[Mollath] Ein angeblich „neues“ altes Attest soll nun alles ändern?

Hinweis (21.7.2013):
Herr Strate hat in seiner Dokumentenauflistung die „neue“ Verfügung des OStA Meindl veröffenlicht („Verfügung der Staatsanwaltschaft Regensburg vom 16.7.2013“). In dieser Dementiert Herr OStA Meindl seine eigenen Angaben, weswegen ich zu diesem Thema folgendes Update geschrieben habe: !!! UPDATE !!! [Mollath] Die Atteste oder die Frage nach “unecht”, “gefälscht” oder “echt”.
Um die Artikel um die beiden Atteste herum bewerten zu können, sollte deswegen dieser Artikel vor den Artikeln „[Mollath] Ein angeblich “neues” altes Attest soll nun alles ändern?“ und dem Folgeartikel „[Mollath] Die Atteste oder die Frage nach “unecht”, “gefälscht” oder “echt”“ gelesen werden.

Wenn es nicht so traurig wäre, könnte man lachen.
Da tituliert der „Nordbayerischer Kurier“ am 11.7.2013 einen Artikel von „Otto Lapp“ wie folgt: Fall Mollath: Grund der Wiederaufnahme wackelt

Wer sich nun die Mühe gemacht hat, die 30 Cent für den Artikel zu bezahlen, der erhält einen kurzen Bericht, in dem über ein angeblich neues Attest berichtet wird und noch ein wenig mehr.
Leider wird in den anderen Berichten das Perfide des Artikels nicht mit übertragen, sondern nur die oberflächliche Agumentation.

Herr Lapp schreibt dort, dass der Kurier „bei seinen Recherchen das Original dieses Attestes aufgetrieben“ habe.
Dies ist ja schon mal inhaltlich Falsch. Wenn überhaupt hat der Kurier ein „Original-Attest“ aufgetrieben. Auch das dem Urteil vom 8.8.06 zugrunde liegende Attest ist ein „Original“.
Über das dem Urteil zugrunde liegende Attest schreibt man:
Dieses Attest gilt – bisher – als sogenanntes unechtes Dokument

Auch dies ist Inhaltlich falsch. Das angeblich nun neu aufgetauchte „alte“ Attest macht ein „unechtes Dokument“ nicht zu einem „bisher unechtes Dokument“. Es bleibt auch weiter ein unechtes Dokument! Und eben dieses und nicht das angeblich neu aufgetauchte „alte“ Attest war Grundlage des Urteils. Dieses angeblich neu Aufgetauchte „alte“ Attest ist im Bezug auf das Urteil, wenn überhaupt eine neue Tatsache und kann in einem Wiederaufnahmeverfahren dann seine Berücksichtigung finden.

Derzeit ist aber nur das Interessant, worauf sich das Urteil vom 8.8.2006 beruft und dort heißt es auf der Seite 17 wörtlich:

Zudem wird ihre Schilderung von Fall1 durch ein ärztliches Attest von Dr. Madeleine Reichel, Äußere Bayreutherstr. 1903 Nürnberg vom 3.6.2002 bestätigt, das gemäß § 256 Abs. 1 Ziff. 2 StPO verlesen wurde.

(Quelle: Das „Urteil“ vom 8.8.2006 erstellt von Herrn Brixner; Seite 17)

Anmerkung:
Mit „ihre“ ist die damalige Frau Petra Mollath gemeint und bei dem „Fall1“ handelt es sich um die angebliche Misshandlung, die das damals eingereichte Attest angeblich belegt hat.

Laut dem Gericht wurde das Attest als ein Dokument von „Dr. Madeleine Reichel“ als angesehen. Also ist dieses Attest auf jeden Fall ein „unechtes Dokument“. Auch hätte die damalige Frau Mollath die Möglichkeit gehabt diesen Irrtum zu berichtigen, da lt. Urteil das Attest ja verlesen wurde. Gerade da sie als Nebenklägerin selbst vor Ort war und zusätzlich einen Rechtsbeistand für die Nebenklage (lt. Urteil vom 8.8.2006: „Rechtsanwalt Horn als Vertreter der Nebenklage“) ist es doch sehr merkwürdig, das die damalige Frau Müller (eham. Mollath, heute Maske) nicht nur dieses Attest ohne diesen Hinweis abgegeben hat, sondern auch noch zugelassen hat das dieses Dokument als von Frau „Dr. Madeleine Reichel“ stammend verlesen wurde und so in die Akten kam.

