Castortransport 2011 – Wenn Verfassungsbrecher die Bevölkerung verarschen wollen

Heute hat man in vielen Zeitungen und Magazinen folgenden Absatz gelesen:

Der laufende Transport ist der letzte mit hoch radioaktiven Abfällen aus der Wiederaufarbeitung deutscher Brennelemente in Frankreich Richtung Gorleben. Bundesregierung und Energieversorger hatten sich bereits vor Jahren darauf verständigt, vom 1. Juli 2005 an keine abgebrannten Brennelemente wieder aufarbeiten zu lassen. Die Bundesrepublik ist jedoch verpflichtet, den bereits früher ins Ausland transportierten Atommüll zurückzunehmen.

(Quelle: dpa über verschiedenste Zeitungsmeldungen)

Was hier (vielleicht bewußt) von der dpa nicht weiter gegeben wird ist, dass es nicht defr „letzte“ Castortransport ist. Nach einer kurzen Pause werden dann die Castoren aus dem britischen Sellafield nach Deutschland kommen.
Und man hat sich bis her immer noch nicht darum gekümmert, das weitere Castoren wirklich sicher gelagert werden.
Bezeichnenderweise wurde nun Greenpeace selbst die Teileinsicht in die umstrittenen Messergebnisse zum Lager Gorleben verweigert.

Spannend dabei ist die Bergründung, warum man die Einsicht „vollumfänglich“ ablehnt:

Der Antrag auf Zugang zu diesen Informationen muss vollumfänglich abgelehnt werden, da er sich auf Informationen bezieht, deren Bekanntgeben nachteilige Auswirkungen auf bedeutsame Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit hätte, mithin den Ausnahmetatbestand des §3 Satz 2 NUIG i.V.m. §8 Abs. 1 UIG erfüllt.

(Quelle: Bescheid des „Niedersächsisches Ministerium für Umwelt und Klimaschutz“)

Auf gut deutsch, Die Castoren sind so unsicher gelagert, das diese nicht vor Anschlägen sicher sind.

Der Vollständigkeit halber:

§ 3
Anspruch auf Zugang zu Umweltinformationen, Verfahren

1 Jede Person hat, ohne ein Interesse darlegen zu müssen, nach Maßgabe dieses Gesetzes Anspruch auf Zugang zu Umweltinformationen, über die eine informationspflichtige Stelle verfügt. 2 Für den Zugang zu Umweltinformationen gelten § 3 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 und 3 sowie die §§ 4, 5, 8 und 9 UIG entsprechend.

(Quelle: Niedersächsiches Vorschrifteninformationsystem – „Satz 2“ hervorgehoben)

Man hat also ein Recht auf die Infos, natürlich, wie der Satz 2 deutlich macht nur rein theoretisch, weil, wie in der Ablehnung geschrieben:

§ 8 Schutz öffentlicher Belange
(1) Soweit das Bekanntgeben der Informationen nachteilige Auswirkungen hätte auf

1.
die internationalen Beziehungen, die Verteidigung oder bedeutsame Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit,
2.
die Vertraulichkeit der Beratungen von informationspflichtigen Stellen im Sinne des § 2 Abs. 1,
3.
die Durchführung eines laufenden Gerichtsverfahrens, den Anspruch einer Person auf ein faires Verfahren oder die Durchführung strafrechtlicher, ordnungswidrigkeitenrechtlicher oder disziplinarrechtlicher Ermittlungen oder
4.
den Zustand der Umwelt und ihrer Bestandteile im Sinne des § 2 Abs. 3 Nr. 1 oder Schutzgüter im Sinne des § 2 Abs. 3 Nr. 6,

ist der Antrag abzulehnen, es sei denn, das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe überwiegt. Der Zugang zu Umweltinformationen über Emissionen kann nicht unter Berufung auf die in den Nummern 2 und 4 genannten Gründe abgelehnt werden.

(Quelle: Gesetze im Internet)

Also, wie schon festgestellt, ist die Gefahr der öffentlichen Gefährdung angeblich so hoch, das man Infos über die tatsächlich vorhandene akute Gefährdung der Menschen nicht preis gibt.

Zwischenlager Gorleben nicht terrorsicher
Umweltministerium entzieht Greenpeace Teilgenehmigung zur Akteneinsicht und verweist auf Anschlagsgefahr
Das niedersächsische Umweltministerium (NMU) hat Greenpeace eine zuvor erteilte Teilgenehmigung zur Akteneinsicht bezüglich der umstrittenen Messwerte am Zwischenlager Gorleben wieder entzogen. Das NMU beruft sich dabei auf „neuere Erkenntnisse über Tatmittel und Täterverhalten“, die im Falle eines Anschlags zur „Freisetzung von großen Mengen radioaktiver Stoffe“ führen könnten. Aus dem ablehnenden Bescheid geht hervor, dass das Zwischenlager dringend bauliche Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz vor Anschlägen benötigt. Diese wurden noch nicht umgesetzt.““

(Quelle: Greenpeace – Zwischenlager Gorleben nicht terrorsicher)

Und wahrlich ist nicht nur das Lager eine gefährliche Bombe durch terroristische Anschläge, sondern auch einfach nur durch das vorhanden sein des Lagers.
Das die Messungen sowieso mit größter vorsicht zu genießen sind, sagt auch der „Wissenschaftliche Dienst des Bundestages“:

Nach Informationen der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung heißt es in einem internen Vermerk der Gesellschaft für Reaktorsicherheit, die Messungen der Gamma-Strahlung auf dem Gelände des Transportbehälterlagers seien mit hohen Unsicherheiten verbunden. Diese würden vom niedersächsischen Umweltministerium Zitat „relativ unwissenschaftlich“ behandelt. Ins gleiche Horn stößt der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages. Die Grünen hatte dort eine Beurteilung der umstrittenen Strahlenmessungen am Zwischenlager Gorleben in Auftrag gegeben. Das Ergebnis der 23-seitigen Bewertung bestärkt die Kritik der Castor-Gegner. Stefan Wenzel, Fraktionsvorsitzender der Grünen im niedersächsischen Landtag:

„Die Auswertung der Landesregierung in Niedersachsen sei wenig überzeugend und unwissenschaftlich, so fehle etwa eine kritische Auseinandersetzung mit Unsicherheiten und Fehlergrenzen.“

(Quelle: Deutschlandfunk – Rückenwind für Gegner des Castor-Transports)

Das bedeutet also, das die laut dem „wissenschaftlichen Dienst des Bundestages“ relativ unwissenschaftlichen Messungen noch so gefährlich sind, das man dem Volk ihr guten Recht der auf Information vorenthält. Und in diesem Gefahrenherd wird gerade wieder 11 weitere Behälter transportiert.

„Wir werden nicht nur von Verfassungsbrecher regiert, sondern auch von Politikern, denen das Leben Dritter am Arsch vorbei geht.

Update:

Gerade hat mich ein Freund auf einen Artikel in der Süddeutschen Zeitung hingewiesen. Auf diesen möchte ich hier aufmerksam machen:

Bundesverdienstkreuz für die Castor-Gegner!
Ein Kommentar von Thorsten Denkler

Der Atomausstieg ist beschlossene Sache, so wollen es Opposition und Regierung. Warum also noch gegen Castor-Transporte demonstrieren? Ganz einfach: Weil es notwendig ist. Wer die Demos für anachronistisch hält, der unterschätzt die Wendigkeit der Politik.
Vielleicht ist es an dieser Stelle einmal angebracht, danke zu sagen. Der Dank gebührt den Zigtausenden Demonstranten, die bald in der dritten Generation gegen Atomkraft auf die Straßen und Felder gehen. Sie lassen sich mit Tränengas besprühen oder von Wasserwerfern ummähen, werden von Polizeiknüppeln grün und blau geschlagen und harren auch bei Sturm, Frost und Regen aus – um letztlich doch zusehen zu müssen, wie die Castoren im Zwischenlager Gorleben ankommen.
[…]
Schon einmal war ein Atomausstieg beschlossene Sache. Rot-Grün hatte ihn durchgesetzt. Damals hieß der Umweltminister Jürgen Trittin. Er forderte die Castor-Demonstranten auf, endlich Ruhe zu geben. Schließlich sei der Ausstieg unumkehrbar. Doch das war er nicht.
[…]
der Ausstieg II war nur möglich, weil die gesellschaftliche Mehrheit klar gegen Atomkraft ist. Daran hat die Beharrlichkeit der Anti-Atom-Bewegung einen gehörigen Anteil. Dass eine schwarz-gelbe Bundesregierung sich genötigt sieht, die Kernkraft aufzugeben, ist ein Erfolg der Bewegung.

(Quelle: Süddeutsche Zeitung – Bundesverdienstkreuz für die Castor-Gegner!)

Links:

CASTORTICKER – Aktuelle Information über den Stand des Castortransportes
– Greenpeace: Zwischenlager Gorleben nicht terrorsicher
– Deutschlandfunk: Rückenwind für Gegner des Castor-Transports
– Süddeutsche Zeitung: Bundesverdienstkreuz für die Castor-Gegner!

Links zu eigenen Artikeln zum Thema:

– Gehirnsturm: Unwörter der Politik – Hier “BRÜCKENTECHNOLOGIE”
– Gehirnsturm: Moratorium; Ethikkommission; Sicherheitsüberprüfung; Laufzeiten; Nebelkerzen; Bürgerverarschung – AKWs 2011
– Gehirnsturm: Energiepolitik – Visionen und Größenwahn
– Gehirnsturm: “Undenkbares” denken!
– Gehirnsturm: Über Pannen spricht man nicht
– Gehirnsturm: Mappus schaltet Neckarwestheim entgültig ab?
– Gehirnsturm: Atomkraft TOTsicher! Menschenkette AKW Neckarwestheim –> Stuttgart: Staatskanzlei “Villa Reitzenstein”
– Gehirnsturm: *Castortransport 2010* Wi(e)dersetzen oder wie gewaltätig ist der Widerstand
– Gehirnsturm: Atomkraft! Der Müll wird von dem einen „TOTsicheren“ Endlager ins nächste „TOTsichere“ Endlager gebracht und die alten Atomkraftwerke sollen weiter produzieren!
– Gehirnsturm: Gorleben verstrahlt?
– Gehirnsturm: Gorleben verstrahlt? *Teil 2*
– Gehirnsturm: Gorleben verstrahlt? *Teil 3*
– Gehirnsturm: Die Suche nach dem “Tot-Sicheren” Atommüll-Endlager! Heuchler allenhalben!
– Gehirnsturm: Der Castortransport 2011 läuft

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