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So oder so: dieser Beschluss wird nicht das letzte Wort sein.
Aus der „Gegenvorstellung der Verteidigung an das OLG Bamberg vom 27.3.2014“ des RA Gerhard Strate zu der Weigerung des OLG Bamberg eine vom Verfassungsgericht verlangte Entscheidung zu treffen!
(Link geht direkt auf die Seite 5 der PDF, wo dieser Satz zu finden ist)-
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VERMISST – Teil 1
Veröffentlicht unter Gesellschaft, Internet, Kultur, Politik
Verschlagwortet mit Beratungsstelle, Friedrich, Innenminister, Radikalisierung, Vermisst
Kommentare deaktiviert für VERMISST – Teil 1
Thema Beschneidung, die Vierte
Bereits drei mal habe ich mich in meinem Blog zum Thema Beschneidung geäußert.
Seit dem erreichte mich eine Welle von Hass.
Gerade nach meinem ersten Artikel Ein Urteil des Kölner Landgericht und eine Horde aufgeregter Religionsfunktionäre kam es knüppeldick.
Warum fragte ich mich, werde ich so angegriffen?
Lag es vielleicht daran, dass ich mich mehr mit den angeblichen „Gesetzen“ zur Beschneidung befasst habe? Das ich es wagte sogar auf Basis dessen was ich gelesen hatte einen Kompromiss vorzuschlagen, der sowohl die „Tradition“ beachtet, wie auch den Menschen?
Oder war es dies, das ich nicht direkt „Verbrecher“ rief?
Oder vielleicht sogar, das ich trotz anderer Meinung zu Seiten verlinkt habe, in denen die Beschneidung befürwortet wurde und wird?
Ich schreibe hier in den Blog meine Meinung und diese ist nicht Neutral. Diesen Anspruch habe ich nie gehabt. Aber ich versuche immer, die Leser meiner Artikel anzuhalten, sich selbst eine Meinung zu bilden. Das scheint nicht das Ziel derjenigen zu sein, die mich so massiv angreifen und sogar bedrohen.
Ich habe damals die Mittel für meine Argumentation genommen, die ich kannte und die überall zitiert wurden. Also vor allem die Bescchneidungsanweisung an Moses im Genesis (Tora), bzw. dem 1. Buch Moses (Altes Testament). Und ich habe es gewagt Links zu Beschneidungen einzustellen, damit sich jeder ein eigenes Bild machen kann von einer Beschneidung, sowohl bei Kleinkindern, wie auch bei Erwachsenen.
War es vielleicht das, was einen Vorsitzenden einer jüdischen Gemeinde dazu bewegte, meinen Artikel anzugreifen und meine Quellen (also unter Anderem auch die Tora) als Dubios zu bezeichnen?
Nun, mich hatte dies interessiert und ich habe diesem Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde einen offenen Brief (Beschneidungsartikel – Offener Brief in eigener Sache) zukommen lassen. Eine Antwort steht bis heute aus.
Auch könnte ich vermuten, das einer der mir drohenden ein gewisser Herr „Ernst Meir Stern“ ist, da dieser öffentlich zu ähnliche Straftaten auffordert, wie sie mir entgegen gebracht wurden:
Als persönliche Konsequenz dessen wünschte ich, es würden sich ein paar beherzte Juden finden, die sich den werten Herrn schnappen und ihm ruckzuck eine rituelle Beschneidung (humanerweise mit Lokalbetäubung) verpassen!
Das Ganze selbstverständlich gefilmt und ins Internet gestellt – als eindeutiges Signal für alle seine Gesinnungsgenossen in Europa, dass Juden sich heutzutage nicht mehr alles bieten lassen. Nicht von Regierungen und deren Behörden, nicht von Organisationen, und schon gar nicht von Einzelpersonen. Legal? Illegal? Scheißegal! Mir wenigstens…
(Quelle: Die Jüdische – „Am deutschen Wesen…“: Arzt zeigte Rabbiner an!)
Ähnliches, ja teilweise sogar fast wörtlich gleich wurde mir auch angedroht. Mich interessieren aber solche Menschen nicht und ich schließe aus solchen Fanatikern nicht auf ein ganzes Volk / Gemeinschaft.
Entsprechend fand ich im Netz reichlich Menschen, sowohl sogenannter jüdischer, wie auch muslimischer Abstammung, die sich sehr kritisch zu der Beschneidung und vor allem zu der angeblichen unabänderlichen Tradition als ein unverrückbares Gesetz Gottes äußern.
Gott ist hier das falsche Wort, es geht um „einen“ Gott, bei den Juden z.B: „Er“ oder „G“tt“, da gläubigen Juden sie den Namen von Gott (Jahwe oder das Tetragramm JHWH) weder ausgesprochen noch ausgeschrieben oder bei den Muslimen eben „Allah“.
Die muslimische Welt kennt im Koran keine „Regel“ für eine Beschneidung. Von daher ist die Beschneidung nicht als Gesetz, sondern als Tradition zu sehen. Diese ist auch ja nach Herkunft der muslimischen Gläubigen recht unterschiedlich. So gibt es auch muslimische Religionsgruppen, die keine Beschneidungen vornehmen. Eine Beschneidung, wenn die Kinder von muslimischen Eltern selbst entscheiden können ist hier wohl eher eine Frage der Auslegung und dem Willen der Eltern, sich nicht von der Macht Ihrer Glaubensvorstände das Recht auf den Willen des Kindes beschneiden zu lassen.
Der jüdische Aufschrei (derer, die da aufschreien) basiert immer auf den Grundsatz, dass durch das „göttliche“ Gebot es keinen Spielraum zur jetzigen Beschneidungstradition besten würde. Dies sehe ich auch durch immer mehr Artikel von Menschen jüdischer Abstammung widerlegt.
Nach meinem bescheidenen Kenntnisstand war das Volk der Hebräer ursprünglich ebenso ein Volk, das mehrere Götter anbetete. Darunter soll auch eben jener Jahwe (es gibt verschiedene Schreibweisen) gewesen sein. Dieser eine Gott 8unter mehreren) hat nun Abraham verkündet, das er der allmächtige Gott sei und Ihn als den Vater des „neuen“ Volkes ernennt. Er und seine Nachfahren soll für das Bündnis mit Gott sich überdurchschnittlich vermehren. Auch die vorherige Identität wurde diesem und seiner Frau genommen. Er soll sich nicht mehr Abram, sondern Abraham nennen und seine Frau soll statt Sarai nun Sara heißen. Nun verlangt jener Gott noch als Zeichen des Bundes, dass jedes männliche Mitglied der Familie, worunter auch Angestellte und Sklaven fallen beschnitten werden sollen.