Dazu führt die StA Regensburg in Ihrem Wiederaufnahmeantrag folgendes zum Hergang auf:

Die Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens

zugunsten des Verurteilten ist zulässig, wenn eine in der Hauptverhandlung zu seinen

Ungunsten als echt vorgebrachte Urkunde unecht oder verfälscht war (§ 359 Nr. 1 StPO).

Dies ist vorliegend der Fall:

Das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 08.08.2006 sieht aufgrund der

durchgeführten Hauptverhandlung den unter Ziff. IV. 1. festgestellten Sachverhalt als

erwiesen an und würdigt ihn als gefährliche Körperverletzung.

Seine Überzeugung von diesem Tatgeschehen gewinnt die Kammer aufgrund der

uneidlichen Aussage der geschiedenen Ehefrau des Angeklagten, der Zeugin Petra Müller

(geschiedene Mollath, jetzt verheiratete Maske; hier im Folgenden als Petra M. bezeichnet)

und dem gern, § 256 StPO verlesenen Attest mit Datum 03.06.2002.

[…] (Anm.: Hier kommt nun der Teil des Urteils, den ich zum Teil bereits oben zitiert habe)
Das Protokoll über die öffentliche Sitzung der 7. Strafkammer bei dem Landgericht
Nürnberg-Fürth
am 08.08.2006
enthält
dazu
folgende Ausführungen
(BI. 474/475 d. Strafakten):

„Nach Feststellung des Vorsitzenden erschien nunmehr die Nebenklägerin und Zeugin Petra MülIer.
Die Nebenklägerin und Zeugin Müller wurde gern. §§ 57, 69 StPO, ‚153, 154 und 163 StGB belehrt und darauf hingewiesen, dass sich die Wahrheitspflicht und der Eid auch auf die Beantwortung von

Fragen über die Person erstrecken.

Die Nebenklägerin und Zeugin Müller wurde wie folgt zur Person vernommen:


Die Nebenklägerin und Zeugin Müller wurde über ihr Zeugnisverweigerungsrecht belehrt.

Die Nebenklägerin und Zeugin Müller erklärte sich aussagebereit
.
Die Nebenklägerin und Zeugin Müller wurde zur Sache vernommen :



Die Nebenklägerin und Zeugin Müller wurde weiter zur Sache vernommen. .

Der Vorsitzende gab bekannt, dass beabsichtigt sei gem. § 256 StPO das arztliche Attest der Frau Dr. med. Madeleine Reichel vom 03.06.2002 (BI. 13 d.A.) zu verlesen:

Einwendungen wurden nicht erhoben.

verfügt und verkündet

Gemäß § 256 StPO ist das ärztliche Attest der Frau Dr. med. Madeleine Reichel vom 03.06.2002 (BI.
13 d. A.) zu verlesen.

Die Verfügung wurde ausgeführt.

Die Nebenklägerin und Zeugin Müller wurde weiter zur Sache vernommen.

(Quelle: Wiederaufnahmeantrag der StA Regensburg vom 18.3.2013, Seiten 202/203, bzw PDF-Seiten 40/41 der Veröffentlichung auf der Dokumentationsseite von Herrn Strate: „Wiederaufnahmeantrag der Staatsanwaltschaft i.S. Gustl Mollath vom 18.3.2013“ [PDF 94 MB])

Hier wird also nochmals deutlich gemacht, dass die „Nebenklägerin und Zeugin“ über ihre „Wahrheitspflicht“ belehrt wurde. Trotzdem hat sie, als diejenige, die angeblich Untersucht worden ist verschwiegen, das weder die Untersuchung, noch das Attest, das durch die „Nebenklägerin und Zeugin“ (bzw. Ihrem Anwalt?) an das Gericht übergeben wurde eben nicht in „Wahrheit“ von der im Urteil erwähnten Frau Dr. med. Madeleine Reichel stammte, sondern von Ihrem Sohn. Das Frau Müller bei der Verlesung des Attestes anwesend war, wird zumindest im Urteil behauptet. Und bisher hatte es die „Nebenklägerin und Zeugin“ nicht bestritten.

So ist dann auch die weitere Feststellung der StA Regensburg im Wiederaufnahmeantrag wie folgt zu diesem einen Punkt:

Dieses gem. § 256 StPO verlesene und in seinem Inhalt der richterlichen Überzeugungsbildung maßgeblich zugrunde gelegte ärztliche Attest war jedoch unecht, da es nicht von der darin als Urheberin bezeichneten Frau Dr. mad. Madeleine Reichel herrührte, sie nicht Ausstellerin dieses Attests war.

