Die Infos überschlagen sich. Hat kurz nach der Wahl Ramsauer die vermutlich neuen Regierungsriege unverblümt gedroht und sich in die Landespolitik eingemischt, so kam schon bald einlenkende Worte, das man die beiden Projekte (Schnellbahntrasse und S21) ja auch von einander abkoppeln könne. Die Neubaustrecke sei auch unabhängig von S21 baubar, so hieß es. Natürlich nicht ohne Hinweis, das man trotzdem auf S21 bestehe.
Ich berichtete darüber: * Stuttgart spezial * !!! S21 !!! Bahn macht Baustopp und Ramsauer will S21 von der Neubaustrecke abkoppeln
Scheinbar waren einige nicht mit diesem ersten Vorstoß einverstanden. So meldete sich nun Grube und sagte, dass das eine nicht ohne dem anderen gehe. Und Ramsauer warnt auch gleich Pflichtbewußt mal wieder die neue (zukünftige) Landesregierung, auch ja die Verträge zu erfüllen!
Nun, da war zuerst das Schreiben an die Bahn AG des Chefplaners Hany Azer, wo er seine Bedenken über die Kostenschätzung der Bahn äußert. Darin soll es heißen, das die Einsparungen von 900 Millionen Euro, mit der die Bahn die Kosten auf rund 4,1 Milliarden herunter gerechnet hatte nicht realisieren lassen.
Die Bahn AG weist einfach mal Pauschal „Spekulationen über Kostensteigerungen als haltlos zurück“ (siehe RP: „Neue Verwirrung um Mehrkosten von Stuttgart 21“ vom 2.4.2011).
Jetzt gibt es eine „interne Studie“, in dem von 121 Risiken zum Bau von Stuttgart 21 die Rede ist. Die Bahn sagt: Alles Quatsch, es handelt sich um ein Schreiben an die „Bauherren“, in der diese regelmäßig über den Stand der Dinge informiert werden.
Aha, das relativiert natürlich die 121 Risiken, oder?
Ich glaube, das es völlig wurscht ist, ob Studie, Bericht oder ein turnusmäßiges Schreiben (von 130 Seiten!) für die Bauherrn ist. Wichtig ist, wie dieses Schreiben zu Bewerten ist.
Und da halte ich die Worte von dem Bahnsprecher gerade im Hinblick auf das zur Zeit inflationär benutzte Wort „Undenkbar“ für sehr bedenklich:
Ein Bahnsprecher bestätigte am Dienstag die Existenz des Dossiers. Es sei von der Projektleitung in Stuttgart ‚turnusgemäß‘ erstellt worden und liste ’sämtliche nur erdenklichen Risiken‘ auf. ‚Es handelt sich quasi um ein Worst-Worst-Case-Szenario‘, sagte er. Allerdings sei schon jetzt ‚völlig ausgeschlossen‘, dass sich die aufgeführten Risiken am Ende tatsächlich in dieser Höhe realisierten.
(Quelle: Süddeutsche.de – „Risiken bei Stuttgart 21“)
Aha, mal wieder ist alles „erdenkliche“ berücksichtigt und ein Eintritt des „Worst-Worst-Case-Szenario“ (genau so schwachsinnig, wie die neuste Superlative „Super-GAU“) „völlig ausgeschlossen“ ist.
Wenn es wirklich „völlig ausgeschlossen“ sei, wäre es auch kein Risiko.
Manchmal frage ich mich wirklich für wie blöd man uns hält (ich weiß aber nicht, ob ich von denen wirklich eine Antwort haben möchte).
Und es wird mich nicht wundern, wenn ein Gruber sich irgendwann vor die Presse stellt und von dem „undenkbaren“ redet, was keiner vermuten konnte, das dies geschehen könne.
Auch steht in der Studie, dass sich für den Tunnel bei Cannstatt trotz Ausschreibung keine Firma fand, die ihn bohren will.
(Quelle: Stern.de – „Ein Bahnhof voller Risiken“)
Scheinbar lässt sich keine Firma finden, die das Risiko des „völlig ausgeschlossenen“ „Worst-Worst-Case-Szenario“ auf ihre Kappe nehmen wollen.
Als ich um Weihnachten in der (alten) Heimat in Köln war, fiel mir ein Kalenderblatt aus dem Jahr 2007 in die Hände:
Dort wird auf dem Kalenderblatt vom 10. Mai 2007 prognostiziert, dass die Fertigstellung der Nord-Süd-Verbindung im Jahr 2010 sein sollte. Auch dort ist dann das „Worst-Worst-Case-Szenario“ geschehen. Nicht, das man nicht gewarnt war, da ja bereits Jahre vorher nur einige hundert Meter weiter sich ein Kirchen-Turm schräg gestellt hatte. Trotzdem war eine bessere Einsicht nicht vorhanden. Das die Kosten von 700 Millionen schon lange nicht mehr zu halten war, bei den ganzen „Worst-Case-Szenarien“ ist ja nachvollziehbar, obwohl eigentlich „völlig ausgeschlossen“.