Es liegt hier also nicht eine Gesetzmäßigkeit für den geborenen „Juden“ vor, weil sonst anderstämmige Mitbewohner bei der Familie von diesem „Gesetz“ ausgenommen wären und vor allem auch nicht die krasse Strafe bei Zuwiderhandlung:
Ein Unbeschnittener, eine männliche Person, die am Fleisch ihrer Vorhaut nicht beschnitten ist, soll aus ihrem Stammesverband ausgemerzt werden.
(Quelle: Universität Innsbruck – Das Buch Genesis, Kapitel 17,14)
Auch, das dies kein Gesetz für das „jüdische Volk“ ist, zeigt in meinen Augen dieser Abschnitt aus dem selben Kapitel:
Alle männlichen Kinder bei euch müssen, sobald sie acht Tage alt sind, beschnitten werden in jeder eurer Generationen, seien sie im Haus geboren oder um Geld von irgendeinem Fremden erworben, der nicht von dir abstammt.
(Quelle: Universität Innsbruck – Das Buch Genesis, Kapitel 17,12)
Es ist also ein Absolutheitsanspruch an alle, die von den „Jüngern“ dieses Gottes unterdrückt werden. Auch Sklaven und die nicht durch Abram geborene im Hoheitsbereich der Familie. Das Gott nicht den Absolutheitsanspruch hat, bzw. dass die Schreiber der Texte diesen nicht beherzigten (wie immer man es sieht. Ob die Bibel/Tora „Gottes eigenes Wort“ ist oder eine schriftliche Überlieferung durch Menschen). Sonst verstehe ich den Teil mit den 10 Geboten der Bibel/Tora nicht, in dem es einfach und eindeutig heißt:
„Du sollst neben mir keine anderen Götter haben.“
Dies macht nur Sinn, wenn jener Gott eben nicht der Alleinig vorhandene Gott ist. Er beanspruchte ja auch „nur“ für sich, das er der „Allmächtige“ ist. Jedenfalls erhebt er diesen Anspruch für diejenigen, die er (lt. der Bibel) auserwählt hat, die Personen, die im Haushalt des Abram/Abraham lebten und deren Nachkommen.
Unter diesen Aspekt ist ein Symbol der Zugehörigkeit schon verständlich.
Das aber einem Menschen die komplette Vorhaut entfernt werden muss, kann ich trotz intensivsten lesen des Alten Testamentes und der Tora nicht finden. Im Gegenteil, immer wieder treffe ich aufTexte, die eindeutig die Vermutung in mir reifen lassen, dass die Vorhaut eben nicht beider Beschneidung entfernt wird.
Durch einen Artikel von Herrn Michael Wolffsohn, einem renommierten Geschichtswissenschaftler der sich schon lange mit der jüdisch-christlichen Geschichte befasst auf ein weiteres Beispiel gestoßen.
Wolffsohn erläutert mit Heranziehung der Bibel, Josua 5, 2-9 das bei der 40jährigen Wüstenwanderung nach diesen Überlieferungen die Nachkommen alle nicht beschnitten wurden. Dies ist die eine Seite. Was mich bei dem Text noch fastzinierte, das ich darin eine Bestätigung meiner Meinung fand, die ich in meinem ersten Artikel bereits vertreten habe: Das der Bund nicht mit der kompletten Entfernung der Vorhaut geschlossen wurde und geschlossen werden sollte.
In dem Text, den Wolffsohn heranzieht heißt es:
Zu der Zeit sprach der HERR zu Josua: Mach dir steinerne Messer und beschneide die Kinder Israel zum andernmal.
Da machte sich Josua steinerne Messer und beschnitt die Kinder Israel auf dem Hügel Araloth.
Und das ist die Sache, darum Josua sie beschnitt: Alles Volk, das aus Ägypten gezogen war, die Männer, alle Kriegsleute, waren gestorben in der Wüste auf dem Wege, da sie aus Ägypten zogen.
Denn alles Volk, das auszog war beschnitten; aber alles Volk, das in der Wüste geboren war, auf dem Wege, da sie aus Ägypten zogen, das war nicht beschnitten.
Denn die Kinder Israel wandelten vierzig Jahre in der Wüste, bis daß das ganze Volk der Kriegsmänner, die aus Ägypten gezogen waren, umkamen, darum daß sie der Stimme des HERRN nicht gehorcht hatten; wie denn der HERR ihnen geschworen hatte uns zu geben, ein Land, darin Milch und Honig fließt.
Deren Kinder, die an ihrer Statt waren aufgekommen, beschnitt Josua; denn sie hatten Vorhaut und waren auf dem Wege nicht beschnitten.
Und da das ganze Volk beschnitten war, blieben sie an ihrem Ort im Lager, bis sie heil wurden.
Und der HERR sprach zu Josua: Heute habe ich die Schande Ägyptens von euch gewendet. Und diese Stätte ward Gilgal genannt bis auf diesen Tag.
(Quelle: BibleGateway.com – Josua 5, 2-9 / Luther Bibel 1545)
Also neben dem, dass das auserwählte Volk 40 Jahre lang den Bund zu Ihrem Allmächtigen Herrn nicht geschlossen hatte, ist für meine These vor allem dieser Satz (Josua 5, 7) interessant:
Deren Kinder, die an ihrer Statt waren aufgekommen, beschnitt Josua; denn sie hatten Vorhaut und waren auf dem Wege nicht beschnitten
Wieder wird hier deutlich gemacht, dass es Kinder gab, die eine Vorhaut hatten (also die Jungen/Männer) und eben noch nicht beschnitten waren. Wenn es darum ginge das die Vorhaut an sich schon der Markel des nicht vorgenommenen Bundes sei, würde der Text meiner Meinung nach anders lauten müssen. Vor allem wäre dann der Hinweis der nicht beschnittenen Vorhaut überflüssig, da ja die Vorhaut als solches schon der Markel sei.