(Quelle: Wiederaufnahmeantrag der StA Regensburg vom 18.3.2013, Seiten 203/204, bzw PDF-Seiten 41/42 der Veröffentlichung auf der Dokumentationsseite von Herrn Strate: „Wiederaufnahmeantrag der Staatsanwaltschaft i.S. Gustl Mollath vom 18.3.2013“ [PDF 94 MB])

An dieser Tatsache hat sich auch nichts durch dieses „neue“ alte Attest etwas geändert. Auch wenn dies Herr Lapp vom Nordbayerischen Kurier den Lesern schon mit diesem netten, aber falschen Titel „Grund der Wiederaufnahme wackelt“ weiß machen will.
Im Gegenteil, ein „echtes neues altes“ Attest belegt gerade diesen Wiederaufnahmegrund. Schließlich wurde die mögliche Qualität und Geriçhtsfestigkeit des Attestes nicht hinterfragt, weil es angeblich von einer langjährig erfahrenen Allgemeinmedizinerin stammen sollte. Ob Ihr Sohn, damals noch in der Ausbildung („Weiterbildungsassistent“) -der die Untersuchung angeblich durchgeführt haben will- überhaupt fähig war, eine solche Diagnose zu stellen wurde dadurch nie hinterfragt und für das Urteil gewürdigt.

Anmerkung:
Dabei gibt es noch viele weitere Fragen, die auftauchen. Z.B. die Rolle der „guten Freundin“, die die Sprechstundengehilfin in der Arztpraxis war (und nach Meldungen immer noch ist). Auch, warum die Ärztin als vermeindliche Attestausstellerin nicht als Zeuge aussagen musste.
Aber ich konzentriere mich hier nur auf dieses angeblich „neue alte Attest“ und die Wirkung auf den Wiederaufnahmeantrag aus Sicht eines juristischen Laien.

Angeblich soll in dem beim Urteil vorgelegten Attest auch die Unterschrift ein „i.V.“ haben das nur bisher von den „Ermittlern“ als ein Teil des „Namensschriftzuges interpretiert“ wurde. So jedenfalls Herr Lapp in seinem hier behandelten Artikel im Nordbayerischen Kurier.

Anmerkung:
Ich habe diesen Text schon früher angefangen und musste ihn -wegen meiner anderen Verpflichtungen (ich kann mich nicht weigern zu Arbeiten, weil ich nicht Schreibmaschine schreiben will 😉 )- unterbrechen. Inzwischen hat Herr Strate sowohl die Dokumente über die Übermittlung des „neuen alten Attest“, wie auch eine vorläufige Stellungsnahme veröffentlicht. Auf diese werde ich nun im folgenden bei der Bewertung des Artikels und den Folgen des Wiederaufnahmeantrages mit heran ziehen

Wörtlich heißt es in dem Artikel bei Herrn Lapp:

Denn der Arzt, der in Vertretung, „i. V.“, unterschrieben hat, war der Sohn der Ärztin, der die Praxis gehörte und deren Stempel das Attest trägt. Allerdings verschwimmt dieses „i. V.“ mit dem Namenszug des Arztes. Es war also nicht klar, welcher Arzt Petra M. untersucht hatte und das Dokument unterschrieben hatte. Auch die Ermittler hatten das „i. V.“ bisher als Teil des Namensschriftzugs interpretiert.

(Quelle: Nordbayerischer Kurier – „Fall Mollath: Grund der Wiederaufnahme wackelt“)

Liest man nun die Mitteilung der StA Regensburg, die angeblich durch den Artikel auf dieses Neue alte Attest aufmerksam wurden:

An dem Attest vom 14.08.2001, seine Echtheit unterstellt, fällt auf, dass dort mit .i. V. ~ unterzeichnet wurde. Das Namensschriftbild deckt sich augenscheinlich mit der Unterschrift des Herrn Markus Reichel, die er anlässlich seiner Vernehmung durch die Staatsanwaltschaft Regensburg geleistet hat. Bei einem Vergleich des Attests mit der im gerichtlichen Verfahren verwendeten „Zweitausfertigung“ mit Datum 03.06.2002 erkennt man, dass auch diese „Zweitausfertigung“ einen .i. V. Vermerk trägt, der aber wesentlich schwerer zu erkennen ist und den ich bisher als Teil des Namensschriftzugs interpretiert habe.

