Ich will „Mob“ sein!

Da man ja der „Mob“ ist, wenn man sich die Taten einer Person mit den Äußerungen der selben vergleicht, dann bin ich es gerne, eben Mob.

Mal abgesehen von der jetzigen Situation, scheint man diese Systematik bei Piratenparteianhänger öfter zu beobachten. Es wird die „Schwarmintelligenz“ als das System hochstiliesiert. Passt die Reaktion der Schwarmintelligenz nicht zu den eigenen Zielen, so wird ganz schnell von Shitstorm und hier z.B. von Mob die Rede ist.

Wir erinnern uns, das vor der Wende die Proteste der ehemaligen DDR-Bürgern im Westen hoch stilisiert wurden. Als dies selben Menschen nach der Wende die Versprechen einforderten und mit dem selben Mittel der Montagsdemonstration (inzw. per Grundgesetz rechtlich zugesichert) Ihre Forderung in die Öffentlichkeit getragen haben, wurde von den selben Menschen, die diese Montagsdemos vor der Wende noch hoch gelobt haben auch von „Mob“ gesprochen, das auf die Straße geht.

Ein ähnliches Rechtsverständnis scheint es bei den Piraten allgemein und bei Julia Schramm im besonderen zu geben. Schwarmintelligenz, ja bitte! Aber nur in unserem Sinne!

Eins vorneweg:
Julia Schramm hat jedes „Recht“, ein Buch nach eigenem Gutdünken zu veröffentlichen. Sie hat jedes Recht mit einem Verlag die Bedingungen für eine Veröffentlichung und Bezahlung auszumachen. Sie hat jedes Recht zu entscheiden, was mit Ihrem Werk passiert. Dazu gehört auch das direkte oder indirekte verbieten von illegalen Downloads.

Sie muss sich nur auch gefallen lassen, dass die Art, wie sich Ihr „Recht“ mit den eigenen Ansprüchen und den Ansprüchen vereinbaren lassen für die sie mit einem Amt vertretend steht.

Julia Schramm ist im Bundesvorstand (als Beisitzerin) der Piraten. Der Bundesvorstand repräsentiert die Ziele der Partei. Diese Ziele werden im Parteiprogramm und sonstigen Publikationen der Bundespartei kund getan. Auch wenn einzelne Ziele von jedem einzelnen Mitglied des Bundesvorstand als richtig angesehen werden muss, so sollte aber zumindest ein Verhaltenskonsens zu einem der Kernpunkte der Partei zu erwarten sein. Zudem sollte das eigene Handeln auch mit den Ansprüchen anderen gegenüber im Einklang stehen.

So bereitet Frau Schramm „geistiges Eigentum“ ekel. Recht klar hat sie sich in einem Podcast zur Reihe „Wir.müssen reden“ noch im April dieses Jahr (also vor knapp 5 Monaten) zu dem Thema geäußert. In der Folge „WMR39 – Die Datenausflüsse der Urheber“ kann man Ihre damaligen Standpunkte in dem über 3-stündigen Podcast nachvollziehen.
Einige besonders starken „geistigen“ Ergüsse aus diesem Podcast wurde von „Der Musikpartisane“ in einem Song verarbeitet und sind wesentlich kürzer:

(Quelle: Der Musikpartisane – Being Julia Schramm)
Übrigens:
Der Song ist schon im Juli raus gekommen! Da war es schon klar, was Julia Schramm von den Grundsätzen der Piraten hält.

Gut, man kann seine Meinung ändern, auch innerhalb von gerade mal 5 Monaten. Auch dieses Recht hat Sie. Nur sollte sie dann auch die entsprechenden Konsequenzen ziehen. So z.B. mit Änderung ihrer Meinung auch die Ämter verlassen, die nun kontrovers zu der „neuen“ Meinung stehen. Richtig ehrlich ist es dann auch, die entsprechende Organisation mit dem der eigenen Meinung kontroversen Parteiprogramm zu verlassen und (hier wieder) zu einer der „neuen“ Meinung passenderen Partei wechseln (also in diesem Fall wohl zurück zu den jugendlichen Ursprüngen).

Ich finde es meist spannender die Kommentare zu den verschiedensten Artikeln zu lesen. So auch hier.
Einige, die sich über den „Shitstorm“ gegen Julia Schramm beschweren, weisen mit einer schon nicht auszuhaltenden penetrant darauf hin, dass ja nicht Julia Schramm den Link, bzw. den Download unterbunden haben, sondern der Verlag. Dies ist vom Vorgang an sich so richtig, was aber gern übersehen (bzw. ignoriert) wird ist, das Julia Schramm dem Verlag erst die Möglichkeit gegeben hat, so vorzugehen. Ob die selben Menschen diese Argumentation ins Netz stellen würden, wenn es um einen Auftragsgeber eines Killers ginge? Oder um die Verantwortung der Vorgänge beim Verfassungsschutz?
Frau Schramm hat sich bewusst dafür entschieden ihr Buch (wobei nach Ihrer eigenen Logik eben nicht „Ihr“ Buch) nach Grundsätzen zu veröffentlichen, die weder ihren bisherigen Äußerungen entsprechen, noch der Grundsätze der Partei, die Sie als Mitglied des Bundesvorstandes vertritt.