Ebenso, wenn man die Überlieferung, wie eine Beschneidung vor sich ging anschaut, komme ich nicht zu dem Ergebnis, dass die komplette Entfernung die Beschneidung im biblischen Sinne war. Abram/Abraham ging nach Hause und beschnitt alle. Ein damals schon recht alter Mann, bei Beschneidungen unerfahren und mit einem Messer die Vorhaut seiner männlichen Bewohner und seine selbst beschnitt. Ohne die später entwickelten Hilfsmittel. Dann die Erzählung, dass Moses ältester Sohn (nicht Beschnitten!) von seiner nichtjüdischen Mutter mit einem herumliegenden Stein beschnitten wurde, um den Zorn Gottes von Ihm zu wenden:
Und als er unterwegs in der Herberge war, kam ihm der HERR entgegen und wollte ihn töten.
Da nahm Zippora einen Stein und beschnitt ihrem Sohn die Vorhaut und rührte ihm seine Füße an und sprach: Du bist mir ein Blutbräutigam.
Da ließ er von ihm ab. Sie sprach aber Blutbräutigam um der Beschneidung willen.
(Quelle: BibleGateway.com – 2 Mose 4:24-26/Exodus 4:24-26 [Luther Bibel 1545]
Die Beschneidung, wie sie mit einem Stein, der auf dem Weg liegt erfolgen kann reichte Gott also aus, um das Zeichen des Bundes mit Ihm anzuerkennen. Was kann dies aber mehr gewesen sein, als das ein Stück der Vorhaut mit dem Stein abgequetscht wurde, bzw. noch eher, dass die Vorhaut eingequetscht wurde, also wie einen Einschnitt in die Vorhaut.
Geschichtlich gesehen liest man immer wieder, dass die jüdische Beschneidung bis ins 2. Jahrhundert nach Christus nicht so radikal war, wie sie heute praktiziert wird.
Geschichtlich gesehen heißt es zur Beschneidung z.B. bei dem Portal „uni-protokolle.de“:
Beim Mann wird die Vorhaut teilweise oder vollständig entfernt oder (seltener) eingeschnitten. Dabei ist der Grad des Eingriffs unterschiedlich.
Zu biblischen Zeiten wurde lediglich die besonders empfindliche Spitze der Vorhaut entfernt. Bei den heute vorherrschenden Beschneidungen wird die Vorhaut teilweise oder sogar ganz entfernt. Wenn sowohl innere als auch äußere Vorhaut soweit entfernt werden daß die Eichel immer auch im nicht eregierten Zustand frei liegt und nur noch ein Rest von ca. 10 mm innerer Vorhaut verbleibt spricht man von einer radikalen Beschneidung.
(Quelle: uni-protokolle – Beschneidung von Jungen und Männern)
Dies ist ein Ausschnitt aus einer gesicherten Wikipedia-Seite, die gelöscht wurde. Auf einer anderen Seite wird der Wandel der Beschneidung auch zeitgeschichtlich eingeordnet:
Unter dem Diktat von Moses wurde die Beschneidung von Neugeborenen („milah“) zur Pflicht. Bis ins zweite Jahrhundert wurde diese Beschneidung in einer weniger radikalen Form durchgeführt. Dann wurden Fälle bekannt, dass sich Männer in ähnlicher Weise wie das heute wieder aktuell ist, ihre Vorhaut wiederherstellten. Um das in Zukunft zu verhindern, wurde die verschärfte Praktik des „Parijah“ eingeführt.
(Quelle: Geburtskanal – Die Beschneidung in der antiken Welt)
Also vermutlich im 2. Jahrhundert wurde die jetzige radikale Form der Beschneidung, wie sie manche Glaubensgemeinschaften durchführen hoffähig. Ein weiterer Blick in die Geschichte führt zu Moses Maimonides (1135-1204). Er gilt als einer der hervorragendsten jüdischen Gelehrten des Mittelalters. Seine Lehren und Einflüsse wirken sich bis in die heutige Zeit aus. So war auch der Wandel in der Beschneidung durchaus Ihm zuzuschreiben. So heißt es in seinem Buch „Der Führer der Unschlüssigen“ zur Beschneidung:
Teil III, Kapitel 49, Seite 609:
Was die Beschneidung anbelangt, ist meiner Meinung nach einer der Gründe dafür, der Wunsch eine Verringerung des Geschlechtsverkehres und eine Schwächung des fraglichen Organs zu bewirken, sodass seine Aktivität vermindert sei und das Organ sich in einem Zustand befinde, der so ruhig wie möglich ist. Es wurde angenommen, dass die Beschneidung einen angeborenen Makel vervollkommnet. Dies gab allen die Möglichkeit einen Einwand zu erheben und zu erklären: Wie können natürliche Dinge so fehlerhaft sein, dass sie einer Vervollkommnung von außen bedürfen, wo wir doch wissen, wie nützlich die Vorhaut für dieses Körperglied ist? Tatsächlich wurde dieses Gebot nicht mit der Absicht aufgetragen einen angeborenen Makel zu vervollkommnen, sondern einen moralischen Makel.
Der Körperliche Schmerz, der diesem Körperteil zugefügt wird, ist der wahre Zweck der Beschneidung. Keine der Körperfunktionen, die für das Überleben des Individuums notwendig sind, wird dadurch geschädigt, auch wird die Fortpflanzung nicht unmöglich gemacht aber ausschweifende Begierde und Lust, die über das hinausgeht, was unbedingt gebraucht wird, werden verringert. Die Tatsache, dass die Beschneidung die Fähigkeit zur sexuellen Erregung schwächt und manchmal vielleicht das Vergnügen, ist unbestreitbar. Denn wenn dieses Glied bei der Geburt zum Bluten gebracht und seiner Bedeckung beraubt wurde, wird es zwangsläufig geschwächt. Die Weißen, möge ihrer Erinnerung gesegnet sein, haben ausdrücklich erklärt; Es ist schwer für eine Frau, die mit einem unbeschnittenen Mann geschlechtlichen Verkehr hatte, sich von diesem zu trennen. Meiner Meinung nach ist dies der stärkste Grund für die Beschneidung.
