Verdachtsunabhängige Speicherung, Datenschutz, Persönlichkeitsrecht und die Bürgerrechtler

Das Bundesverfassungsgericht hat am 2. März 2010 den deutschen Politikern ihre Bestimmungen zur Verdachtsunabhängigen Massenspeicherung, die § 113a und § 113b des TKG um die Ohren gehauen.
Schon bei meiner Vorankündigung zur Urteilsverkündung habe ich meine Bedenken über den Erfolg eines guten Urteils bei den Köpfen der Politiker gewarnt:

Mein Eindruck ist eher dieser, dass sowohl die EU, wie auch die Mitgliedstaaten interessiert auf das Urteil warten, um dann zu wissen, in wie weit sie Ihre Regelungen anpassen müssen, um so wenig in Richtung der Bürgerrechte und dessen freie Entscheidung, was mit unserer Privatsphäre passiert zu ändern.
Man mag mich einen Pessimisten nennen, aber sowohl die Politiker der EU, wie auch der Bundesrepublik Deutschland hatten nun wahrlich genügend Zeit, Ihre Maßnahmen zu überdenken.
Statt das dies erfolgte, wurde intensiv daran gearbeitet, einfach Tatsachen zu schaffen.

(Quelle: Bundesverfassungsgericht: “Grundsatzurteil zu der Massenspeicherung” für Dienstag angekündigt | EU will Pflicht zur Datenspeicherung prüfen)
Nun, kaum war das Urteil gesprochen, schon plärrten die ersten CDU-Politiker von einer Sicherheitslücke.
Frei nach dem Motto:
Was Politikerchen nicht lernt, lernt Politiker nimmermehr
Es ist wie mit dem Hassprediger, der sich Außenminister schreit, diesem Stammtischparolenwerfer Westerwelle. Es ist egal, was Fachleute und Untersuchungen beweisen, wenn man seine Argumente nur Blödzeitungsgerecht formuliert, dann erlangt dies Gültigkeit.
Nun sind wir also der Sammelpool der Internetkriminellen?
Als ob die schon täglichen Warnungen vor Abzockern im Internet nicht schon längst beweisen, dass die deutschen Politiker bei der Internetkriminalität versagt haben. Eine Kommunikation über elektronische Kommunikationsmittel mit kriminellem Inhalt zu verhindern, hat die Datenspeicherung auch nicht verhindert und wird diese auch nicht verhindern.
Also ist die Frage, warum die Politiker und auch die Vertreter der Kriminalpolizei so nach der Verdachtsunabhängige Datenspeicherung schreien?
Für mich ist es klar, dass man hier versucht, den Bürger, dem man eigentlich „dienen“ sollte überwachen und beherrschen will.
An dieser Stelle möchte ich mal wieder einen Video-Stream von den Mitternachtsspitzen mit Schmickler verlinken (ich glaube, zum dritten Mal), in dem er über die Angst vor dem Wähler berichtet, oder wie er es sagt „Die Feigheit vor dem eigenen Volk“:

Es ist also nicht zu verwundern, dass die Bürgerrechtler nach dem Urteil des BVG sich nicht zur Erholung zurück lehnen können. Dies ist diesen leider nicht vergönnt.
Im Gegenteil, man muss mit neuer Energie und Aufrufe mit mindestens gleicher Energie weiter machen.

Nach lauten Rufen aus der Polizei und von CDU/CSU nach einem neuen Gesetz zur anlasslosen Protokollierung von Nutzerspuren hat der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung zu einer Gegenaktion aufgerufen. Der Zusammenschluss von Bürgerrechtlern, Datenschützern und Internetnutzern, der über 34.000 Menschen zum Gang nach Karlsruhe bewegen konnte, hat dazu eine Kampagnenseite eingerichtet. Dort können Gegner über eine „Meinungsmaschine“ offene Briefe an alle Bundestagsabgeordnete der schwarz-gelben Koalition unter anderem per E-Mail verschicken, um sich gegen die Wiedereinführung der vom Bundesverfassungsgericht gestoppten Vorratsdatenspeicherung und für eine Abschaffung der EU-Pflicht zur verdachtsunabhängigen Datensammlung einzusetzen. Darüber hinaus ist eine nach Postleitzahlen durchsuchbare Liste mit Telefonnummern der Abgeordneten verfügbar.

(Quelle: Heise Online „Bürgerrechtler starten Kampagne gegen neue Vorratsdatenspeicherung“)

Die Bürgerrechtler haben auf der Webseite „Stoppt die Vorratsdatenspeicherung“ eine Kampagne gegen die „Vorratsdatenspeicherung 2.0“ gestartet:

< b>Kampagne: Stoppt die Vorratsdatenspeicherung 2.0!