(Quelle: Zuschrift LG Regensburg 12.7.2013 über Dokumente der Webseite des Anwaltes Strate [PDF 2,4 MB])

dann fragt man sich, was man damit sagen will. Vor allem, da man dem Gericht auch noch dieses mit auf den Weg gibt:

Ein solcher Hinweis auf eine Stellvertretung kann für die Frage, ob die im gerichtlichen Verfahren verwendete „Zweitausfertigung“ im Rechtssinne unecht oder verfälscht war, von Bedeutung sein. Ich meine, dass das Gericht auf diesen Aspekt hinzuweisen ist, verbunden mit einer Erläuterung, wie das Attest vom 14.08.2001 zur Staatsanwaltschaft gelangt ist.

(Quelle: Zuschrift LG Regensburg 12.7.2013 über Dokumente der Webseite des Anwaltes Strate [PDF 2,4 MB])

Hier will man also unabhängig davon, das dieses Attest vom damals Urteilendem Gericht als ein Attest der Frau Dr. med. Madeleine Reichel im Beisein der Zeugin und angeblichem Opfer verlesen und zu den Akten gelegt wurde, nachträglich als ein eventuelles „echtes Dokument“ hinstellen. Sonst bräuchte es diesen Hinweis der Generalstaatsanwaltschaft (namentlich „gez. Nerlich“) gegenüber dem Landesgericht nicht. Es hätte eine rein sachliche Mitteilung gereicht, das man inzw. vermutet, dass das dem Urteil vom 8.8.2006 vorliegende Attest auch die Kennzeichnung „i.V.“ habe.

Dieser (man könnte es als „dezent Umschrieben“ bezeichnen) Hinweis der Generalstaatsanwaltschaft, wie man nun das Dokument „Zweitanfertigung“ bewerten könne war wohl dem Oberstaatsanwalt Meindl doch zu viel, weshalb er in seinem Beischreiben sich vermutlich genötigt sah, den Vorgang wieder etwas gerade zu rücken:

Dass Sich auf diesem Attest ein i.V.“ – Vermerk befindet, dürfte für die anstehende Entscheidung ohne Bedeutung sein, da dieses Attest in der Hauptverhandlung vom 08.08.2006 nicht Verwendung gefunden hat.
Das in der Hauptverhandlung verwendete Attest (vom 03.06.2002) trägt allenfalls einen nicht eindeutig erkennbaren „i.V.-Vermerk“ so dass die tatsächliche Urheberschaft des verwendeten Attests ~ wie sich aus dem angefochtenen Urteil ergibt – nicht erkennbar war. Insbesondere lasst sich dem verwendeten Attest nicht entnehmen, dass es nicht von Frau Dr. med. Madeleine Reichel, sondem von deren Sohn, Markus Reichel herrührt, da ein i.V.“-Vermerk lediglich den Schluss zulassen würde, dass eine andere Person das Attest „in Vertretung“ unterschrieben hat, nicht aber dass diese Person das Attest auch aufgrund eigener Exploration erstellt hat.

(Quelle: Zuschrift LG Regensburg 12.7.2013 über Dokumente der Webseite des Anwaltes Strate [PDF 2,4 MB])

Dies deckt sich somit vom Inhaltlichen her in etwa dessen, was ich schon vorher in Unkenntnis dieses Schreibens auch versucht habe darzustellen. Das nämlich die Frage, ob dieses „Zweitausfertigung“-Attest nun tatsächlich irgendwie als „i.V.“ von dem Sohn erkennbar sein könnte ist unerheblich, weil es darum geht, wie dieses Dokument im Gerichtsverfahren verwendet wurde.

Wenn einem Gericht ein blaues Schild als rotes Schild vorgelegt wird. Dieses im Rahmen einer Zeugenbefragung als von der Zeugin vorgelegtes „rotes Schild“ vorgetragen wird und so in das Urteil übernommen wird, bleibt es trotzdem ein blaues Schild und ist ein unechtes rotes Schild. So sehe ich dies auch hier mit dem Attest. Es kann durchaus sein, dass man irgendwie nun mit dem jetzigen Wissen ein „i.V.“ und die Unterschrift des Sohnes erkennen kann, es bleibt aber trotzdem das im Urteil behauptete „rote Schild“ (sprich eine Urkunde der Mutter, die eine langjährig erfahrene Allgemeinmedizinerin ist und schon damals war).