Seite 611:Diese Klasse von Geboten umfassen ebenfalls das Verbot die Geschlechtsorgane sämtlicher männlicher Tiere zu verstümmeln, was auf dem Grundsatz der rechtmäßigen Gesetze und Urteile beruht, Ich meine den Grundsatz, in allen Dingen Maß zu halten. Der Geschlechtsverkehr soll weder übermäßig vollzogen, noch vollständig abgeschafft werden. Gebot er uns nicht und sagte: Seid fruchtbar und mehret euch? Demgemäß wird dieses Organ mittels der Beschneidung entfernt, wird jedoch nicht durch eine Entfernung zerstört. Was natürlich ist, wird gemäß der Natur belassen, aber es werden Maßnahmen gegen Ausschweifungen ergriffen. Jener, dessen Hoden zerquetscht sind oder dessen Glied verstümmelt ist, darf keine Frau Israels heiraten, den solch eine Kohabitation wäre pervertiert und ziellos. Solch eine Ehe wäre ebenfalls ein Stolperstein für die Frau und für den, der sie erwählt. Das ist sehr klar.
(Quelle: Beschneidung von Jungen.de – Beschneidung und Judentum)
mal abgesehen davon, dass schon der Titel „Der Führer der Unschlüssigen“ bei gläubigen (und damit in keiner Weise „unschlüssig“) zum Aufschrei führen sollte, ist dieser Hintergrund des jetzigen Art der Beschneidung scheinbar doch nicht so mit der Tradition des für die Juden wichtigen Bundes mit Ihrem Gott zu begründen.
Das was angeblich dem Kindeswohl dienen soll, wird hier als bewusste Schmerzzuführung bezeichnet. Also kein Wort darüber, dass Kinder und vor allem Säuglinge (mit dem 8. Tag) keine Schmerzen Empfinden. Jener Moses Maimonides wollte genau dies, schmerzen zufügen und war wohl damals schon der Meinung, dass diese Erfahrung sich in das Gedächtnis einbrennt. Also genau das, was heute als „frühkindliches Trauma“ bezeichnet wird.
Ich habe bereits in meinem ersten Artikel angefragt, warum die Gemeinschaften nicht auf Symbolhandlungen beschränken und die Entscheidung einer kompletten Beschneidung nicht der Person dann später selbst überlassen.
Eine Antwort hat es auf diese Frage nicht von diesen Seiten gegeben. Nur immer den Verweis auf das Göttliche Gebot/Gesetz. Dass dieses in der Form wie es heute ausgeführt wird gar nicht seit Abram/Abraham gegeben hat, scheint dabei nicht von Interesse zu sein.
Viel mehr scheint es hier um die Macht der Glaubensführer über die Gläubigen zu sein. Eine Macht, die gerne Missbraucht wird, wie die Skandale um sexuelle Übergriffe durch christliche Geistliche in den letzten Jahrzehnten beweist. Und vor allem, wie es die Aufarbeitung dieser Gemeinschaften noch nachhaltiger beweist.
Die ebensolche Weigerung, die heutige Beschneidung in Rahmen der geschichtlichen Entwicklung sehen zu wollen, zeugt in meinen Augen von ähnlichem Machtmissbrauch.
Von daher ist auch die Unterstützung der christlichen Geistlichen nach zu vollziehen, da ein Wackeln der Herrschaft über die Gläubigen bei anderen Religionen (vor allem, da die Christliche auf die jüdische Religion aufbaut) auch die Fundamente des eigenen Religionssystems erschüttert.
Neben der Frage nach der Art, wie die Beschneidung als „Gebot“ Gottes durchzuführen sei, steht die Frage ob eine Beschneidung aus religiösen Gründen überhaupt notwendig ist.
Wolffsohn hat in seinem Artikel dargelegt das die Beschneidung in der Antike durchaus umstritten war und erst 130 Jahre nach Christus, mit dem Beschneidungsverbot als ein „scheinbar“ unabänderliches Gesetz eingeführt wurde. Also Jahrtausende nach der Bündnisforderung von Gott an Abram/Abraham:
Erst das von Kaiser Hadrian um 130 n. Chr. verhängte Beschneidungsverbot verwandelte das innerjüdisch nicht unumstrittene Beschneidungsbrauchtum in ein scheinbar unumstößliches Gesetz.
(Quelle: Welt online – Nicht die Beschneidung macht den Juden)
Die historische und biblische Betrachtung, wie auch der Tora brachte den Historiker Wolffsohn zu der Ansicht, das Beschneidungen in der antike nicht so unumstritten waren, wie heute behauptet.
Aber auch in der Neuzeit regt sich widerstand gegen die Beschneidung. Nicht nur in Deutschland, sondern auch in Israel. So fand ich ein Interview mit Jonathan Enosch aus Israel, wo er sich mit einigen Mitstreitern als Antibeschneidungsaktivist (Gründer der Initiative „Ben Shalem“) betätigt. Mit aussagen, wie das die Beschneidung das „am besten akzeptierte Verbrechen in der Weltgeschichte“ sei und „Viele wollen sich mit Beschneidung freikaufen“ geht er hart mit (unter Anderem) seinen Glaubensgenossen ins Gericht. Wie weit „Religionsfreiheit“ von Glaubensgemeinschaften akzeptiert werden, zeigen solche Äußerungen, wenn diese der Wahrheit entsprechen:
Ich habe von jungen Eltern gehört, denen die Großeltern damit drohten, das Kind zu entführen, um es beschneiden zu lassen.
(Quelle: Die Presse – Enosch: „Viele wollen sich mit Beschneidung freikaufen“)
Solche „Erfahrungen“ decken sich mit meinen, das religiöse Gemeinschaften durch Psychoterror und gesellschaftlichen Druck die Freiheit der Einzelnen brechen und missachten wollen. Um so wichtiger ist ein starker Staat, der die verbrieften Rechte des Einzelnen (z.B. körperliche Unversehrtheit und Religionsfreiheit) nicht durch die Intoleranz der religiösen Institutionen opfert. In Deutschland sehen wir gerade, wie eben dies geschieht. Nicht nur bei der Beschneidung, sondern auch bei der Kindesmisshandlung durch christliche Funktionäre.