Auch in Stuttgart gibt es Warnzeichen. Tunnel, die trotz meterdicke Wände eine ständige Baustelle sind oder, wie am Flughafentunnel geschehen, wegen dem gefrorenen Wasser, das durch die Tunnelwände gesickert ist gesperrt werden musste. Der nicht gebauten Tunnel, nun als Event-Ort benutzt sollten Warnzeichen genug sein.
Nein, man spricht von einem „Worst-Worst-Case-Szenario“, wenn die eigenen Studien bekannt werden.
Ein „Worst-Case“ also, wenn man feststellt:
… dass der Baugrund tückisch ist, dass anders als in den Modellen berechnet, es mehr Grundwasser gibt, …
(Quelle: Stern.de – „Ein Bahnhof voller Risiken“)
Also, das nenne ich nicht einen „Worst-Case“, erst recht nicht einen „Worst-Worst-Case“ und noch weniger ein „Szenario“, sondern schlicht und einfach eine Tatsache!
Auch was an dieser Aussage der Studie ein „Worst-Case“ sein soll, entzieht sich meiner Vorstellung:
dass die Baufirma Wolff & Müller die „technische Machbarkeit“ infrage stellt, nach der das alte Bahnhofsgebäude, der Bonatzbau, während der Bauarbeiten wie geplant abgestützt werden könne
(Quelle: Stern.de – „Ein Bahnhof voller Risiken“)
Das in Frage stellen der „technischen Machbarkeit“ eines Bauvorhabens ist in meinen Augen kein „Worst-Case“ (die Superlative des Bahnsprechers ignoriere ich mal), sondern eine einfache technische Tatsache.
Ich prognostiziere mal, das man im Jahr 2019, wo der Bau eigentlich fertig sein sollte die Frage aufstellt (vorausgesetzt, der Bau wird realisiert), wer früher fertig ist? Köln mit seiner „Nord-Süd-Bahn“ oder Stuttgart mit seinem Bahnhof inkl. der Anbindung.
Ich habe da noch ein „Super-Worst-Worst-Case-Szenario“ im Jahr 2025:
Man setzt den Bau von S21 durch und der Bahnhof steht futuristisch mitten in der Stadt und sieht nie einen Zug, da es keine Tunnel zu der inzw. gebauten Schnellbahn-Strecke “Wendlingen – Ulm” gibt. Aber keine Bange AC-DC hat schon zugesagt, ein Konzert in dem Neubau durchzuführen. Und die Wasen werden nun auch von Wetter unabhängig durchgeführt. Sogar ganz Zentral mitten in der Stadt. Leider muss man mit dem Auto kommen, da Stuttgart inzwischen von jeder Bahnanbindung abgeschnitten ist.
Und was macht Ramsauer?
Er plärrt im ZDF-Morgenmagazin rum, das die Grün-Rotr Regierung von Baden-Württemberg sich zu „Stuttgart 21“ bekennen sollen:
„Ich verlange von der neuen Landesregierung, dass sie eindeutig Farbe bekennt, ob sie vertragstreu ist“, sagte Ramsauer im Anschluss an die Hauptversammlung der Deutschen Bahn AG am Dienstag in Berlin. „Geschlossene Verträge müssen klar eingehalten werden.“
(Quelle: Focus – „Peter Ramsauer: Verkehrsminister fordert Bekenntnis von Grün-Rot zu Stuttgart 21“)
Zuerst einmal sollte Herr Ramsauer zur Kenntnis nehmen, das man aufgezwungene Verträge auch ohne Bekenntnis erfüllen kann. Hier sehe ich aber eher die Frage, ob die Verträge nicht auf Grund von Täuschung und Falschaussagen entstanden sind. Ich habe schon vor der Wahl bei Gesprächen immer wieder gesagt, das ich die Forderung nach einem „Volksentscheid“ für eine Augenwischerei der Grünen empfinde. Die Einschätzung, das eine Volksabstimmung rechtlich wohl nicht durchzusetzen sei wird von dem Verein „Mehr Demokratie“ bestätigt:
Derweil äußert sich die Initiative „Mehr Demokratie!“ erneut zu dem Projekt und den Chancen auf eine Volksabstimmung: „Die Hürde, um ein Gesetz zu installieren oder zu kippen, gehört im Südwesten mit 33,333 Prozent der Wahlberechtigten zu den höchsten bundesweit und wäre bei diesem Einzelthema nicht zu erreichen“, sagte der Landesvorstandssprecher Reinhard Hackl.
(Quelle: schwäbische.de – „S21-Gegner: Kaum Chancen bei Volksabstimmung?“)
Ich denke und fürchte, das der einzige „demokratisch legitimierte“ Weg sein wird, die Unrechtmäßigkeit der Verträge zu beweisen. So z.B., das die Vertragsbedingungen durch höhere Kosten über 4,5 Mrd. hinfällig werden. Von daher sind die „Studien“, Briefe etc. wichtig und sollten gut hinterfragt werden.
Links
– Stern.de: Ein Bahnhof voller Risiken
– Stern.de: Ramsauer zu Stuttgart 21: Zuckerbrot und Peitsche
– Eisenbahnjournal Zughalt.de: Stern: Neue Risiken bei Stuttgart 21
– Süddeutsche.de: Risiken bei Stuttgart 21
– Spiegel Online: Bahn listet 121 Risiken bei Stuttgart 21 auf
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