Nun haben wir alle auch dank der Dokumente, die Herr Strate veröffentlicht hat die Möglichkeit, die beiden Atteste miteinander zu vergleichen. Da ist zum einen das „neue alte Attest“, das man in der Dokumentation über die „Zuschrift LG Regensburg 12.7.2013“ bei Herrn Strate (weiter oben verlinkt) einsehen kann (mit der Unterschrift) und dem Text des beim Urteil vorgelegten Attestes (leider ohne Unterschrift) bei dem „Wiederaufnahmeantrag der StA Regensburg vom 18.3.2013“, ebenfalls in der Dokumentation auf der Seite von Herrn Strate zu finden (und auch hier weiter Oben direkt verlinkt). Vergleicht man diese beiden Atteste, so fällt einem auf, das diese Wortwörtlich gleich sind. Auch die Gestaltung mit Absätzen und einer Freizeile zwischen Absatz 1 und 2, dem einfachen neuen Zeilenanfang zwischen dem Absatz 2 und 3 (ich benenne diese mal als Absatz) und der Freizeile zwischen dem Absatz 3 und 4.
Das verwundert mich nun doch. Dazu muss man nochmals auf den Wiederaufnahmeantrag der StA Regensburg zurück kommen. Dort heißt es zu dem Thema, wie der Attest vom 03.06.2002 (das dem Urteil vom 8.8.2006 zugrunde liegt und jetzt als „Zweitanfertigung“ bezeichnet wurde) angeblich zustande kam wie folgt:

Aufgrund dieser Tatsachen und eigener Rechercheergebnisse (vgl. BI. 35/36 d. WA-Akten) hat die Staatsanwaltschaft Regensburg den Sohn der Ärztin Dr. Madeleine Reichel, Herrn Markus Reichel am 14.12.2012 befragt. Dieser hat Folgendes angegeben (BI. 61 – 65 d. WA-Akten):

„Das Attest habe ich erstellt und unterschrieben. Ich habe es wahrscheinlich selbst in der EDV geschrieben und nicht diktiert. Ich habe diese Untersuchung selbst durchgeführt. Es war sonst niemand mit dabei. Ob dieses Attest bereits am 14.06.2001 erstellt wurde, kann ich nicht mit Bestimmtheit sagen. Wir hatten damals noch keine Praxisverwaltungs-EDV und arbeiteten noch mit Karteikarten. Sicher feststellbar ist jedenfalls, dass dieses Attest am 03.06.2002 ausgedruckt wurde. Der Grund hierfür ist mir nicht mehr erinnerlich. Aus der EDV ist nicht feststellbar, ob und wann dieses Attest erstmals in elektronischer Form erstellt wurde. Ich war am 12.08.2001 als approbierter Arzt in der Praxis meiner Mutter als Weiterbildungsassistent tätig. Später absolvierte ich erfolgreich die Facharztprüfung zum Facharzt für Allgemeinmedizin (April 2002). Am 14.06.2001 hatte. Ich selbst noch keine Kassenzulassung. Das Attest mit dem Datum 03.06.2002 wurde ganz aus der EDV ausgedruckt, mit dem darauf sichtbaren Stempelaufdruck versehen und von mir persönlich unterschrieben. Frau Mollath war hier in der Praxis immer meine Patientin. Deshalb stimmt es, das meine Mutter mit dem Namen Mollath nichts anzufangen wusste, als sie der Presse Auskunft gab.“

(Quelle: Wiederaufnahmeantrag der StA Regensburg vom 18.3.2013, Seiten 204, bzw PDF-Seiten 42 der Veröffentlichung auf der Dokumentationsseite von Herrn Strate: „Wiederaufnahmeantrag der Staatsanwaltschaft i.S. Gustl Mollath vom 18.3.2013“ [PDF 94 MB])

Der StA scheint dann nach Durchsicht der Zeugenaussage klar gewesen zu sein, das der Sohn der Ärztin da etwas widersprüchlich ausgesagt hat. Zum einen gibt er am Anfang der Zeugenvernehmung an, das er das Schreiben (gemeint ist das Attest, das nun als „Zweitanfertigung“ bezeichnet wird) selbst erstellt und unterschrieben habe. Schon im zweiten Satz heißt es dann „nur noch“, das er „es wahrscheinlich selbst in der EDV geschrieben und nicht diktiert“ habe. Was denn nun? Später heißt es dann noch seltsamer „Ob dieses Attest bereits am 14.06.2001 erstellt wurde, kann ich nicht mit Bestimmtheit sagen“. Nun heißt es nur noch „erstellt wurde“, nichts mehr von wegen das der (bei der angeblichen Untersuchung) angehende Arzt es selbst erstellt habe oder zumindest „wahrscheinlich“ selbst erstellt habe.
Deswegen wurde die Zeugenaussage nach einer weiteren Befragung einen Monat später wie folgt ergänzt:

.Am 14.08.2001 haben wir In der Praxis noch mit Karteikarten gearbeitet. Erhobene Befunde wurden handschriftlich auf diesen Patientenkarteikarten vermerkt. Wir hatten damals aber bereits einen Computer, den wir „als Schreibmaschine“ nutzten. Zum damaligen Zeitpunkt (14.08.2001) haben wir natürlich für Patienten auch Atteste ausgestellt. Diese Atteste wurden entweder von mir mit dem Computer geschrieben oder ich habe sie diktiert und sie wurden dann anschließend von einer Praxishelferin mit dem Computer oder auf einer Schreibmaschine geschrieben. Es kann also durchaus sein, dass ich das fragliche Attest bereits am 14.08.2001 mit dem Computer geschrieben oder diktiert habe und es schreiben lassen habe. Angesprochen auf das Ausstellungsdatum des Attests kann ich nur ergänzend angeben, dass es möglich ist, dass dieses Attest noch ein weiteres Mal ausgedruckt wurde, nachdem es bereits erstellt worden war. Entweder habe ich beim Ausdruck dieses Attests das Datum „03.06.2002“ selbst eingegeben, oder das Datum wurde von der Software beim Aufruf des Dokuments selbstständig generiert. Rein theoretisch besteht natürlich die Möglichkeit, die ich letztendlich nicht ausschließen kann, dass das Attest tatsächlich erst am 03.06.2002 aufgrund der Karteikartendokumentation erstellt und ausgedruckt wurde. Das halte ich aber für unwahrscheinlich, weil es Inhaltlich doch sehr ausführlieh ist und ich in der Regel auf den Karteikarten nicht so ausführliche Feststellungen dokumentiere.

(Quelle: Wiederaufnahmeantrag der StA Regensburg vom 18.3.2013, Seiten 204, bzw PDF-Seiten 42 der Veröffentlichung auf der Dokumentationsseite von Herrn Strate: „Wiederaufnahmeantrag der Staatsanwaltschaft i.S. Gustl Mollath vom 18.3.2013“ [PDF 94 MB])

Man wird das Gefühl nicht los, dass der „zeuge“ hier in der zweiten Befragung einen 180°-Schwenk macht. Nun ist gar nichts mehr sicher. Weder, das er den Text selbst geschrieben hat, noch wann der Text geschrieben wurde oder wie viele Atteste ausgestellt wurden. Da sich der damals beim Attest angehende Arzt nicht mal daran erinnern kann wie er das Attest erstellt hat und nur auf Grund des Umfangs „Vermutungen“ anstellt, ist die Frage und die Analyse von Herrn Strate über die vielleicht tatsächliche Urheberschaft des Attestes schon spannend. Er stellt in seinem Schreiben „Schriftsatz vom 20.6.2013 zum Beweiswert des auf den 3.6.2002 datierenden Attests“ eine interessante Schreibstilanalyse des Attestes vom 3.6.2002 auf. Da sich dies beiden Atteste auf jeden gedruckten Buchstaben gleichen, gilt dies natürlich ebenso auch für das „neue alte Attest“. Ich habe bewusst „gedruckten Buchstaben“ geschrieben, weil in dem „neuen alten Atest“ im letzten Satz das Merkwürdige:
„die Schilderungen er Patientin sind durchweg glaubhaft“
mit einem handschriftlichen einfügen eines „d“ in
„die Schilderungen der Patientin sind durchweg glaubhaft“
geändert wurde.