Die Unabhängigkeit des Staates gegenüber den religiösen Gemeinschaften ist wichtig, aber ebenso wichtig ist die Brücke des Staates zu den „Gläubigen“ direkt. Dazu gehört neben Aufklärung (z.B. wie die Beschneidung geschichtlich wirklich war!) auch die Brücke, wie sie den bis zum heutigen Tag aufgebauten Psychoterror der religiösen Institutionen überbrücken können. Machen wir uns nichts vor. Wir können nicht mit dem Finger schnippen und es ist alles anders. Über Generationen wurden Menschen von den unterschiedlichsten Religions-Funktionären beeinflusst. Das kann man nicht von gleich auf jetzt ändern. Zu tief sitzt diese Gehirnwäsche in einem drin (ich nehme mich als „Opfer“ der römisch-katholischen Kirche da nicht aus), die mit frühester Kindheit erfolgt. So muss die historische Symbolik der antiken Beschneidung, im Gegensatz zu der heutigen biblisch nicht zu rechtfertigenden Vorhautentfernung verdeutlicht werden und den Gläubigen die Brücke der Symbolik für Ihre Nachkommen geöffnet werden. Ob sich dann in den nächsten 3000 Jahren die Vernunft und das Bewusstsein der Religionsfreiheit des Einzelnen wirklich durchsetzt, das kann ich nicht sagen. Ich halte auf jeden Fall bei historischer Betrachtung das einritzen der Vorhaut als völlig ausreichend, um das gebot Gottes zu erfüllen.
Links:
- Welt Online: Nicht die Beschneidung macht den Juden
- Die Presse: Enosch: „Viele wollen sich mit Beschneidung freikaufen“
- Universität Innsbruck: Bibel-/Toraausschnitte „Das Buch Genesis, Kapitel 17,14“ und „Das Buch Genesis, Kapitel 17,12„
- BibleGetaway.com: Bibelausschnitte „Josua 5, 2-9 / Luther Bibel 1545“ und „2. Mose 4:24-26/Exodus 4:24-26 [Luther Bibel 1545]„
- Geburtskanal: Die Beschneidung in der antiken Welt
- Beschneidung-von-Jungen.de: Beschneidung und Judentum
- Die Jüdische: „Am deutschen Wesen…“: Arzt zeigte Rabbiner an! (Achtung, dort wird meiner Meinung nach zu Straftaten aufgerufen. Dieser Link ist nur aus Quellengründen aufgeführt. Ich mache mir den Inhalt dieses Textes nicht zu eigen!
Eigene Artikel:
Veröffentlicht unter Gesellschaft, Kultur, Politik, Recht
Verschlagwortet mit Beschneidung, Christentum, Geschichte, Hitorie, Islam, Judentum, Kommentator, Landgericht Köln, LG Köln, liberales Judentum, Recht, Religionsfreiheit, Religionsfunktionär, Urteil
2 Kommentare
20 Jahre Rostock-Lichtenhagen !?
Man, man, man, was für eine Welle überall. Bei einem bekannten lief in der Glotze auf jedem Sender ein Bericht über Lichtenhagen. Jeder, der nicht schnell genug auf den Bäumen war wurde vor ein Mikrofon gezerrt und gefragt, wie es dazu kommen konnte.
Wo ist der selbe Aufriss wegen den Brandanschlägen in Solingen und den vielen anderen Orten, in denen Fremdenfeindlichkeit auch im Westen schon vor der Wende alltäglich war? Oder waren es nur Einbildungen, das wir in den 80ern Wachen hielten, das sich Meldebüros für akute faschistische Gefährdungen bildeteten? War es nur Einbildung, wenn ich mir die Nächte um die Ohren geschlagen habe, um so etwas zu verhindern, bevor es „Jahre später“ in Rostock passierte?
War nicht noch eine „7“ vor der letzten Jahreszahl, als ich selbst erleben konnte, wie in Westdeutschland, genauer gesagt in Düren die Staatsmacht reagiert, wenn es um ausländerfeindliche Angriffe ging? Vielleicht berichte ich über das Erlebnis mal in einem Artikel meiner Serie „Classics“.
Nun, mich interessiert es nicht 20 Jahre danach, warum dies passieren konnte. Das ist nun schon bei jeder Gelegenheit durchgekaut worden.
Mich interessiert, was man gemacht hat, um dies zu verhindern? Was wurde gemacht, um solche Situationen erst gar nicht entstehen zu lassen? Was wurde gemacht, um die „Menschenwürde“ zu garantieren?
Ja das und viel mehr frage ich mich.
Und da lese ich diese Nachricht: „Ausländerfeindlicher Anschlag“ (Süddeutsche) oder auch „Brandanschlag auf Migrantenfamilie – Ausländerfeindliches Motiv in Bremen“ (TAZ).
In den Artikeln liest sich das dann so:
„Drei Männer und eine Frau sollen in Bremen einen brennenden Lappen vor das Haus einer achtköpfigen Familie mit Migrationshintergrund gelegt und ausländerfeindliche Parolen gerufen haben.“
„Die alarmierte Polizei nahm die alkoholisierten Tatverdächtigen vorläufig fest.“
Dann las man in den Berichten zumeist:
„Die Tatverdächtigen sind nach derzeitigen Erkenntnissen bisher nicht mit ausländerfeindlichen Straftaten in Erscheinung getreten.“
Nun, auch die Masse der Menschen in Lichtenhagen sind nicht vorher durch ausländerfeindliche Straftaten in Erscheinung getreten. Trotzdem hat man in beiden Fällen (und nicht nur dort) ausländerfeindliche Rufe gehört. Und wer eine brennenden Lappen irgendwo in ein bewohntes Haus wirft, so wie in Bremen passiert, der nimmt den Tod von Menschenleben zumindest in dieser Situation billigend in Kauf! Ob diese Menschen bei einem tatsächlichen Tod oder einer Verletzung von Menschen dies auch im Nachhinein ertragen hätten, ich weiß es nicht. Und es wäre auch nur billige Polemik da eine Aussage drüber zu machen.
Ebenso bei den Vorfällen in Lichtenhagen. Dankenswerterweise ging dieser Vorfall ohne ein Opfer von Menschenleben davon. Unbemerkt bleiben die traumatischen Folgen dieses Anschlags für diejenigen, die im Haus mit der Todesangst eingeschlossen waren. Dies interessiert ja auch keinen der Politiker und empörten Menschen im Land.