Urheberrecht und nicht-kommerzielle Vervielfältigung

Der uralte Traum, alles Wissen und alle Kultur der Menschheit zusammenzutragen, zu speichern und heute und in der Zukunft verfügbar zu machen, ist durch die rasante technische Entwicklung der vergangenen Jahrzehnte in greifbare Nähe gerückt. Wie jede bahnbrechende Neuerung erfasst diese vielfältige Lebensbereiche und führt zu tief greifenden Veränderungen. Es ist unser Ziel, die Chancen dieser Situation zu nutzen und vor möglichen Gefahren zu warnen. Die derzeitigen gesetzlichen Rahmenbedingungen im Bereich des Urheberrechts beschränken jedoch das Potential der aktuellen Entwicklung, da sie auf einem veralteten Verständnis von so genanntem “geistigem Eigentum” basieren, welches der angestrebten Wissens- oder Informationsgesellschaft entgegen steht.

(Quelle: Piratenpartei – Urheberrecht)

Dieses „ekelhafte“ (lt. Julia Schramm) veraltete Verständnis von “geistigem Eigentum” nutzt nun Julia Schramm, um für Ihr Buch möglich großen (Geldwerten) Nutzen zu erreichen.

Keine Beschränkung der Kopierbarkeit

Systeme, welche auf einer technischen Ebene die Vervielfältigung von Werken be- oder verhindern (“Kopierschutz”, “DRM“, usw.), verknappen künstlich deren Verfügbarkeit, um aus einem freien Gut ein wirtschaftliches zu machen. Die Schaffung von künstlichem Mangel aus rein wirtschaftlichen Interessen erscheint uns unmoralisch, daher lehnen wir diese Verfahren ab.

(Quelle: Piratenpartei – Urheberrecht)

Nun, nach diesem Standpunkt der Piratenpartei werden Sie derzeit im Bundesvorstand durch ein moralisch verkommenem Subjekt vertreten.
Um so erstaunlicher, dass auf den Seiten der Piraten keinerlei Stellungsnahmen zu finden ist, jedenfalls nicht, wenn man, wie ich als normaler Internet-Konsumer eine solche Suchmaschinen sucht. Im Gegenteil, durch die Bank weg wird in den Artikel der Zeitungen berichtet, dass die Piratenpartei zu keiner Stellungsnahme bereit ist.

Wir haben es hier also mit verschiedenen Ebenen zu tun. Auf der einen Seite der Verlag, der die Verkaufszahlen so haben möchte, dass sich die angebliche Vorschusszahlung (die Rede ist von 100.000,– Euro) nicht als Minusausgabe herausstellt. Dies ist ein berechtigtes Interesse und der Verlag steht auch nicht für die Ziele der Piratenpartei, im Gegenteil.
Dann die Autorin des Buches, Julia Schramm. Diese hat sich bewusst dafür entschieden, Ihr Buch unter Bedingungen an die Öffentlichkeit zu geben, die weder mit Ihren vorherigen Äußerungen in Einklang zu bringen ist, noch dem Programm der Partei entspricht, bei dem sie einen hohen Funktionärsposten einnimmt.
Zuletzt eben die Partei selbst, die nicht bereit ist bei einem Thema, eines ihrer Kernthemen eine Position einzunehmen. Von direkten Konsequenzen will ich nicht mal reden. Das, wo man nicht nur anhand des Beitrages „Der Musikpartisane“ erkennen kann, dass dieses Thema für die Partei nicht überraschend gekommen ist.

„Es ist ja klar, dass der Verlag dagegen vorgeht, wenn mein Buch auf einer Homepage zum Download steht. Ich sehe darin auch keinen Widerspruch. Ich lehne nicht das Urheberrecht, sondern den Begriff des geistigen Eigentums ab, weil er ein Kampfbegriff ist“, verteidigte sich die Piraten-Politikerin.