Ob nun diese beiden Atteste tatsächlich aus dem selben EDV-Brief stammen und das Programm das Datum automatisch aktualisiert habe, ist eine Frage, die ein neues Verfahren in einer vorurteilsfreien Untersuchung ermitteln muss. Ebenso, ob es sehr wahrscheinlich ist, das man in einem solchen Attest eine Fehler handschriftlich ändert und es sich nicht nochmal korrigiert ausdrucken lässt und vor allem mit dem selben Fehler ein Dreivierteljahr später nochmals so unterschreibt. ebenso ist zu hinterfragen, ob ein einfacher Computer (der als „Schreibmaschine“ benutzt wurde) dann bei der „Zweitanfertigung“ auch automatisch die Formatierung und den Briefkopf selbstständig ändert.
Auch interessant ist es allgemeine Schreiben der Arztpraxis (bevorzugt Atteste) aus dem Monat 8.2001 mit entsprechenden Schreiben aus dem Monat 6.2002 zu vergleichen. Ob sich in dieser Zeit in den Dokumenten tatsächlich der Briefkopf wie in den beiden vorliegenden Attesten geändert hat und ob dies in einem Attest-Dokument auch seine Wirkung zeigt? Das halte ich bei einer Arztpraxis, die einen Computer als „Schreibmaschine“ einsetzt eher für unwahrscheinlich. (Auf Grund dessen, das ich die Niederschrift des Wiederaufnahmeantrages für meine Beurteilung heran gezogen habe ist mir hier ein Fehler unterlaufen. Siehe auch die Kommentare hier: „Heinz sagt:“ und hier: „Meine Antwort“)

Mein Fazit daraus ist, das sich für die Wiederaufnahme nichts geändert hat. Im Gegenteil beweist das angebliche „neue alte Attest“ nur die Behauptungen des Wiederaufnahmeantrages. Es stellt fest, dass das Attest („Zweitausstellung“ = „blaues Schild“), das vor Gericht vorgelegt wurde, eben nicht von der Ärztin Frau Dr. med. Madeleine Reichel (= rotes Schild) stammt, sondern auch weiterhin von dem Sohn stammt (= ein blaues Schild bleibt). Diese „Aufdeckung“ erzwingt eher die Frage, welche Rolle die Arztpraxis mit den damaligen und heutigen Beteiligten letztendlich gespielt hat.

Ich bin kein Verschwörungstheoretiker. Deswegen kann ich mir da ganz einfache menschliche Faktoren ausmalen. Diese haben keinerlei Anspruch auf Richtigkeit und Wahrheitsgehalt.
Es kann durchaus sein, dass die damalige Frau Mollath untersucht wurde. Der damalige Medizinneuling hat dann die Befunde, die er meinte gesehen zu haben aufgenommen. Interessant wäre hier die ominöse „Karteikarte“ mit den Befunden. Weiter wird, von wem auch immer ein Attest erstellt. Dieses Unterschreibt dann der angehende Arzt. Da man hier deutlich das „i.V.“ sieht, ist es für Frau Mollath eher wertlos. Also wird das Attest zu einem Späteren Zeitpunkt nochmals angefordert. Diesmal stimmt die Unterschrift. Es ist nicht erkennbar, wer und das es angeblich „i.V.“ unterzeichnet ist. So kann dann Frau Mollath das Attest später als „glaubwürdiges Beweismittel“ vorlegen, in dem sie es als ein Attest von Frau Dr. med. Madeleine Reichel interpretieren lässt oder sogar selbst als ein solches bezeichnet.

Andere Versionen sind auch möglich. So, das sich der Arztsohn mit seinem Attest (das sogenannte „Zweitausfertigung“) und der Aussage vor der Staatsanwaltschaft schon so weit in die Nesseln gesetzt hat, das er nun versucht, seinen eigenen Arsch mit dieser Aktion zu retten.
Das ist eine Version, an die ich selbst nicht glaube, die aber in den verschiedenen Kommentaren immer wieder durchscheint, wenn man über die mögliche Feststellung des Alters dieses „neuen alten Attestes“ schreibt.
Trotzdem könnten die Beteiligten tatsächlich so dummdreist sein (bisher hat es ja auch geklappt), was ich ja in meiner Irritation zu der Gestaltung der beiden Atteste auch zum Ausdruck gebracht habe.

Eine andere Version ist, dass der damalige angehende Arzt von Frau Mollath und der Bekannten die bereits als Belastungszeugin im Fall der angeblichen Freiheitsberaubung fungierte einfach über den Tisch gezogen wurde. Also ein Attest untergejubelt bekam, an dessen Entstehung er sich 10 Jahre später nicht mehr erinnert (was durchaus verständlich wäre) und sich auf Grund der vorhandenen Unterlagen sein eigenes Bild des Zustandekommens bildet. Was auch die (meiner Meinung nach) krassen Widersprüche in seiner Aussage erklären würden. Aber da wäre es doch menschlicher gewesen, wenn er seine Unterschrift bestätigt und ansonsten ehrlich aussagt, das er keine Erinnerung mehr an den Vorgang habe.