Ich habe mich nun durch einige Texte zu dem „Jubiläum“ gelesen. Wie sich nun die Politiker überschlagen Ihren Senf dazu zu geben. Alle diejenigen, die man vor 20 Jahren in Lichtenhagen vermisst hat. Während diese sich hinstellen und so Wortfloskeln wie „um aus den Fehlern und Versäumnissen von damals zu lernen“ (Gauck) von sich geben, muss das Verfassungsgericht der Regierung deutlich machen, dass auch für Asylanten das Recht auf eine menschenwürdige Existenz besteht. Während eben jener von Personsnschützer umgebene Gauck zu den Nazis zuruft „Wir fürchten euch nicht!“ müssen Menschen in Bremen um Ihr Leben fürchten.
Es ist nicht der Lichtenhagener, der Schuld ist an dieser Situation, es ist das, was die Piraten angeblich als Steuerungsmittel hochstilisieren wollen, die sogenannte „Schwarmintelligenz“. Es ist immer die Sicherheit der Gruppe oder Masse, die es zu solchen unverständlichen Situationen kommen lassen kann. Dabei ist es unerheblich, ob es sich um Rechte, Linke, Fußballfans oder Besoffene handelt. Nicht die Lichtenhagener machen mir Angst. Mir machen diejenigen Angst, die jetzt als „Gast“ oder „anonym“ in den Kommentaren schreiben, dass die Situation damals unerträglich war, das die Politik nicht auf Anzeichen reagiert hat, das …
Ja, diese wenn es nicht so oder so gewesen wäre, dann wäre es auch nicht so weit gekommen.
Diese sind es nämlich, die eine Wiederholung einer solchen Situation möglich machen.
Und sei es „nur“ als Fan im Fußballstadion, weil wenn der Schiri nicht, dann …
Es ist die individuelle Rechtfertigung, die mir Angst macht. Das typische „Der Zweck heiligt die Mittel“. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein „Nazi“ nicht ebenso traurig ist, wenn einer seiner Nächsten stirbt, wie der nächste Angehörige dessen, dessen Kopf dieser gerade einschlägt. Mal rein Hypothetisch dahin gestellt. Um für sich dies zu Rechtfertigen, dazu bauen sich alle Ideologien ein Gebilde auf, das einen über andere Erhebt. Diese Ideologien werden dann ausgenutzt, um den Schwarm zu lenken. Es gibt keine „Schwarmintelligenz“, das zeigt nicht nur Lichtenhagen oder auch die Katastrophe von Duisburg, sondern nur den Verlust der Individualität in der Masse. Gerade die Forschungen, die wegen der Schwarminteligenz gemacht wurden zeigen dies. Eines der aktuellsten Beispiele von negativen Schwarmverhalten war der Lynchmop in Emden gewesen, wo man einen Unschuldig als Täter verhafteten in Polizeigewahrsam lynchen wollte (Siehe auch hier: Das Gesetz der Masse, Schwarmintelligenz und die Suche nach dem Schuldigen – Emden im Fokus der Öffentlichkeit).
Was ist mit den ganzen Medien, die jetzt mit Ihrem Mikros alle Lichtehagener belästigen, die sich notgedrungen auf die Straße begeben müssen?
Dem Bürgern wird mit Formaten wie „Tatort Internet“ (oder wie hieß dieses verlogene Prangerformat mit der Gattin des Lügners Guttenberg damals), die eine Verfolgung von vermeintlichen Tätern ausgelöst hatte, oder die ganzen „Detektiv-Formate“ nach Ami-Vorbild, in denen jede Art von Persönlichkeitsrechte und Grundrechte von Menschen missachtet werden suggeriert, dass dies „Normal“ sei.
Ja solange sich der Staat die „neutrale Justiz“ und „Hoheit“ von Menschen aus der Hand nehmen lassen, wird sich nichts ändern.
Ich verurteile, was in Lichtenhagen passiert ist. Ich verurteile nicht die Lichtenhagener. Wohl aber verurteile ich diejenigen, die nun die Vorgänge mit der „Situation“ erklären oder entschuldigen wollen. Und ich verurteile diejenigen, die nicht die „neutrale Handlungsfähigkeit“ sichern wollen, sondern solche Vorgänge für Ihre eigenen subjektiven Interessen verwenden wollen, von Gauck bis zu der kleinsten „braunen Socke“ (frei nach Pispers).
Nun, die Veranstaltung mit Gauck zeigt, dass Intoleranz und Schwarmdummheit weiter bestehen. Da wird mit Gewalt ein Tranzparent, auf dem Steht „Rassismus Tötet“ entfernt. Andersdenkende werden angegriffen. Ein Lehrstück der Lernwilligkeit in Deutschland und der Massenphänomene.
Da werden in Kommentare die Gewalt von Linksradikalen mit denen von Rechtsradikalen aufgerechnet. Was ich sehe ist, dass die (angebliche) linksterroristische Bekämpfung mit gleichwohl härteren Bandagen durchgeführt wurden, als die derzeitige verfolgung von (angeblich) rechtsterroristischen Taten. Ich kann mich nicht erinnern, bei Bekämpfungen des angeblichen Linksterrorismus zu lesen war, das ein „mutmaßlicher Sympatisant und Waffenbeschaffer“ wieder vorläufig auf freien Fuß gestellt wurde. Wer als verdächtiger angeblicher Unterstützung von Linksterroristen in Haft kam, der musste sich durch alle möglichen gerichtlichen Instanzen begeben, um wieder ungefilterte Luft zu schnuppern.
Das „angeblich“ deswegen, weil ich Gewalt gegen Menschen nicht als politisch ansehen kann. Es ist feige und nicht mit irgendetwas zu entschuldigen.
Veröffentlicht unter Gesellschaft, Information, Kultur, Politik
Verschlagwortet mit Brandanschlag, Lichtenhagen, Nazi, Rostock
Kommentare deaktiviert für 20 Jahre Rostock-Lichtenhagen !?
Bundeswahlrecht verfassungswidrig! Bundesverfassungsgericht hebt Wahlrecht einstimmig auf
Heute ist die Entscheidung gefallen.
Das Bundesverfassungsgericht hat meine Verfassungsbeschwerde, wie auch von über 3000 weiteren statt gegeben.