(Quelle: Süddeutsche Zeitung – „Jetzt krakeelt wieder der Mob“)

Könnte man evtl. noch der Meinung sein, dass sich Julia Schramm über die Konsequenzen eines Vertrages mit einem Verlag nicht bewusst war, so wird man mit dieser Stellungsnahme von Ihr eines besseren belehrt. Es zeigt, dass sie sich der Konsequenzen durchaus bewusst war und diese auch befürwortet. Sie spricht nicht mal davon, dass der Verlag ihre vertraglichen „Rechte“ wahrt, sondern, das diese ein Download von „mein Buch“ ablehnt. Sie identifiziert sich also mit der Ware Buch, als etwas was „ihrs“ ist. Womit die Aussagen der Kommentatoren, die penetrant darauf hinwiesen, das es ja der Verlag und nicht Julia Schramm die Downloads unterbunden habe, zumindest Moralisch als falsch ausweisen.

Aber es kommt noch besser:

Vielmehr setzen der Verlag und sie „ein Zeichen in der politischen Debatte“, weil die bisherige Abmahnpraxis nicht angewandt werde, bei der der User um die 700 Euro zahlen müsse. Stattdessen ahnde man Verstöße gegen das Urheberrecht zunächst mit einer Verwarnung.

(Quelle: Süddeutsche Zeitung – „Jetzt krakeelt wieder der Mob“)

Julia Schramm will den Leser, bzw. den Usern vorgaukeln, dass der Verlag hier besonders Vorbildlich vorgegangen sei. Ich glaube sogar, dass Julia Schramm bewusst mit einer falschen Aussage einen Objektiv nicht vorhandenen Eindruck hinterlassen will.

Was war passiert?
Der Verlag bringt eine Buch und ein eBook raus. Vorhersehbar war es wohl auch für den Verlag, dass der politische Kreis in dem sich Julia Schramm angeblich engagiert so wie passiert reagiert. Schon am selben Tag wurde auf dem Server eines amerikanischen Cloudanbieter das Buch mit dem entsprechenden Teil des Parteiprogramms der Piraten als Zitat hochgeladen. Der Link/Zugang zu dieser Datei ist dann per Twitter etc. verbreitet worden.
Der Verlag reagiert und lässt die Datei aus Urheberrechtsgründen, bzw. wegen dem Copyright entfernen.
Das der Verlag auf solch eine Aktion vorbereitet war, ist stark zu vermuten. Wie dem auch sei, die Äußerung von Julia Schramm, dass der Verlag ja (positiv?) nicht direkt abgemahnt habe, sondern nur eine Verwarnung ausgesprochen habe ist meiner Meinung nach eine Täuschung der Leser, die lächerlich und dreist zugleich ist.
Der Verlag wird weder die Möglichkeit einer kostenpflichtigen Abmahnung, noch die einer „Verwarnung“ haben. Da gibt es einen Account, auf dem diese Datei hoch geladen wurde. Man kann davon ausgehen, dass weder Dropbox als Cloudanbieter, noch der Verlag den Urheber der Datei eindeutig benennen können. Von daher kann hier der Verlag nur das selbe machen, was schon die so mächtige Film- und Musikindustrie bei den diversen Uploaddiensten (z.B. Rapidshare) machen, nämlich die Dateien entfernen zu lassen. Die anderen Behauptungen sind einfach lächerlich! Ich würde wetten, das der Verlag auch kostenpflichtig abmahnen würde, wenn er einen Empfänger für eine solche Abmahnung hätte.

Übrigens hat es mich nicht mal 5 Minuten rumklicken gebraucht, um an 5 verschiedene Links mit Downloads für das Buch zu kommen. Es wird wohl eher ein Kampf gegen Windmühlen für den Verlag werden.

Ich halte das Konzept der Piraten zum Urheberrecht für falsch, kann aber meine heimliche Freude für die Blamage von Autorin und Verlag nicht verbergen. Man wollte die Kontroverse dazu nutzen, mit dem Buch einen Reibach zu machen. Ich bin ehrlich, das ich es gut finde, wenn sie mit diesem PR-Konzept auf die Schnauze fallen. Ich glaube nicht, das Julia Schramm von der Kohle lange etwas hat. Und wenn das Buch ein finanzielles Desaster wird, kann sie lange nach einem Verleger suchen, der sie auch nur zu halbwegs attraktiven Bedingungen unter Vertrag nimmt. Einen Vorschussvertrag wird sie sich dann auf jeden Fall abschminken müssen.

