht jedenfalls für die Zeit nach 1998 gerade nicht bestätigt

(Quelle: SWR – Protokoll von der Ansprache der Justizministerin vor dem Rechtsausschuss / Seite 26 und die Folgende [PDF – 4,4 MB])

Wie in diesem Ausschnitt sehr schön zu sehen ist, bezieht sich Fr. Merk explizit auf den Revisionsbericht. Also die Aussage in der Pressemitteilung, das dem Justizministerium „zu diesem Zeitpunkt zwar Stellungnahmen der Staatsanwaltschaft“ vorlag, „nicht aber der Revisionsbericht selbst“ ist zumindest für die Rechtsausschusssitzung vom 8. März 2012 falsch.


Aber unabhängig dieses -meiner Meinung nach- argumentativen Widerspruch, äußert sich die Justizministerin sehr bewertend über den Inhalt des Berichtes. Und genau diesen einen Satz soll sie dabei übersehen haben? Dann hat sie Ihre Aufgaben für den Rechtsausschuss nur sehr schlecht gemacht. Zudem ist dann die Frage ob es nicht doch eine Lüge war, Ihre Ausführungen im Rechtsausschuss. Wenn nicht bezüglich dieses Satzes, dann den Rest, weil er trotz fehlender Kenntnisse, die man aber dem Ausschuss vorgegaukelt hat (in dem man sich explizit auf den Bericht bezieht und dessen angebliches Ergebnis verkündet) eine unwahre Aussage trifft.
Aber das ist ja nur die eine Seite der Medaille. Die andere Seite ist, das die Redakteure der Sendung ja nicht behauptet haben, das Frau Merk bei dieser Ausschusssitzung gelogen habe, sondern das sie „das Parlament“ und die „Öffentlichkeit“ belogen hatte. Wobei ich persönlich der Meinung bin, dass Frau Merk bereits bei dieser Ausschusssitzung vom 8.März 2012 die Ausschussmitglieder (und somit auch die Öffentlichkeit) so oder so belogen hat.

Uli Bachmeier von der Augsburger Allgemeinen (Redaktion München; Ressort Politik) meinte „Merk wehrt sich zurecht“. Dies ist nicht als Kommentar oder Meinungsäußerung deklariert, sondern als Artikel. Die einleitenden Sätze von Ihm sind:

Wer jemanden der Lüge bezichtigt, der sollte dafür auch den Beweis antreten. Das ist den Kollegen von Report Mainz in ihrer Reportage über den Fall Mollath nicht gelungen. Die bayerische Justizministerin Beate Merk (CSU) wehrt sich deshalb völlig zu Recht gegen die Behauptung, sie habe den Landtag belogen. Der Vorwurf ist unhaltbar.

Merk wehrt sich völlig zu Recht – weiter lesen auf Augsburger-Allgemeine: http://www.augsburger-allgemeine.de/bayern/Merk-wehrt-sich-voellig-zu-Recht-id25511261.html

(Quelle: Augsburger Allgemeine – Merk wehrt sich völlig zu Recht)

Nun, wenn Herr Bachmeier willens wäre zu lesen, dann hätte er fest gestellt, das sich Fr. Merk nicht gegen den Vorwurf „den Landtag belogen“ zu haben wehrt, sondern sich auf den Rechtsausschuss bezieht. Ich kann sehr wohl Behauptungen aufstellen, ohne den Beweis antreten zu müssen. Das ist die Grundlage der Meinungsfreiheit. In Zweifel, gerade wenn ich jemanden der Lüge bezichtige muss ich dann evtl. den Beweis wirklich antreten.
Wie schreibt Fr. Merk so schön in Ihrer Presseerklärung:
„Der Vorwurf ist falsch und verleumderisch“

Nun, es ist ein leichtes dieses überprüfen zu lassen. Falsche Anschuldigungen, gerade auch Verleumdungen sind Straftaten (§ 187 StGB). Ja sogar schon die „üble Nachrede“ ist eine Straftat (§ 186 StGB). Im zweiten Fall (Üble Nachrede) ist noch nicht einmal „wider besseres Wissen“ notwendig. Es reicht einfach, das diese Behauptung nicht der Wahrheit entspricht. Also, Frau Merk, wo ist die Strafanzeige wegen dieser „Verleumdung“?