Die Schwarz-Gelbe Regierung hatte im Alleingang und 5 Monaten nach Ablauf der Frist von BVG das Wahlrecht nach Ihrem Vorteil ein wenig kosmetisch verändert hat gegen die Stimmen der Opposition einfach durchgeboxt.
Dass der gesamte Bundestag aber Jahre vorher eine ernsthafte Arbeit an dem Wahlgesetz versäumt hat, das verschweigen nun die Jubeltöne der Opposition, namentlich die SPD und die Grünen.
Auch kein Wort darüber, das man im Bundesrat das Gesetz „durchgewunken“ hatte. Angeblich um den Weg für eine Verfassungsbeschwerde frei zu machen.
Ich Frage mich aber, ob es wirklich die Aufgabe des Bundesverfassungsgericht ist, die Arbeit der Volksvertreter zu machen.
Von daher sehe ich das Jubeln des „Gewinn der Demokratie“ mit einem Würggefühl.
Art 38
(1) Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.
(2) Wahlberechtigt ist, wer das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat; wählbar ist, wer das Alter erreicht hat, mit dem die Volljährigkeit eintritt.
(3) Das Nähere bestimmt ein Bundesgesetz
(Quelle: Grundgesetz)
Eigentlich ganz einfach. Es steht dort nichts von Direktwahl und Übergangsmandate. Aber dies ist es, was bei einer Wahl (wie in Schleswig-Holstein verfassungswidrig geschehen) über eine, wenn auch knappe Regierungsmehrheit entscheiden könnte, gerade für die CDU/CSU.
In meinen Augen wird mit dem jetzigen Wahlrecht auch der Anspruch aus dem Grundgesetz, der „unmittelbaren“ Wahl nicht entsprochen.
Ich bin für ein reines Verhältniswahlrecht mit unmittelbarer Personenwahl. Jeder Bürger erhält x Stimmen, die er nach freien Gutdünken an einzelne Abgeordnete oder Listen etc. abgeben kann oder eben einfach weniger Stimmen abgeben.
Daraus entsteht eine Stimmverteilung auf die verschiedenen Parteien und die Listen werden entsprechend der Stimmzahlen auf die einzelnen Abgeordneten sortiert. Entsprechend der Verhältnisse der Stimmen werden dann von der Liste die entsprechende Anzahl der Abgeordneten berufen. Bei den wohl recht unwahrscheinlichen Stimmgleichheit bei dem letzten Platz entscheidet das Los.
Aber zurück zur Urteilsentscheidung des Bundesverfassungsgericht. Die stellte fest, dass das Wahlrecht durch ein bisschen kosmetisches herumgespachtel nicht verfassungskonformer wird.
Im Blick auf die unendliche Geschichte um die bisherigen „Bemühungen“ hat das BVG keine Frist für ein neues Gesetz gesetzt, sondern das Gesetz mit sofortiger Wirkung aufgehoben. Diese Entscheidung war einstimmig.
1.
Die Bildung der Ländersitzkontingente nach der Wählerzahl gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 BWG ermöglicht den Effekt des negativen Stimmgewichts und verletzt deshalb die Grundsätze der Gleichheit und Unmittelbarkeit der Wahl sowie der Chancengleichheit der Parteien.2.
a) In dem vom Gesetzgeber geschaffenen System der mit der Personenwahl verbundenen Verhältniswahl sind Überhangmandate (§ 6 Abs. 5 BWG) nur in einem Umfang hinnehmbar, der den Grundcharakter der Wahl als einer Verhältniswahl nicht aufhebt.
b) Die Grundsätze der Gleichheit der Wahl sowie der Chancengleichheit der Parteien sind bei einem Anfall von Überhangmandaten im Umfang von mehr als etwa einer halben Fraktionsstärke verletzt.
(Quelle: Leitsätze des Urteils vom BVG – 2 BvF 3/11 -/- 2 BvR 2670/11 -/- 2 BvE 9/11)
Diese Leitsätze sagen eindeutig aus, dass die „Verhältnismäßigkeit“ der Wahl gewahrt sein muss.
Ebenso, wie es heuchlerisch von den Bundesrat-Durchwinkern es ist sich nun über die Niederlage zu freuen, ist es peinlich und heuchlerisch, wenn nun der CDU-Mann Lammert die „Rückkehr zum Allparteienkonsens beim Wahlrecht“ fordert. Dazu hatte seine und die Koalitionsparteien über 3 Jahre Zeit gehabt.
Spannend dabei ist auch, in wie weit man nach dem Landesparteitag der CDU im Südwesten nehmen kann, dass man mehr Bürgerbeteiligung will. Hier haben sie die große Chance von Ihren Bundespolitikern eine Bürgerbeteiligung abzuverlangen. Allein der Glaube fehlt mir.
Sicher können wir sein, dass die Parteien aller Couleur dafür sorgen werden, das ihre Machtstellung für die begehrten Volksvertreter-Posten nicht gefährdet werden.
Na also! Das Bundesverfassungsgericht verpasste den schwarz-gelben Demokraten die erwartete Ohrfeige in Sachen Wahlrecht. In Sonntagsreden pflegen die Politiker dieser schwarz-gelben Koalition sich stets lautstark als mustergültige Demokraten zu rühmen. Trotzdem wollten sie ihre Macht mit einem Wahlrecht verteidigen, das ihnen einseitige Vorteile verschafft und bei dem nicht ausgeschlossen werden kann, dass im Bundestag eines Tages eine Mehrheit zusammensitzt, die sich nicht auf eine Mehrheit der Wählerstimmen berufen kann.
[…]
Das Verhältnis zwischen Regierung und Bundesverfassungsgericht dürfte sich damit weiter eintrüben.
[…]
Angela Merkel hat ziemlich energisch erkennen lassen, dass sie die Verfassungsrichter zuweilen als politische Störenfriede betrachtet, die den Bundestag unnützerweise zu Sondersitzungen zwingen. Andererseits scheint sie die Mühsal, demokratisch einwandfreie Verfahren und verfassungskonforme Gesetze zu etablieren, für eine zu vernachlässigende Größe zu halten.