Eigentlich frage ich mich, warum Julia Schramm diesen Weg gegangen ist. Im Eigenverlag kann man heute schon mit recht geringen Mitteln sowohl ein Buch, wie auch ein eBook heraus bringen. Da dabei die üblichen Zwischenstationen rund um den Verlag fehlen, ist das geldwertige Ergebnis je Buch sogar meist für den Autor noch höher. Dann natürlich nur für jedes Buch, das man verkauft und nicht schon für nicht verkaufte Bücher.
Das dieses System selbst bei eBooks ohne DMR etc. funktioniert zeigen z.B. die Handbücher über das Programm „calibre“, die ich mir auch gekauft habe. Ein einfaches Konzept, das auf der Basis „Vertrauen“ basiert. Eine Basis, die die gute Frau Schramm scheinbar nicht aufbringen will. Oder war ihr der schnelle Mammon da doch lieber? Oder ist es etwa die Erfahrung, die sie mit sich selbst gemacht hat?

Kleine Schlussbemerkung:
Die Posse geht bei der Piratenpartei selbst munter weiter. Auf der einen Seite fordern die Piraten ein freies, offenes und auch anonymes Internet.
Ich habe mich redlich bemüht, von den Piraten zu erfahren, wie sie zu diesem Thema stehen. Auf der offiziellen Piratenseite ist nichts zu finden, im Wiki der Piraten auch nicht, schließlich kam ich auf das Forum. Voller Hoffnung klicke ich auf „Suche“. In dem nun erscheinenden Fenster werde ich dann wie folgt aufgeklärt:

Du bist entweder nicht eingeloggt oder dir fehlt die Berechtigung, diese Seite zu sehen.
[…]

(Quelle: Forum Piratenpartei – Suchfunktion)

Ohne das man Daten von sich preis gibt ist man also nicht berechtigt nach Inhalten in diesem Forum zu suchen? Ein super Beispiel von Offenheit, Netzfreiheit usw.
Trotzdem bin ich nach einigem suchen im Forum fündig geworden. Auch wenn ich vom Inhalt doch eher enttäuscht war: Piratin geht rechtlich gegen Raubkopierer vor !
Ich habe mir trotzdem die Mühe gemacht, die drei Forumsseiten durch zu lesen und stieß bei den letzten Postings (#27) auf einen Link zu einem anderen Thread in dem Forum. Neugierig klickte ich diesen an und …
Nun manch einer mag es vermuten, ich bekam diese Mitteilung:

Du bist entweder nicht eingeloggt oder dir fehlt die Berechtigung, diese Seite zu sehen.
[…]

(Quelle: Forum Piratenpartei – Versuch einen Thread aufzurufen)

Ich bin erstaunt, wie offen die Partei sich gegenüber seinen potenziellen Wählern gibt!
Um das Forum auch nur lesend benutzen zu können muss ich der Partei (vertreten durch die Admins und Mods) mindestens eine Mailadresse, Passwort und einen Benutzernamen mitteilen. Voreingestellt (also ein Opt-Out) ist, dass mir die Admins mit Mails belästigen dürfen und ebenfalls „Persönliche Nachrichten“ erhalten dürfen, sowie der Mitteilung eben solche erhalten zu haben.
Das scheint also das Verständnis der Piraten über „freie“ und „offene Information“ zu sein.
Vielleicht sollten die Piraten ein „AK Realität“ einrichten, die dann das Parteiprogramm der eigenen Realität angleichen.
Würde man sich dann so weit geöffnet haben, würde man sowohl beim Lesen, wie auch bei dem Versuch der freien Meinungsäußerung an dem Mangel der Verantwortlichen an Ihrem eigenen Anspruch der freien Meinungsäußerung scheitern. In dem letzten Posting des oben vermerkten Thread liest man dieses hier:

Da der Betreff „Piratin geht rechtlich gegen Raubkopierer vor!“ falsch ist und die Diskussion dadurch immer wieder unsachlich wird: closed.

(Quelle: Piratenpartei Forum – „Re: Piratin geht rechtlich gegen Raubkopierer vor !“)

Man beachte, das derjenige, der den Titel des Threads kritisiert, sein Posting mit dem Titel „Re: Piratin geht rechtlich gegen Raubkopierer vor !“ stehen gelassen hat. Man beachte auch die Signatur des Admin/Mod! Und solchen Menschen soll ich meine Daten geben und mich dieser Entscheidung gegen jeden Grundsatz der Piraten unterwerfen?

Ja, ich gebe es gerne zu. Bei solchen politischen Funktionären bin ich gerne „MOB“!

Links:

Links aus dem Text des Artikels:

Wegen der Vollständigkeit, hier der Link zum Blog (zum entsp. Beitrag) der Autorin

Und hier mein ganz persönlicher Shitstorm zum Thema Piraten im allgemeinen (oder muss es Piratenbashing heißen?). Hat nicht unbedingt was mit dem Thema zu tun, aber ich will doch nicht, das von mir ein falscher Eindruck entsteht 😉 :

Um den Eindruck nicht zu verwischen verzichte ich hier auf die Links, wo ich auch gegen andere Parteien wettere. 😉

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