Wie man es dreht und wendet, es bleibt merkwürdig, aber es befördert eher den Zwang einer wiederaufnehme, als das dieser auf Grund dieser Merkwürdigkeiten wackelt.
Um nicht mit den obigen wilden Spekulationen zu enden hier noch einen Absatz aus dem Wiederaufnahmeantrag der StA Regensburg:

In den Fällen des § 359 Nr. 1 StPO gilt der sachlich-rechtliche Urkundenbegriff des § 267 StGB (vgl. LR-Gössel § 3591.13ff,). Ob eine Urkunde im Sinne des § 359 Nr. 1 StPO unecht oder verfälscht ist, ist nach den Maßstäben des materiellen Rechts, also denen des § 267 StGB zu beurteilen. Danach ist eine Urkunde dann unecht, wenn sie in ihrer gegenwärtigen Gestalt nicht von dem in ihr angegebenen Aussteller herrührt, wenn der aus ihr ersichtliche Aussteller mit dem tatsächlichen Hersteller nicht identisch ist.

(Quelle: Wiederaufnahmeantrag der StA Regensburg vom 18.3.2013, Seite 205, bzw PDF-Seite 43 der Veröffentlichung auf der Dokumentationsseite von Herrn Strate: „Wiederaufnahmeantrag der Staatsanwaltschaft i.S. Gustl Mollath vom 18.3.2013“ [PDF 94 MB])

Im § 359 Nr. 1 der StPO heißt es:

Die Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens zugunsten des Verurteilten ist zulässig,

1. wenn eine in der Hauptverhandlung zu seinen Ungunsten als echt vorgebrachte Urkunde unecht oder verfälscht war;

Im § 267 des StGB heißt es:

§ 267 Urkundenfälschung
(1) Wer zur Täuschung im Rechtsverkehr eine unechte Urkunde herstellt, eine echte Urkunde verfälscht oder eine unechte oder verfälschte Urkunde gebraucht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Der Versuch ist strafbar.
(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter
1. gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung von Betrug oder Urkundenfälschung verbunden hat,
2. einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeiführt,
3. durch eine große Zahl von unechten oder verfälschten Urkunden die Sicherheit des Rechtsverkehrs erheblich gefährdet oder
4. seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger mißbraucht.
(4) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer die Urkundenfälschung als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach den §§ 263 bis 264 oder 267 bis 269 verbunden hat, gewerbsmäßig begeht.

Die Frage ist, ob mit dem verschweigen des tatsächlichen Ausstellers Frau Mollath -die zu dem Zeitpunkt der Attestverlesung als Zeugin über Ihre Wahrheitspflicht informiert worden war- nicht bereits eine „unechte Urkunde“ hergestellt hat (aktiv, durch das verschweigen des tatsächlichen Ausstellers).

Mit diesem rechtlichen Gedanken möchte ich hier nun enden.

Nachtrag!
Doch nicht das Ende. Durch mein Schreiben und herumwälzen (und lesen) der verschiedenen Dokumente -die zum Teil von bescheidener Qualität sind- habe ich die aktuelle Entwicklung im Netz verpasst. So wurde gestern im „opablog“ unter dem Titel „Die manipulierende Frau“ auf die nun fast täglich neuen Enthüllungen des Dreamteams um Petra Maske (ehemalig Mollath, geb. Müller) eingegangen. Besonders nett ist da dann der Link zu einem kurzen Kommentar von Herrn Strate auf dem Blog von Gabriele Wolff, in dem er zu dieser Enthüllung des Attestes nur kurz schreibt:

Ich lese wieder mit. Keine Sorge: die Vorlage des neuen Attests wird für die Gegenseite ein Schuss in den Ofen! Keine Sorge!

(Quelle: Gabriele Wolff: Der Fall Mollath: Das Endspiel? [Kommentar])
Das könnte ich schon fast als Bestätigung meiner Vermutungen ansehen. Dazu vielleicht doch noch den Hinweis auf das Schreiben zu dem „neuen alten Attest“ von Herrn Strate: „Stellungnahme der Verteidigung vom 12.7.2013“.
Dort stellt Herr Strate einige interessante Fragen im Zusammenhang mit dem auftauchen des Attests.

Links:

Aus dem Artikel in der Reihenfolge der ersten Erwähnung:

Eigene Artikel zum Thema Mollath

Weitergehende Infos zum Thema Mollath:

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