[…]
Es ist vermutlich auch kein Zufall gewesen, dass die Kanzlerin bei der Suche nach einem neuen Bundespräsidenten Verfassungsgerichtpräsident Andreas Vosskuhle als Gauck-Konkurrenten ins Spiel brachte. Sie handelte, wie sie es immer tut, wenn ihr Männer politisch im Wege stehen. Sie versucht sie abzuschieben – wie Friedrich Merz in der Fraktion, Roland Koch in Hessen, Christian Wulff in Niedersachsen. Zum Glück hat Vosskuhle widerstanden. Hat erkannt, dass er in Karlruhe politisch mehr zu sagen hat als im Amt des Bundespräsidenten.
(Quelle: Stern – Verfassungsgericht lehnt Wahlrecht ab | Zum Glück ließ sich Vosskuhle nicht wegbefördern)
Für unsere Demokratie ist es zu hoffen, dass die Richter der obersten Gerichte weiter so (relativ) unabhängig bleiben und sich nicht wegkomplimentieren lassen. Dann gibt es noch ein wenig Hoffnung für unsere Demokratie.
¹ Überarbeitet nach einer Vorlage von Stupidedia
Links:
– Bundesverfassungsgericht: Urteil zum Wahlrecht vom 25.7.2012
– Stern: Verfassungsgericht lehnt Wahlrecht ab – Zum Glück ließ sich Vosskuhle nicht wegbefördern
– Stern: Schlappe für die Bundesregierung – Karlsruhe erklärt Wahlrecht für verfassungswidrig
– Süddeutsche Zeitung: Schmetterschlag gegen Schwarz-Gelb
– Frankfurter Allgemeine: Wahlrecht verfassungswidrig „Eine konstitutionelle Staatskrise“
– Gehirnsturm: Wahlrecht in Deutschland Verfassungswidrig?
– Gehirhsturm: Neues Wahlrecht nun auf dem Prüfstand des Verfassungsgerichts
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1 Kommentar
Verfassungsgericht: Menschenrechte auch für Asylbewerber
Wie ich vor einiger Zeit berichtete hatte unsere „Zensursela“ (Ursula von der Leyen) durch Ihre Staatssekretärin Annette Niederfranke mitteilen, dass man die derzeitige Regelung auch für nicht „Verfassungskonform“ hielte. Geändert hat die Bundesministerin für Arbeit und Soziales aber nichts.
Heute hat das Bundesverfassungsgericht entschieden.
Und es ist positiv, dass wenigstens eines der höchsten Gerichte noch etwas auf unsere Verfassung und auf Menschenrechte und -würde hält.
Die derzeitige Höhe der Geldleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz verstößt demnach gegen das Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum.
(Quelle: FAZ – Karlsruhe: Mehr Geld für Asylbewerber; Hervorhebung durch mich)
Die Bundesregierung, vertreten durch die Arbeitsministerin hat gefälligst den Asylbewerbern ein „menschenwürdiges Existenzminimum“ zu sichern. Und das ist gut so.
Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts hat entschieden, dass die
Regelungen zu den Grundleistungen in Form der Geldleistungen nach dem
Asylbewerberleistungsgesetz mit dem Grundrecht auf Gewährleistung eines
menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit
Art. 20 Abs. 1 GG unvereinbar sind. Die Höhe dieser Geldleistungen ist
evident unzureichend, weil sie seit 1993 trotz erheblicher
Preissteigerungen in Deutschland nicht verändert worden ist. Zudem ist
die Höhe der Geldleistungen weder nachvollziehbar berechnet worden noch
ist eine realitätsgerechte, am Bedarf orientierte und insofern aktuell
existenzsichernde Berechnung ersichtlich.Der Gesetzgeber ist verpflichtet, unverzüglich für den Anwendungsbereich
des Asylbewerberleistungsgesetzes eine Neuregelung zur Sicherung des
menschenwürdigen Existenzminimums zu treffen. Bis zu deren Inkrafttreten
hat das Bundesverfassungsgericht angesichts der existenzsichernden
Bedeutung der Grundleistungen eine Übergangsregelung getroffen. Danach
ist ab dem 1. Januar 2011 die Höhe der Geldleistungen auch im
Anwendungsbereich des Asylbewerberleistungsgesetzes entsprechend den
Grundlagen der Regelungen für den Bereich des Zweiten und Zwölften
Buches des Sozialgesetzbuches zu berechnen.[…]
Aus der Übergangsregelung folgt beispielsweise für einen
Haushaltsvorstand jenseits der vorrangigen Versorgung mit Sachleistungen
eine deutlich höhere Geldleistung als bisher. Zur Sicherung eines
menschenwürdigen Existenzminimums ist dann im Jahr 2011 anstelle von
Sachleistungen für einen Monat von einer Geldleistung in Höhe von 206 €
und einem zusätzlichen Geldbetrag für die persönlichen Bedürfnisse des
täglichen Lebens in Höhe von 130 € auszugehen.
Die Würde des Menschen ist unantastbar. Dieser erste Artikel des Grundgesetzes reicht, wenn er ernst genommen wird, als Fundament vollkommen aus, um das menschliche Miteinander in diesem Land zu gestalten. Doch viel zu oft nimmt der Staat ihn nicht ernst, werden Bürger erster und zweiter Klasse geschaffen. Es ist wohltuend, dass Karlsruhe dazu unmissverständlich und rigoros geurteilt hat.
(Quelle: WAZ – Wohltuend rigoros)
Schön finde ich auch die Überschrift des Artikels im „Stern“:
„Menschenunwürdige Versorgung von Asylbewerbern Schämt Euch, Ihr Politiker!„
Nun wollen wir nur hoffen, dass die „vierte Gewalt“ nicht sofort wieder bei nächster Gelegenheit mit den braunen Wölfen heult.
Jetzt wird es spannend, wie die Bundesregierung/Arbeitsministerium die Aufgabe vom Bundesverfassungsbericht umsetzt.
Links:
– Campact: Bundesverfassungsgericht: Es gibt keine Menschenwürde zweiter Klasse
– Amnesty International: Amnesty: Urteil zum Asylbewerberleistungsgesetz wichtiger Schritt. Bundesregierung muss endlich handeln
– Bundesverfassungsgericht: Regelungen zu den Grundleistungen in Form der Geldleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz verfassungswidrig (Pressemitteilung)
– FAZ; Karlsruhe: Mehr Geld für Asylbewerber
– WAZ: Wohltuend rigoros
– Stern: Schämt Euch, Ihr Politiker!
– Gehirnsturm: Menschenrechte auch für Asylbewerber?
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