Herr Bachmeier behauptet sogar in dem Artikel, das Frau Merk „als die Zweifel und Widersprüche offenkundig wurden, die erste mögliche Gelegenheit genutzt, ein Wiederaufnahmeverfahren in Gang zu bringen, das Gustl Mollath nun alle Möglichkeiten eröffnet, zu seinem Recht zu kommen“. Nun es mag hier eine Definitionsfrage zu sein, was man unter „erste mögliche Gelegenheit“ versteht. Aber man ist doch versucht, Herrn Bachmeier wegen dieser Aussage als Lügner zu bezeichnen, was ich natürlich nie tun würde. Ich wäre höchstens im Fall des Falles der persönlichen Meinung, das Herr Bachmeier hier lügt. Ob dann (also im Fall des Falles) bewusst oder unbewusst, das entzöge sich dann meiner Kenntnis.

Wortklauberei:
(Weil’s so schön zu meinen letzten Sätzen davor passt. 😉 )

In machen Kommentaren zu Artikeln im Bezug auf die beharrliche Antwort von Frau Merk bei der Konfrontation mit der Aussage im Sonderrevisionsbericht bei dem Interview vom 9. November 2012 interpretieren viele dahingehend, das Fr. Merk sich dabei um die „heute“ (also damals zum November 2012) nicht mehr zu verfolgenden Tatbestände handelt (wegen der Verjährung). Also sozusagen eine juristisch einwandfreie Äußerung, da diese dann nicht mehr verfolgbar seien. Und es somit keine verfolgbaren Vorwürfe mehr gebe, da diese Verjährt seien. Dieser Vermutung, die immer wieder im Raum steht hat Herr Strate mit einem sehr schönen Kommentar den Boden unter den Füßen (von Frau Merk?) entzogen:

Die Unterscheidung zwischen Verfolgbarkeit/Nichtverfolgbarkeit in dem Interview der Frau Merk ist mir ein völliges Rätsel. Wer je die hier einschlägige Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 1.8.2000 (5 StR 624/99 – in der amtlichen Sammlung zu finden unter BGHSt 46, 107) gelesen hat, weiß mehrerlei:

– Der anonymisierte Transfer von Kapital nach Luxemburg und in die Schweiz war eine direkte Folge des Zinsabschlagsgesetzes, welches ab dem 1.1.1993 eine Steuervorauszahlung in Form eines Zinsabschlags auf Kapitalerträge vorsah. Das Motiv der Bankkunden, die sich mit Unterstützung ihrer Berater zu dem Kapitaltransfer veranlasst sahen, beschreibt der Bundesgerichtshof so: “Da sie ihre Zinserträge wie in der Vergangenheit auch in der Zukunft nicht gegenüber dem Finanzamt erklären wollten, war es ihnen wichtig, ihr Vermögen möglichst so ins Ausland zu verbringen, dass der Finanzverwaltung – auch bei Fahndungsmaßnahmen – kein Rückschluss auf die vorhandenen Anlagen und die daraus erzielten Zinserträge ermöglicht wurde.”
[…]

(Quelle: Gabriele Wolff – Der Fall Mollath: eine Hängepartie [Kommentare])

Der ganze Kommentar ist lesenswert (ich habe nur den ersten -Achtung Ironie- „relevanten“ Abschnitt zitiert). Er sagt richtiger weise aus, dass ja die Straftat nicht mit dem Erstvergehen endet. Sondern das ja mit der jährlichen Unterschlagung der Steuerpflicht sozusagen jedes Jahr eine neue Straftat entsteht. Und da die „Bankberater“ (wie z.B. Frau Petra M., ehemalig Mollath) dies durch Ihre Transaktion/Unterstützung sozusagen fortdauernd ermöglichen, beginnt die Verjährungsfrist für sie erst mit Beendigung der Straftaten, sprich der Steuerhinterziehung.

Da nun scheinbar einige Steuersünder (welch ein Harmloses Wort für Straftäter!) auf Grund der Angaben von Herrn Mollath in den Fokus der Ermittler gekommen sind (die Zeitungen berichteten) dürften auch die strafbaren Handlungen der Bankvermittler nach Strate (so wie ich Ihn verstanden habe) nicht verjährt sein. Da ist also die Frage, ob die Staatsanwaltschaft bereits an Frau Petra M. -die Ex-Frau von Mollath- dran ist?.
Wie gesagt, es gibt viele Blogs und vor allem die Süddeutsche Zeitung (auch wenn hier nicht zitiert), die sehr ausführlich über den „Fall Mollath“ berichten. Ich will mich hier auf den „Lügenvorwurf“ beschränken und nicht weiter abschweifen. Deswegen mache ich hier mal Schluss. 😉

Links:

Aus dem Artikel (in der Reihenfolge der Zitate):

Weitergehende Infos zum Thema:

Eigene Artikel:

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