Kaum ist die unverhältnismäßige Vorratsspeicherung der Verbindungs- und Standortdaten der gesamten Bevölkerung vom Bundesverfassungsgericht für nichtig erklärt worden, droht sie aufgrund vehementer Forderungen aus den Reihen der CDU/CSU wieder eingeführt zu werden.

Deshalb ruft der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung alle freiheitsliebenden Bürger jetzt zur Hilfe auf

Quelle und Kampagne: Kampagne: Stoppt die Vorratsdatenspeicherung 2.0!

Passend zum Thema sind auch folgende Mitteilungen:

Datenschutzbeauftragter sieht immer größere Defizite
Angesichts der rasanten Ausweitung der Internet-Nutzung drohen laut dem rheinland-pfälzischen Datenschutzbeauftragten Edgar Wagner immer größere Defizite beim Schutz persönlicher Daten. Außerdem bereite die zunehmende Verbreitung von Überwachungstechniken Sorge, mahnte Wagner am Mittwoch in Mainz bei der Vorlage seines Tätigkeitsberichts für 2008 und 2009. Das Datenschutzbewusstsein von Nutzern wie Anbietern sei „nicht besonders ausgeprägt“. Wagner betonte: „Der Datenschutz ist Teil der Menschenwürde.“ Auch im Schulunterricht müsse dieses Thema noch mehr Raum einnehmen. Zudem mahnte er eine bessere Kontrolle der polizeilichen Datenabfragen an.

(Quelle und mehr: Heise Online „Datenschutzbeauftragter sieht immer größere Defizite“)

Wie auch die Ermahnung des Europäischen Gerichtshof (EuGH):

EuGH: „Völlige Unabhängigkeit“ der Datenschutzaufsicht zu gewährleisten [Update]

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat die Bundesrepublik Deutschland im Einklang mit einem Antrag der EU-Kommission für schuldig befunden, mit der in den Bundesländern vielfach gehandhabten Praxis der „staatlichen Aufsicht“ über Instanzen zur Datenschutzkontrolle gegen EU-Recht verstoßen zu haben. In dem am heutigen Dienstag verkündeten Urteil (Az. C-518/07) betont die Große Kammer, dass die EU-Datenschutzrichtlinie die „völlige Unabhängigkeit“ der Arbeit der zuständigen Kontrollstellen vorschreibe.
[…]
[Update: Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, Peter Schaar, sieht in dem Urteil eine deutliche Stärkung des Datenschutzes. Der EuGH habe klargestellt, dass jedes Risiko einer Einflussnahme auf die objektive und unabhängige Entscheidung der Datenschutzaufsichtsbehörden vermieden werden muss. In Schaars Stellungnahme heißt es weiter, auch wenn sich das Urteil direkt auf die Aufsichtsbehörden der Länder beziehe, müsse auch untersucht werden, welche weiteren Konsequenzen sich für die anderen Stellen ergeben, die über den Datenschutz wachen.]

(Quelle: Heise Online „EuGH: „Völlige Unabhängigkeit“ der Datenschutzaufsicht zu gewährleisten [Update]“)

Also zeigen wir Ihnen, dass wir nicht so Feige sind, wie die Politiker und uns gegen die Missachtung unserer Bürgerrechte wehren!

Links:

– Stoppt die Vorratsspeicherung: Kampagne: Stoppt die Vorratsdatenspeicherung 2.0!

– Heise Online: „Bürgerrechtler starten Kampagne gegen neue Vorratsdatenspeicherung“

– Heise Online: „Datenschutzbeauftragter sieht immer größere Defizite“

– Heise Online: „EuGH: „Völlige Unabhängigkeit“ der Datenschutzaufsicht zu gewährleisten [Update]“

Eigene Artikel:

TKÜ in Köln, was ist denn das? (TKÜ = Telekommunikationsüberwachung oder auf deutsch die “Stasi 2.0″-Traumerfüllung)

“Die Feigheit vor dem eigenen Volk” (Wilfried Schmickler, in seinem Wahlaufruf)

[UPDATE zu: „Du bist Terrorist“] Neues Werk: “Rette Deine Freiheit”

Ist das Kind erst einmal in den Brunnen gefallen oder wie die SPD Ihr “Gewissen” wiederentdeckt. Nein zum Gesetz für Internetsperren

Bundesverfassungsgericht: “Grundsatzurteil zu der Massenspeicherung” für Dienstag angekündigt | EU will Pflicht zur Datenspeicherung prüfen

Bundsverfassungsgericht kippt derzeitige Regelung zur Vorratsdatenspeicherung mit sofortiger Wirkung

[Update] “Bundesinnenminister Thomas de Maizière” nun unterwegs als “Stasi 2.0.1″? – Bundsverfassungsgericht kippt derzeitige Regelung zur Vorratsdatenspeicherung mit sofortiger Wirkung

Dieser Beitrag wurde unter Aktuelles, Datenschutz, Gesellschaft, Information, Internet, Politik, Recht, Verbraucherschutz abgelegt und mit , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.